Berlin. Früher war wirklich alles schlechter für die Frauen? Tatsächlich? Das findet zumindest unsere Kolumnistin am Frauentag 2020 nicht.

So einige Jahre habe ich als Journalistin auf dem Buckel. Und, wie so viele Frauen meiner Zunft, kümmere ich mich seit eh und je um die weichen Themen. Innenpolitik, Außenpolitik, Sicherheit – diese harten Themen waren immer besetzt von ehrwürdigen Herren. Ich war immer zuständig für die Schule, Familie und Frauen.

Nur sonntags, wenn die Herren frei hatten, traute man(n) der Jungredakteurin zu, sich um die „wichtigen“ Dinge zu kümmern. Ja, richtig, das war die Zeit, als ein Bundeskanzler das Frauen- und Familienministerium „Gedöns“ nannte.

Was heute besser ist: Das würde Angela Merkel nicht passieren. Ihren potenziellen Nachfolger(innen)n auch nicht. Selbst Markus Söder versucht ja, mit Frauenthemen zu punkten, etwa die Frauenquote in der CSU. Wobei er ja ziemlich abgewatscht wurde von seiner Partei. Nichts zu machen in der CSU. Zu groß ist die Angst in den Hinterzimmern der Gasthöfe, da könnte ja tatsächlich mal eine Frau bevorzugt werden.

Frauentag: Fragen nach Quote ist immer noch aktuell

Friedrich Merz wird in diesen Tagen ja auch nicht müde, vor der Quote in der Partei zu warnen. Paritätische Besetzung? Huch – da könnte ja ein Mann benachteiligt werden.

Diese Angst der Herren vor der Quote: Sie ist so alt wie die Diskussion darüber. Seit Jahrzehnten wird gestritten, gemahnt und versprochen – die guten Posten indes, die sind dort, wo es keine Quote gibt, werden an ehrwürdige Herren verteilt. Etwa in den Vorständen der Konzerne.

Redakteurin Birgitta Stauber.
Redakteurin Birgitta Stauber. © Reto Klar | Reto Klar

In den Medienhäusern. Bei den Christdemokraten, die ja wohl als einzige Volkspartei übrig geblieben ist (die Grünen erreichen zwar ebenfalls hohe Werte, sie erreichen aber nicht die Bandbreite des Volkes, sondern nur ihre bürgerliche ökologische Nische, die tatsächlich immer größer wird).

Neulich sagte ein Bekannter, der gerade auf Jobsuche ist, er habe was in Aussicht, das sei maßgeschneidert für ihn. Irritiert sei er nur vom Zusatz: „Bei gleicher Qualifizierung werden Frauen bevorzugt.

Der Satz ist alt. Eine andere Bekannte findet ihn gar altmodisch. Der Bekannte findet übrigens die Bevorzugung von Frauen ungerecht. Ich wollte sagen, dass ich die gängige Bevorzugung von Männern in Spitzenjobs auch ungerecht finde. Aber ich wusste, was kommt: Das sei doch gar nicht so. Also schwieg ich.

Die erste Klasse des ICEs ist voller Männer mit Anzügen

Bemerkung am Rande: Der Bekannte konnte sich übrigens nicht vorstellen, dass ihm tatsächlich eine Frau in die Quere kommt. Ich werde demnächst mal bei ihm nachfragen, was aus dem Job geworden ist.

Komisch ist allerdings, dass der Satz altmodisch klingt, obwohl er doch aus frauenpolitischer Sicht so nötig ist. Schauen wir uns doch mal um, etwa in der ersten Klasse eines ICEs mitten in der Woche in Vor-Corona-Zeiten. Voller Geschäftsleute ist der. Also fast nur Männer mit Anzügen und aufgeklappten Laptops.

(Neulich habe ich mir den Spaß gemacht und geschaut, was sie damit so machen. Die Hälfte hat einen Film geguckt, einige spielten oder checkten Facebook, Twitter und Nachrichtenplattformen. Ein junger Mann, der auch viel und laut telefonierte, hatte tatsächlich eine Excel-Tabelle vor sich. Ein anderer einen langen Text).

