Friedrich Merz: Zeit der Quarantäne war herausfordernd
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Hagen. Friedrich Merz hat zwei Wochen Quarantäne hinter sich. In der Corona-Krise stellt er seine persönlichen Ambitionen in der CDU zurück.
Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, ist am 15. März positiv auf das Coronavirus getestet worden. Vermutlich hat er sich wenige Tage zuvor bei einem Termin in Berlin angesteckt. Im Interview spricht er über seine zweiwöchige Quarantäne, die Maßnahmen der Bundesregierung und seine politischen Ambitionen.
Sie sind am 15. März positiv auf das Coronavirus getestet worden. Wissen Sie eigentlich, wer sie angesteckt hat?
Friedrich Merz: Ja, es ist vermutlich am 9. März bei einem Termin in Berlin passiert. Der Gesprächspartner hat sich wenige Tage später bei mir gemeldet und davon berichtet, dass er positiv getestet wurde.
Was haben Sie nach Ablauf der zweiwöchigen Quarantäne als Erstes unternommen?
Merz: Ich bin endlich mal wieder gleich morgens zu meinem Bäcker gefahren und habe frische Brötchen geholt. Wir sind zwar in den Tagen zuvor von den Nachbarn gut versorgt worden, aber es war ein befreiendes Gefühl, wieder das Haus verlassen zu dürfen.
Wie haben Sie die Erkrankung erlebt?
Merz: Ich hatte viel Glück, weil die Symptome denen einer leichten bis mittleren Grippe entsprachen. Ich litt unter Halsschmerzen, Ohrenschmerzen und einem hartnäckigen Schnupfen. Das Ganze hat allerdings länger gedauert, als ich es von einer Grippeerkrankung normal kenne, wenn ich die denn überhaupt einmal habe. Die zwei Wochen im Haus waren schon herausfordernd, zumal meine Frau und unsere jüngste Tochter ebenfalls unter Quarantäne gestellt wurden. Sie sind beide zum Glück nicht erkrankt. Ich musste rund 80 Kontaktpersonen an das Gesundheitsamt im Hochsauerlandkreis melden. Gott sei Dank habe ich auch außerhalb der eigenen Familie, soweit ich es übersehen kann, niemanden angesteckt. Insbesondere meine Eltern, die ich kurz vorher noch gesehen hatte, sind verschont worden. Insofern hat sich bei mir alles zum Guten gewendet.
Zwangsurlaub oder Hausarrest? Wie fühlt sich Quarantäne an?
Merz: Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals 14 Tage am Stück im Haus geblieben zu sein. Aber ich habe es trotzdem nicht als unangenehme Zeit empfunden. Ich habe viel gelesen, viel am Schreibtisch gearbeitet, viele Telefonkonferenzen geführt. Und wir haben fast jeden Abend Skat gespielt, natürlich mit Abstand voneinander.
Merz: (lacht) Ich habe ein bisschen mehr Erfahrung als meine Frau und unsere Tochter.
Haben Sie das Gefühl der Angst gespürt?
Merz: Nein, zu keinem Zeitpunkt. Ich gehöre aber auch zu keiner Risikogruppe. Ich habe keine gesundheitlichen Vorschäden und bin relativ gut in Form, weil ich regelmäßig Sport treibe. Deswegen war ich von Anfang an zuversichtlich, dass die Krankheit bei mir mehr oder weniger glimpflich verlaufen würde.
Wie war die Zusammenarbeit mit den Behörden in der Zeit der Quarantäne?
Merz: Das Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises hat sich vorbildlich verhalten, auch gegenüber denjenigen, die ich als Kontaktpersonen angegeben habe. Hut ab vor der wirklich sehr guten Arbeit und Betreuung. Ich habe im übrigen von Anfang an gesagt: Ich will hier keine Sonderbehandlung.
Hat Ihnen auch die Technik über die Zeit geholfen?
Merz: Klar, ich habe mich regelmäßig über zahlreiche Medienkanäle informiert und auch Audio- und Videokonferenzen genutzt. Das hat bei mir auch für die Zukunft einen Motivationsschub ausgelöst: Wir können uns doch so manche Reise sparen und trotzdem genauso effizient arbeiten. Ich bin mir sicher, dass die Menschen den Wert dieser etwas entschleunigten, aber doch effektiven Arbeitsweise schätzen lernen werden.
