Essen. Intensivkapazitäten sollen verdoppelt werden. Das ist realistisch, heißt es aus den Kliniken. Sie warnen allerdings vor finanziellen Engpässen.

In den Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen wächst angesichts der Corona-Krise die Sorge vor finanziellen Engpässen. Das berichten die Ärztegewerkschaft Marburger Bund und die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW). Zugleich bereiten sich die Kliniken an Rhein und Ruhr auf die Umsetzung des Notfallplans der Bundesregierung vor, mit dem die Intensivkapazitäten deutlich ausgebaut werden sollen.

Wegen der Corona-Krise werden in vielen Krankenhäusern nicht lebensnotwendige Operationen verschoben. Die Folge: Es drohen erhebliche Erlösausfälle. Zudem sprechen die Kliniken von „ausufernden Beschaffungskosten“. Laut KGNW sind die Preise etwa für Schutzkleidung oder Ersatzteile für Beatmungsgeräte seit Beginn der Krise sprunghaft um bis zu 200 Prozent angestiegen. „Es gibt Klinik-Geschäftsführer, die sagen, dass sie noch 14 Tage durchhalten, bevor ihre Häuser insolvent sind“, so ein Sprecher der KGNW.

Kutschaty: Funktionsfähigkeit der Krankenhäuser hat oberste Priorität

Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat den Kliniken jetzt eine Soforthilfe von 150 Millionen Euro in Aussicht gestellt. „Ein erster Schritt“, so der Sprecher der Krankenhausgesellschaft. Jetzt müssten weitere Lösungen auf Bundesebene gefunden werden.

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Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, forderte eine rasche Bereitstellung der von Laumann zugesagten Mittel: „Die Funktionsfähigkeit unserer Krankenhäuser hat oberste Priorität.“

Ein Sprecher des Marburger Bundes sagte auf NRZ-Anfrage zudem, dass in den Krankenhäusern die Sorge groß sei, dass nicht ausreichend Schutzkleidung vorhanden sei, wenn die Zahl der Corona-Erkrankten sprunghaft ansteige. Das Problem sei bekannt, teilte eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums auf Anfrage der NRZ mit.

Probleme bei der Beschaffung von Schutzmasken

Das Ministerium habe bereits eine Million Schutzmasken bestellt. Aufgrund der weltweiten Exportbeschränkungen sei aber nicht absehbar, wann diese Masken verfügbar seien. In dieser Woche würden 20.000 Masken geliefert, weitere 280.000 würden zeitnah erwartet.

Derweil bereiten sich die Kliniken an Rhein und Ruhr auf die Umsetzung des Notfallplans von Bundesregierung und Ländern vor, der eine Verdoppelung der Intensivkapazitäten und die Schaffung zusätzlicher Bettenkapazitäten beispielsweise in umgerüsteten Hotels oder Messehallen vorsieht, wo leichter Erkrankte versorgt werden könnten.

Kliniken: Corona-Notfallplan ist realistisch

Die Krankenhäuser begrüßten „jede Maßnahme, die zur Entlastung ihrer Kapazitäten in der Bewältigung dieser Krisensituation beitragen“, so der Sprecher der KGNW. Aus den Kliniken ist zu hören, dass sie die Umsetzung des Notfallplans für realistisch halten.

In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit rund 6100 Intensivbetten und 4300 Beatmungsplätze. Stand jetzt können nach Angaben des KGNW-Präsidenten Jochen Brink durch die Verschiebung nicht lebensnotwendiger Operationen etwa 1100 zusätzliche Beatmungsplätze geschaffen werden.

Gesundheitsökonom Wasem: Kein Aktionismus, sondern notwendig

Der Notfallplan der Bundesregierung, stichpunktartig festgehalten auf einer DIN-A-4-Seite, ist weitaus ehrgeiziger. Um die Intensivkapazitäten zu verdoppeln, wird in dem Papier unter anderem die Schulung von vorhandenem Personal für einen Einsatz im Intensivbereich, sowie der Einsatz von Medizinstudenten höherer Semester und die Reaktivierung von Ärzten und Pflegekräften im Ruhestand gefordert. Zudem sollte die Kliniken ihre Lagerbestände nach Betten und Geräten durchforsten, um gegebenenfalls Hallen oder Hotels umrüsten zu können.

Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem hält den Plan für richtig: „Ich befürchte, dass das kein Aktionismus sondern notwendig ist“, sagte er der NRZ. Er traue sich „keine Einschätzung zu, ob die Krankenhäuser das hinbekommen“.

Krankenhäuser: Schwierig, aber wir schaffen das

In den Krankenhäusern an Rhein und Ruhr gibt man sich derzeit noch optimistisch. „In unseren Häusern ist ohne Anschaffung neuer Geräte eine Erhöhung der intensivmedizinischen Kapazitäten möglich und wird derzeit vorbereitet“, so Hille Ahuis, Sprecherin des Alfried Krupp Krankenhauses in Essen. Im Haus im Essener Stadtteil Rüttenscheid sei eine Kapazitätsausweitung von 50 Prozent vorstellbar, in Steele eine von 25 Prozent.

Bei der Anschaffung neuer Geräte sei auch die von der Bundesregierung angestrebte Verdoppelung der Intensivkapazitäten realistisch, betont Ahuis. Auch die personellen Kapazitäten seien gegenwärtig ausreichend, zudem würden weitere Kräfte geschult.

Krankenpflegeschüler müssen in Kleve ran

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Auch die Kreis Klever Karl-Leisner-Kliniken in Goch, Kevelaer und Kleve arbeiten derzeit an einem Aufbau ihrer intensivmedizinischen Kapazitäten, wie Christian Weßels, der Sprecher des Klinikverbundes, berichtet. Auf den Intensivstationen in den drei Krankenhäusern gibt es derzeit zwischen sechs und zwölf Betten. „Wir schauen in unserer Personaldisposition, wer geeignet sein könnte, intensivmedizinisch zu arbeiten oder wer schulen könnte.“

Weßels weist aber darauf hin, dass es nicht einfach möglich sei, Intensivpfleger „in einem Crash-Kurs“ auszubilden. „Es ist schwierig, aber wir tun, was wir können.“ Um abgezogenes Personal auf den normalen Stationen zu ersetzen, werde man verstärkt Krankenpflegeschüler einsetzen, so der Sprecher des Kreis Klever Krankenhausverbundes weiter. Das ambulante Geschäft sei mittlerweile weitgehend eingestellt worden.