Gleiches gilt für Flugzeuge auf innerdeutschen Strecken oder nach London und Paris. Männer in Anzügen und mit Laptops, so weit das Auge reicht.

Kleiner Exkurs: Während ich diesen Text schreibe, sitze ich im ICE nach München, zweiter Klasse, Samstag, 9 Uhr morgens. Von hinten schwappt der schale Geruch sekttrinkender Frauen zu mir, weiter vorne werden Eier gepellt, Kinder turnen, das Bordrestaurant ist kaputt. Ich könnte jetzt böse sagen: So ist das, wenn Frauen arbeiten. Aber das wäre ja dumm.

Zurück zur Quote: Der Ruf danach ist so alt wie der Satz in Stellenanzeigen mit den Frauen und der gleichen Qualifikation. Ich habe das schon vor 20 Jahren kommentiert. Wahrscheinlich ist die Quote auch schon altmodisch, ohne je eingeführt worden zu sein. Das erinnert mich Walter Ulbrich, der für seine sozialistische DDR-Ökonomie forderte, überholen ohne einzuholen.

Lohnlücke zwischen Männern und Frauen besteht weiter

Am meisten freue ich mich bei der Quotendiskussion über konservative Hardliner, die rufen, es sei doch blöd, eine Quotenfrau zu sein. Man müsse sich den tollen Job schon erarbeiten. Frau sein, könne doch kein Kriterium sein.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich sich gesagt, sie sei eine Quotenfrau. Das ist noch gar nicht lange her. Nun gehört sie zu den vielen anderen Quotenfrauen, die gescheitert sind. Sie trat übrigens nach dem Thüringen-Desaster, als der FDP-Mann Kemmerich mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden ist, zurück. Christian Lindner hielt das nicht für nötig. Mohring brauchte auch lange.

Es gibt noch mehr, was seit Jahrzehnten frauen- und familienpolitisch auf der Tagesordnung steht. Etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf samt der Forderung nach Job-Sharing. So alt ist die Debatte. Insofern auch so altmodisch. In der Realität hat sich nichts getan.

Gleiches gilt für die Lohnlücke, und zwar die zwischen klassischen Frauen- und Männerberufen. Man verdient halt mehr, wenn man an Autos herumschraubt, als wenn man pflegebedürftigen Senioren die Windeln wechselt. Dienen zählt nicht. Reparieren schon. Habe ich auch schon vor 20 Jahren geschrieben.

Die gläserne Decke ist auch so ein Relikt. Frauen starten top ausgebildet und enthusiastisch in den Job und bleiben in Sachbearbeiter-Alltag stecken, während die gleichaltrigen Kollegen an ihnen vorbeiziehen. Mal den Gegnern der Frauenquote zugerufen: Mitnichten sind die Herren dann besser qualifiziert. Höchstens besser vernetzt.

Männer werden nicht gemocht, Männer werden befördert

Es gibt ja Frauen, die alles machen wie erfolgreiche Männer. Immer auf der Hut vor dem Konkurrenten, nie etwas uneigennützig machen, nie einfach nett und hilfsbereit sein sondern immer mit Hintergedanken, dem liebsten Kolleginnen Tritt in den Allerwertesten geben, wenn es dem Fortkommen nützt: Die werden schnell beim kleinsten Fehler abserviert, weil sie keiner mag.

Männer werden nicht gemocht, Männer werden befördert. Damit ist auch geklärt, warum Führungspersonen oft so sind wie sie sind, nämlich gar nicht nett und männlich. Oder gar nicht nett, weiblich und unfehlbar.

Die gläserne Decke trifft 30+-jährige Frauen aber auch, weil ihnen unterstellt wird, bald schwanger zu werden und dann auszufallen. So lange Väter nur ihre zwei Monate Elternzeit nehmen, wird sich auch daran nichts ändern. Erst wenn 30+-Männer als ebenso unberechenbar in der Familienplanung gelten wie Frauen, werden Personaler auch Angst vor jungen männlichen Bewerbern haben.