Wie wird die Krise die Gesellschaft verändern?
Merz: Das lässt sich momentan noch nicht abschließend beurteilen. Aber wir erleben eine tiefe Zäsur in unserem Leben, auch und gerade im Berufs- und Arbeitsleben. Wir werden mit den Folgen dieser Pandemie noch sehr, sehr lange zu tun haben. Ich vermute, dass wir erhebliche Schleifspuren in der Wirtschaft, und zwar in fast allen Sektoren, sehen werden. Schon heute ist der gesamte Gastronomie- und Gaststättenbereich unmittelbar betroffen, aber auch die mittelständische Industrie leidet stark. Wir werden groß Anstrengungen unternehmen müssen, um auf das Beschäftigungs- und Wohlstandsniveau zurückzukommen, das wir zu Beginn des Jahres 2020 hatten. Ich gehöre zu denen, die die Prognosen für das Wirtschaftswachstum eher im zweistelligen Minusbereich sehen als im einstelligen.
Ist es zu früh, über eine Exitstrategie zu sprechen?
Merz: Die entscheidende Frage ist: Wie lange wird die gesundheitliche Krise dauern? Alle Maßnahmen müssen so lange eingehalten werden, bis die Infektionskurve wieder abflacht, damit unser Gesundheitssystem die Lage verkraftet. Deshalb ist es richtig, dass der Fokus jetzt auf der Gesundheit der Bevölkerung liegt. Aber wir werden nach Ostern intensiv über die Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft reden müssen. Das heißt: Über eine Exitstrategie muss natürlich früher gesprochen werden, aber wir müssen von realistischen Annahmen ausgehen. Und dazu zählt, dass zumindest bis zum 20. April an dem gegenwärtigen Zustand nichts geändert wird. Danach kann vielleicht es mit dem „normalen Leben“ langsam wieder losgehen, wahrscheinlich zuerst mit den Schulen und Kindergärten. Aber für die Wirtschaft wird das ein langer Prozess bleiben. Dort müssen wir vor dem Hintergrund, dass einzelne Sektoren völlig zum Erliegen gekommen sind, unterschiedliche Strategien anwenden. Im Vordergrund stehen aber momentan der Schutz und das Leben der Bevölkerung.
Halten Sie es für möglich, dass Gesundete wieder normal leben können und Risikogruppen mit weiteren Einschränkungen leben müssen?
Merz: Eine abgestufte Lösung ist aus meiner Sicht grundsätzlich denkbar. Aber wir sprechen über erhebliche Freiheitsbeschränkungen, deshalb müsste das gut begründet werden.
In Menden sollen Quarantäne-Verweigerer in einer Turnhalle isoliert werden.
Merz: So eine Maßnahme stellt einen tiefen Eingriff in die Freiheitsrechte unserer Verfassung dar. Sie erfordert eine ganz präzise und saubere Begründung, um zulässig zu sein. Aber es wäre besser, wenn es diese Quarantäne-Verweigerer gar nicht erst gäbe, um uns allen einen solchen Konflikt zu ersparen.
Haben Bund, Länder und Kommunen bisher richtig gehandelt?
Merz: Es hat weltweit unterschiedliche Methoden gegeben, mit diesem Problem umzugehen. Am Ende haben sich alle dazu entschlossen, mehr oder weniger dasselbe zu tun, nämlich Begrenzungen des Publikumsverkehrs, Ausgangs-, und Kontaktbeschränkungen, das Verbot von großen Versammlungen, von großen Sportereignissen. Das ist ganz offensichtlich richtig und der einzige Weg, um einer unkontrollierten Verbreitung des Virus zu begegnen. Und als jemand, der die Erfahrung am eigenen Leib gemacht hat, muss ich sagen: Das alles macht im Moment schon Sinn.
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Reichen die veranlassten Hilfspakete und Rettungsschirme?
Merz: Sie sind nachvollziehbar und richtig. Ob sie am Ende ausreichen, muss die Zeit zeigen. Aber wir müssen uns alle darüber im Klaren sein, dass diese massiven öffentlichen Ausgabenprogramme natürlich nicht von Dauer sein können. Am Ende muss eine auf privatem Eigentum und sozialer Verantwortung beruhende soziale Marktwirtschaft wieder im Mittelpunkt unseres Wirtschaftslebens stehen und nicht staatliche Zuwendungen oder gar die Beteiligung des Staates an Unternehmen. Die freiheitliche soziale marktwirtschaftliche Ordnung hat uns stark gemacht. Sie muss so schnell wie möglich wiederhergestellt werden.
