Berlin. Die Rentenkommission sollte Lösungen finden, wie die Rente nach 2025 finanziert wird. Diese Maßnahmen schlägt die Expertengruppe vor.
Die ganz große Rentenreform – sie wird wohl so schnell nicht kommen. Dabei steht das gesetzliche Rentensystem vor einer enormen Herausforderung: Wenn die Generation der Babyboomer, also der Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre, zwischen 2025 und 2040 in Rente geht, wird die Rentenlast für die Arbeitnehmer größer.
Die Bundesregierung hat daher vor zwei Jahren eine zehnköpfige Rentenkommission eingesetzt, die Empfehlungen für die Zukunft der Rente geben soll. Am Freitag übergab nun diese Kommission – bestehend aus Politikern und Politikerinnen von CDU, CSU und SPD, Vertretern und Vertreterinnen von Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen – ihren Abschlussbericht. Der zeichnet sich vor allem durch große Spielräume aus.
Rente: Sicherungsniveau könnte auf bis zu 44 Prozent sinken
Die Regierung hat das , also das Verhältnis zwischen der Rentenhöhe und dem durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitnehmers, bis 2025 gesichert: Es darf nicht unter 48 Prozent rutschen. Für die Zeit danach schlägt die Kommission einen Korridor zwischen 44 und 49 Prozent vor.
Das erzürnt aber schon jetzt die Gewerkschaften. Annelie Buntenbach, die den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in der Kommission vertrat, verweigerte für diesen Punkt ihre Zustimmung. „Für die Gewerkschaften ist klar, es darf keine weiteren Rentensenkungen geben – das Niveau von heute 48 Prozent muss als definitive Untergrenze festgelegt werden, und zwar ein für alle Mal“, sagte Buntenbach.
Renten-Beiträge könnten zwischen 20 und 24 Prozent liegen
Auch bei der zweiten großen Stellschraube, den Beiträgen für die gesetzliche Rentenversicherung, bleibt die Rentenkommission vage.
Aktuell liegt der Rentenbeitrag, den sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen, bei 18,6 Prozent. Bis 2025 darf er nicht über 20 Prozent steigen. Für die Zeit danach schlägt die Rentenkommission einen Korridor von 20 bis 24 Prozent vor – zum Unmut der Arbeitgeber. Von der Bundesvereinigung der Arbeitnehmer (BDA) hieß es, dass die Politik die Spielräume nutzen müsse, um die Beiträge weiter zu begrenzen.
Rentenalter soll nicht steigen – vorerst
Bleibt also der dritte große Faktor, mit dem die Rentenlast beeinflusst werden kann: das Renteneintrittsalter. Das steigt bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre an.
Und es ist ein besonders sensibles Thema. Als die Bundesbank im vergangenen Jahr vorschlug, das Rentenalter bis 2070 auf fast 70 Jahre anzuheben, entfachte sie einen Sturm der Entrüstung. Auch das arbeitgebernahe Institut der Wirtschaft (IW) sorgte mit seinem Modell der Rente mit 69 für Kritik.
Entrüstung und Kritik wollte die Rentenkommission nun offenbar vermeiden. „Die Kommission kommt nach sorgfältiger Abwägung aller Fakten und Argumente zu dem Schluss, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht über eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze über 67 Jahre hinaus entschieden werden soll“, heißt es in dem Bericht.
Ausschließen will die Kommission ein steigendes Rentenalter aber auch nicht. Mit dieser Frage soll sich künftig ein sogenannter Alterssicherungsbeirat beschäftigen, heißt es in dem Bericht.
Rentenkommission stand vor dem Scheitern
Positiv bewertet die Rentenkommission die für das Rentenniveau und den Beitragssatz ausgesprochenen Garantien. Diese sogenannten Haltelinien sollten künftig für sieben Jahre gelten, schlug das Gremium vor.
Insgesamt konnte die Rentenkommission zwar am Ende einen Bericht präsentieren, doch vor allem wurde deutlich, wie uneins sie in vielen Bereichen war. Das wurde vor allem am Beispiel des Sozialforschers Axel Börsch-Supan deutlich, der für ein dynamisch steigendes Renteneintrittsalter plädierte.
Im Februar sprach Börsch-Supan öffentlich von „Denkverboten“ und sorgte damit beinahe für ein Scheitern der Kommission. Im Abschlussbericht stimmte er nun gegen die Haltelinien. Der Bericht ist somit nicht mehr als ein Minimalkonsens.
Opposition kritisiert Rentenkommission
Das sorgt insbesondere bei der Opposition für Kritik. „Das Beste, was ich über diese Kommission sagen kann, ist: Sie hat keine gravierenden Verschlechterungen beschlossen“, sagte Linke-Chefin Katja Kipping unserer Redaktion.
„CDU, CSU und SPD haben die Rentenkommission als Feigenblatt benutzt, um Kritik an zahlreichen Fehlentscheidungen ihrer Rentenpolitik abzublocken“, kritisierte FDP-Rentenpolitiker Johannes Vogel. Eine Antwort auf eine zukunftsfähige Rentenpolitik würden die Parteien aber schuldig bleiben.
Grüne könnten sich höheres Rentenalter vorstellen
Die Grünen betonten, dass es um Zugeständnisse von allen Seiten gehen müsse: „Arbeitgeber, Beschäftigte und Steuerzahler müssen aufeinander zukommen, wenn das Rentenniveau gesichert werden soll“, sagte Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher der Grünen.
„Weder darf ein höherer Beitragssatz noch eine differenzierte Diskussion über ein längeres und gesünderes Arbeiten im Alter ein Tabu sein“, so Kurth.
Heil kündigt Vorschläge zur Rente an
Was die Bundesregierung nun aus den Empfehlungen der Rentenkommission machen wird, liegt zunächst in der Hand von Arbeitsminister Hubertus Heil. Der SPD-Politiker kündigte an, noch in dieser Legislaturperiode Gesetzesvorschläge für die Rente nach 2025 erarbeiten zu wollen.
Zumindest beim Rentenniveau wird Heil aber wohl nicht die von der Kommission vorgeschlagenen Spielräume nutzen: „Ich persönlich bin der Überzeugung, dass das Rentenniveau über 2025 hinaus stabil bleiben muss, also bei mindestens 48 Prozent“, sagte Heil.
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