Ob Herr Söder, der ja gerade frauenpolitisch was hermachen will, daran dreht – etwa indem die Auszahlung des Elterngeldes daran gekoppelt wird, dass der Vater genauso lange frei macht wie die Mutter (und nicht nur die zwei obligatorischen Vätermonate nutzt, um mal ordentlich den Keller aufzuräumen, eine schöne lange Reise zu machen oder ein paar Sprachkurse zu belegen (diese Beispiele kenne ich alle persönlich).

Auch bei Frauen- und Männermagazin hat sich wenig getan

Was noch: Es ist 25 Jahre her, da hörte ich zum ersten Mal davon, dass die Medizin sich am Mann orientiere. Ganz nach dem Motto: Mann = Mensch. Ein Motto der Zivilisation, so galt es schon in der Antike, so habe ich es im Lateinunterricht gelernt. Folge: Der Mann reicht der Medizin völlig aus, also sind abseits der Gynäkologie Frauen wesentlich schlechter erforscht.

Ihr Herzinfarkt oder Schlaganfall wird seltener rechtzeitig erkannt, weil sie andere Symptome als Männer zeigen. Die Gebärmutter ist nur nützlich für den Embryo, wenn sie in dieser Hinsicht ausgedient hat, kann sie raus. Medikamente, so gilt es, werden seltener an Frauen getestet, weil sie ja Hormonschwankungen unterliegen (Dabei sollten ja gerade die Hormonschwankungen ein Grund sein, Medikamente an Frauen zu testen).

Neulich las ich einen langen Aufsatz über Frauen- und Männermedizin – und musste feststellen, auch in dieser Hinsicht hat sich in den vergangenen 25 Jahren kaum etwas getan.

Bis hin zum Gynäkologen, der Frauen in meinem Alter immer noch empfiehlt, nicht nur die Gebärmutter entfernen zu lassen, sondern die Eierstöcke gleich mit – „Sie brauchen sie ja nicht mehr“. (Dass bis ins hohe Alter immer noch Hormone produziert werden, spielt keine Rolle).

Ehrwürdige Herren wollen nicht mehr unter sich bleiben

So. Jetzt sind wir bei der älteren, frauenbewegten Frau ohne Gebärmutter (oder mit einer funktionslosen). Die fühlt sich topfit, sie hat die Kindererziehung bewältigt, sich durch prekäre Betreuungssysteme gequält, jede Menge Erfahrung im Job und der Überwindung von Lebens- und Familienkrisen. Diese Frau findet, jetzt ist sie an der Reihe mit der Karriere.

Doch die gleichaltrigen ehrwürdigen Herren blicken durch sie hindurch und hofieren junge Frauen. Nach der Analyse einer Kollegin liegt es daran, dass jüngere Frauen williger seien, alles mitzumachen und nicht ständig zu widersprechen.

Die ehrwürdigen Herren wollen nicht mehr unter sich bleiben. Ist doch auch netter mit jungen Frauen. Wahrscheinlich auch prickelnder.

OK, ich bin ein positiver Mensch. So gedacht hoffe ich mal, dass die Herren mit den jungen Damen den beschriebenen Stillstand in der Frauen- und Familienpolitik beenden. Und so blicke ich in die Zukunft, 20 Jahre weiter. Und sehe: Es zieht wieder was auf, damit alles so bleibt wie es ist: Die Work-Life-Balance.

Ist ganz modern bei Karrierefrauen, die keinen Bock mehr haben, sich so abzustrampeln. So gesehen: Ist ja auch blöd mit so einem stressigen Job und dem ganzen „Gedöns“. Wahrscheinlich ist das der Grund, dass Begriffe wie Quote, Gleichstellung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Teilzeit und so weiter so altmodisch klingen.

Also gilt: weiter so. Wenns dann wenigstens glücklich macht, ist ja alles gut. So gesehen ist es dann auch gelungen, die Frauenfrage zu überholen. Ohne einzuholen.