Berlin. Die Versorgung durch Krankenhäuser ist besser als in vielen Ländern. Die FDP beklagt aber, dass eine „nationale Krisenreserve“ fehle.

  • Wie gut sind die deutschen Krankenhäuser auf extreme Krisen eingestellt? Das beschäftigt auch die Politik
  • Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland gut ab
  • Doch reicht das auch für das Coronavirus?

Im November 2015 schlugen Dschihadisten in Paris zu. An mehreren Orten zeitgleich, mit Sprengstoff und Maschinenpistolen. Die Islamisten töteten 130 Menschen – und fast 700 wurden verletzt. Es war eine Ausnahmesituation für die Krankenhäuser in der französischen Hauptstadt.

Die islamistische Szene ist durch Repressionen des Staates, den Krieg in Syrien und Maßnahmen gegen Radikalisierung junger Menschen zurückgedrängt. Aufwind hat allerdings der Rechtsterrorismus in Deutschland. Und jetzt diskutiert die Politik noch über eine ganz andere Ausnahmesituation – Infektionen durch den Corona-Virus. Erkranken viele Menschen zeitgleich, ist das eine Belastungsprobe für das Gesundheitssystem. Für die Krankenhäuser.

Im europäischen Vergleich ist das deutsche Klinik-Netz gut vorbereitet auf Krisenlagen. Gemessen an der Bevölkerungsgröße hatte Deutschland nach OECD-Angaben 2017 die meisten Krankenhausbetten in Europa. Auf 1.000 Einwohner kommen rund acht Betten in Kliniken und psychiatrischen Einrichtungen.

Coronavirus: Japan liegt mit 13 Betten pro 1000 Einwohner vorne

Auch Österreich und Ungarn sind vergleichbar gut aufgestellt. In Italien gibt es statistisch gesehen nur rund 3,2 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner.

Spitzenreiter weltweit sind Japan mit rund 13 Betten und Südkorea mit rund 12,3 Betten. Wichtig zu beachten ist die Dichte von intensivmedizinischer Versorgung. Bei schweren Corona-Verläufen müssen Patienten auf einer Intensivstation behandelt und häufig künstlich beatmet werden.

In Deutschland gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums rund 28.000 Betten auf Intensivstationen – in Italien seien es rund 5.000.

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    Aus Sicht der Wissenschaftler ist die Lage in Deutschland auch aufgrund des Föderalismus gut, weil es sehr viele regionale Medizinlabore gebe, die etwa Corona-Proben untersuchen könnten. Diese Labore seien technisch sehr gut ausgestattet, außerdem habe die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits im Januar die Abrechnung für Corona-Tests eingeführt, was Ärzten und Laboren geholfen habe, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten. Andere Länder mit einem zentralen, nationalen Institut seien bei der Diagnostik schlechter gefahren und hätten viel Zeit verloren.

    Fehlt der Überblick über die Notaufnahme-Kapazitäten in Kliniken?

    Nachteil der Länderhoheit in Deutschland ist nach Ansicht von Experten, dass nun die Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Großveranstaltungen mit über 1000 Besuchern vorsorglich abzusagen, von Kommune zu Kommune unterschiedlich befolgt werde. Die Landesregierung in Bayern will nun aber alle größeren Events mit über 1000 Gästen für vorerst vier Wochen – also bis Ostern – verbieten. Andere Bundesländer könnten folgen.

    Nach Ansicht der FDP-Fraktion im Bundestag offenbart die Länderhoheit beim Gesundheitssystem ein weiteres Risiko in Krisensituationen. Denn die Bundesregierung habe keinen Überblick über die Kapazitäten in der Notaufnahme der Klinken. Das zeigt eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der FDP.

    Das gemeinsame IT-System „Ivena“ würden demnach nur sechs Bundesländer nutzen beziehungsweise wollen es bis Ende 2020 einführen, darunter Niedersachsen, Berlin und Brandenburg. Mit der Plattform werden Rettungsdienste und Krankenhäuser vernetzt. Über das Programm können Klinken ihre freien Plätze in der Notaufnahme angeben. Zugleich können Notärzte per „Ivena“ vorab mitteilen, welche Patienten sie in der Notaufnahme einliefern.

    FDP fordert „Nationale Krisenreserve“ für 50.000 Menschen

    Laut Bundesregierung nutzen Bayern und Sachsen das Programm nur in manchen Regionen, weitere Länder wollen das Meldesystem aufbauen. Fünf Bundesländer verwenden „Ivena“ nicht, nutzen teilweise andere IT-Systeme, um Belegungskapazitäten zu erfassen. Von den bundesweit knapp 2000 Krankenhäusern nehmen laut Bundesinnenministerium „knapp 500 Krankenhäuser und 70 Leitstellen“ an der Erfassung durch „Ivena“ teil.

    Die Bundesregierung verweist in der Antwort auf die Anfrage der FDP auf die Zuständigkeit der Bundesländer bei der Versorgung mit Plätzen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die FDP hatte das Innenministerium im Zusammenhang mit Krisenszenarien etwa wie einem terroristischen Anschlag gefragt, wie gut die Bundesregierung auf solche Notfälle vorbereitet sei.

    Der Innenexperte der FDP, Benjamin Strasser, fordert die Regierung auf, eine „bundesweit einheitliche Datenbasis zu schaffen, mit der in Echtzeit Daten über die aktuelle Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser verfügbar“ seien. Er halte es für problematisch, die Bundesländer sich nicht untereinander abstimmen und die Daten mit unterschiedlichen IT-Systemen erfassen, die miteinander nicht kompatibel sind. „Ein solcher Flickenteppich ist nicht effizient.“

    Um die Bevölkerung in Krisen besser zu schützen, fordert die FDP eine „nationale Krisenreserve für 50.000 Personen“. Der Staat müsse für diese große Anzahl an Menschen zu jeder Zeit „Material-, Lebensmittel- und Medikamentenreserven“ vorrätig halten.