Essen.. Es könnte der Ausweg aus dem Lockdown sein: Die Konzentration aller Kontroll-Maßnahmen auf jene, die tatsächlich erkrankt oder gefährdet sind.

Die Pandemie hat das Leben weltweit eingefroren – das Social Distancing bremst die Ausbreitung des Coronoavirus allmählich. Allerdings steuern gleichzeitig die Volkswirtschaften auf eine heftige Rezession zu. Und das ist keine abstrakte Gefahr. Alleine in Deutschland sind Millionen Existenzen gefährdet: Klein-Unternehmer, Gastronomen, Einzelhändler rutschen sehr rasch in die Pleite, wenn die schmalen Rücklagen aufgebraucht sind. 

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Lebenswerke, Zukunftspläne werden zerstört. Und man wird sehen, wie rasch auch das Hilfspaket der Regierung aufgebraucht ist, wenn allen geholfen werden soll. Wenn die Politik den harten Lockdown nicht innerhalb der kommenden drei Wochen beendet, könnten am Ende die Fundamente der Staatlichkeit gefährdet sein. Und wer jetzt denkt, solche Aussichten seien reine Panikmache der „Wirtschaftslobby“, der möge nach Süditalien schauen. Wenn die Menschen verzweifeln, dann reagieren sie mit Aufruhr.

Königsweg: Das Virus kontrollieren - dann die Auflagen lockern

 Allerdings ist die Pandemie auch unerbittlich: Solange es keinen Impfstoff gibt, wird die Zahl der täglichen Toten unweigerlich wieder steigen, wenn die Regeln des allgemeinen Social Distancing allzu rasch aufgehoben werden und die Rahmenbedingungen ansonsten die gleichen bleiben.

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Der Königsweg aus dem Dilemma ist also ziemlich klar vorgezeichnet: Die Auflagen lockern – und dennoch die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle halten. Wie das geht, machen uns Südkorea, Taiwan, Singapur und Japan bereits vor: Am Ende geht es bei der Pandemie-Bekämpfung vor allem darum, die Risikogruppen zu schützen. Und das wiederum schafft man, indem man sehr schnell und präzise feststellt, wer aktuell das Virus verbreitet und wer mit diesem Verteiler in Kontakt war. Massentests wären eine Lösung. Aber derzeit ist es nicht möglich, die Zahl der Tests einfach auszuweiten.

Das Zauberwort heißt: Smart Distancing, statt Social Distancing

Aber man könnte die vorhandenen Kapazitäten deutlich gezielter einsetzen, um statt einem allgemeinen Social Distancing ein „Smart Distancing“ zu erreichen: Also die Isolation lediglich jener Menschen, die entweder bereits erkrankt sind oder Kontakt zu Erkrankten hatten. Das würde es ermöglichen, die Bewegungsfreiheit der Gesunden wieder zu vergrößern.  

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Und hier soll der sogenannte Corona-Tracker zum Einsatz kommen: Es handelt sich um eine App auf dem Smartphone. Ein Erkrankter notiert in ihr, dass er positiv getestet wurde - oder diese Meldung erfolgt automatisch nach einem positiven Testergebnis. Die App kann auf der Basis einer Bluetooth-Software (eine automatisierte Geräteerfassung im näheren Umfeld) gleichzeitig aufzeichnen, wer sich in der Inkubationszeit für einen definierten Zeitraum (15 Minuten) im Zweimeter-Radius befunden hat oder akut befindet. Denn diese Menschen könnten nun ebenfalls infiziert sein. Die App des Erkrankten würde daher ihrerseits automatisch einen Alarm an die Smartphones der Betroffenen geben, die sich wiederum umgehend testen lassen und sich nötigenfalls in Quarantäne begeben können. So kann die Infektionskette unterbrochen, das Virus unter Kontrolle gebracht werden.

Das Prinzip beruht auf Freiwilligkeit und Datenlöschung

Die Apps, die in den oben genannten asiatischen Staaten zum Einsatz kommen, sind allerdings nicht vereinbar mit der europäischen Datenschutz Grundverordnung: Sie speichern die übermittelte Bewegungsmuster mit Klarnamen, und zum Teil haben staatliche Stellen Zugriff auf die App-Daten und können somit Quarantäne-Maßnahmen auch behördlich verordnen. Deswegen arbeitet ein europäisches Team unter hohem Druck an einer Lösung, die den gesetzlichen EU-Vorgaben entspricht: Die Anwendung der App soll auf Freiwilligkeit basieren und die gesammelten Daten sollen durch Verschlüsselung anonymisiert werden: Es werden keinen Namen gespeichert (sondern lediglich randomisierte IDs vergeben) und die Daten sollen nach Ablauf der Inkubationszeit sofort wieder gelöscht werden.

Die Datenschützer haben jedenfalls gegen die geplante Lösung mit dem Namen PEPP-PT (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing) keine Einwände. Es gibt allerdings Zweifel, ob der auf Freiwilligkeit beruhende Einsatz der App die gleiche Wirkung entfalten kann, wie ihre Pendants in Asien. Zudem verfügen nur 80 Prozent der Bundesbürger über ein Smartphone.

Konkrete Tests in einer Bundeswehr-Kaserne´

Die Funktionsfähigkeit der App wird ab sofort in der Berliner Julius-Leber-Kaserne getestet. Nach gestrigen Angaben der Bundeswehr beteiligen sich etwa 50 Soldaten daran unter Federführung des Fraunhofer-Instituts: „Der Ablauf dieser Kalibrierung besteht aus mehreren Phasen, in denen sich in einem bestimmten, definierten Areal zunächst zwei Personen aufhalten“, teilte die Bundeswehr mit. „Die Anzahl der Personen wird im Laufe der Zeit schrittweise erhöht und nach Erreichen einer festgelegten Zielgröße anschließend wieder schrittweise reduziert werden.“

Die Soldaten müssen sich als Testpersonen an bestimmten Punkten, für eine bestimmte Dauer aufhalten oder sich an einen anderen Punkt begeben. Die Testzyklen finden auf dem Kasernengelände in Gebäuden und im Freien statt. „Selbstverständlich wird auf die Sicherheit und Gesundheit der Teilnehmer höchsten Wert gelegt und alle mit der nötigen Schutzausstattung ausgestattet“, hieß es dazu.

Es ist ein Appell: mehr Bewegungsfreiheit bei genügend Vernunft

In einem Interview hatte jedoch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) betont, sie gehe davon aus, dass die Bürger sich vom Einsatz der App überzeugen lassen, wenn sie sehen, dass die Daten anonym und gesichert sind und tatsächlich Infektionsketten unterbrochen werden. Und wenn damit klar wird, dass dieser Weg es ermöglicht, den Lockdown endlich zu lockern. Die App kann also dazu beitragen, die Schäden und die Folgen der Pandemie einzugrenzen. Und wer vernünftig ist, wählt diesen Vorteil.