Wie haben sich Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Laschet geschlagen?
Merz: In der Krise hält eine Gesellschaft immer zusammen und versammelt sich hinter den Regierungen. Das gilt für Nordrhein-Westfalen, das gilt für Bayern, und das gilt für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Das ist auch ein Zeichen eines Grundvertrauens unserer Bevölkerung in unsere Regierungen und ihre Fähigkeit, eine solche Krise zu bewältigen. Dieses Grundvertrauen teile ich voll und ganz.
Also loben Sie die Bundeskanzlerin?
Merz: Ich finde, dass die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten ihre Sache gut machen.
Hat Frau Merkel nicht zu spät reagiert?
Merz: Frau Merkel gehört zu den Politikern, die erst nachdenken und dann reden, und das ist mir gerade in einer solchen Situation sympathischer als umgekehrt.
Erlebt jetzt der starke Staat eine Renaissance?
Merz: In einer solchen Lage muss der Staat stark sein und handeln. Aber das kann natürlich kein Dauerzustand werden. Denn alles was jetzt ausgegeben wird, muss irgendwann bezahlt werden.
In Ungarn wird das übertrieben, oder?
Merz: Ich habe die Entwicklung in Ungarn schon vor der Krise mit großer Skepsis betrachtet. Diese Skepsis ist nun noch einmal deutlich gewachsen. Umso wichtiger ist es, dass wir in unserem Land die Freiheitsrechte der Menschen nur wirklich so weit einschränken, wie es unbedingt zur Bewältigung des Problems notwendig ist. Also: Soviel Einschränkung wie nötig, gleichzeitig so viel Freiheit bewahren wie möglich. Das ist eine Herausforderung für den Rechtsstaat, aber die Bevölkerung trägt es mit. Für mich ist das ein Zeichen der demokratischen und politischen Reife in unserem Land.
Handelt die Europäische Union angemessen?
Merz: Neben den gesundheitlichen und den ökonomischen Schwierigkeiten ist die europäische Abstimmung die größte Herausforderung dieser Krise. Die EU muss in dieser Situation, von der alle 27 Mitgliedsstaaten betroffen sind, zeigen, dass sie zu gemeinsamer Kraftanstrengung und zu gemeinsamen Lösungen in der Lage ist. Ich meine allerdings unverändert, dass Handlung und Haftung beim Geldausgeben in einer Hand bleiben müssen. Eurobonds oder Corona-Bonds sind deshalb die falsche Antwort. Es sei denn, man gibt die Lösung des Problems Corona auch in die Hände der Europäischen Union. Aber darauf ist sie nicht vorbereitet, das kann sie nicht. Also muss die wesentliche Verantwortung bei den Mitgliedsstaaten bleiben.
Behindert die Corona-Krise Ihre politischen Ambitionen?
Merz: Darüber mache ich mir momentan überhaupt keine Gedanken. Im Vordergrund steht jetzt die Lösung der Corona-Krise. Es geht dabei um existentielle Fragen für große Teile unserer Bevölkerung. Deswegen stehen sämtliche innerparteiliche Themen hinten an, bis hin zu der Frage, wer bei uns neuer Parteivorsitzender wird. Damit beschäftigen wir uns wieder, wenn wir das Gröbste dieser Krise hinter uns haben.
Wie wollen Sie persönlich zur Bewältigung der Krise beitragen?
Merz: Ich würde gerne als genesener Corona-Patient etwas zur Entwicklung von Abwehrstoffen für Menschen mit schweren Verläufen beitragen. Ich habe dem Uniklinikum Münster nach einem entsprechenden Aufruf bereits eine Blutspende angeboten. Ansonsten werde ich mich an den Diskussionen innerhalb der Partei, auch den nicht-öffentlichen, um den richtigen Weg beteiligen. Sie werden von mir nur konstruktive Beiträge hören, wie wir möglichst schnell wieder auf einen vernünftigen marktwirtschaftlichen Kurs der Finanzpolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Wirtschaftspolitik zurückkehren können. Jetzt ist Gemeinsamkeit gefragt und kein Streit.
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