Brüssel/Kastanies. Die EU stellt Griechenland zur Bewältigung der angespannten Lage an seinen EU-Außengrenzen bis zu 700 Millionen Euro zur Verfügung.

Angesichts des Flüchtlingsansturms an der griechisch-türkischen Grenze rüstet die EU jetzt auf: Griechenland erhält von der europäischen Grenzschutztruppe Frontex umgehend Schiffe, Hubschrauber und ein Flugzeug, zusätzliche Polizeikräfte und eine Finanzhilfe von 700 Millionen Euro, um die EU-Außengrenze zu sichern.

Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch an der griechisch-türkischen Grenze im Nordosten des Landes an. „Die Grenze ist nicht nur eine griechische, sondern eine europäische Grenze“, sagte von der Leyen und lobte Griechenland in der aktuellen Lage als „Schutzschild“ der EU.

Die Unterstützung und Solidarität, die sie zusagte, heißt deshalb zuallererst: Hilfe beim Abschotten. In der Nähe des Ortes Kastanies hatten sich von der Leyen, EU-Parlamentspräsident David Sassoli und EU-Ratspräsident Charles Michel zuvor ein Bild von der Lage gemacht, begleitet vom griechischen Premier Kyriakos Mitsotakis.

Einsatzkräfte gehen teils rabiat mit Flüchtlingen um

In der Region hat sich die Situation in den vergangenen Tagen zugespitzt, Tausende Migranten warten auf der türkischen Seite auf eine Gelegenheit, die Grenze in die EU zu überschreiten – sie werden aber von einem massiven Aufgebot von Grenzpolizei und Soldaten daran gehindert.

Die Einsatzkräfte gehen teils rabiat vor, setzten auch Blendgranaten und Tränengas ein. 24.000 illegale Grenzübertritte aus der Türkei seien verhindert worden, auch künftige Versuche würden unterbunden, erklärte Premier Mitsotakis.

Der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei

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    Doch nach UN-Angaben harren etwa 13.000 Migranten in Grenznähe aus, angelockt von der Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, für Flüchtlinge seien die Grenzen zur EU geöffnet. Was aus den Menschen wird, ist offen.

    Als das Spitzentrio aus Brüssel den Grenzstreifen besichtigt, ist die Lage ruhig. Von der Leyen äußert zwar „Mitleid mit den Migranten, die mit falschen Versprechen an die Grenze gelockt wurden“ und die sich nun in einer „verzweifelten Lage“ befänden. Doch ein Angebot zur Hilfe gibt es für sie nicht.

    Mit neuen Hilfsangeboten an die Türkei wird sich die EU Zeit lassen

    Im Gegenteil. Von der Leyens Botschaft ist klar: Die EU macht diese Grenze mit aller Entschlossenheit dicht. Frontex entsendet weitere 100 Beamte nach Griechenland, zusätzlich zu den 530 dort schon eingesetzten Kräften, schickt außerdem sechs Küstenpatrouillenschiffe, ein Versorgungsschiff, zwei Hubschrauber, ein Flugzeug und mehrere Transporter mit Wärmebildkameras.

    Zudem erhält Athen 700 Millionen Euro in zwei Tranchen für das „Migrationsmanagement“. Die EU werde die Lage „mit Einigkeit, Solidarität und Entschlossenheit managen“, sagt die Kommissionspräsidentin. Offenkundig an die Adresse der Türkei gerichtet fügt sie hinzu: „Jene, die unsere Einigkeit testen wollen, werden enttäuscht sein.“

    Flüchtlinge auf dem Weg nach Griechenland.
    Flüchtlinge auf dem Weg nach Griechenland. © AFP | BULENT KILIC

    Die massive Hilfe und die Visite sind also gleichermaßen eine Ermutigung für Griechenland, das bei der Stange gehalten werden soll, sowie eine Mahnung an den türkischen Präsidenten, dass die EU nicht erpressbar ist – oder dass Brüssel zumindest alles tun wird, um den Eindruck der Erpressbarkeit zu vermeiden. Mit neuen Hilfsangeboten an die Türkei wird sich die EU Zeit lassen, zunächst wird Wehrhaftigkeit demonstriert. Kommen wird die Hilfe allerdings doch, das ist gewiss.

    Während die frühere Verteidigungsministerin die Standfestigkeit der EU- Außengrenze inspiziert, sind von der Leyens EU-Außenbeauftragter Josep Borrell und der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, bereits in Ankara gelandet: In der türkischen Hauptstadt wollen beide zwei Tage lang mit Regierungsvertretern über die militärische Eskalation in Nordsyrien und die Lage der syrischen Flüchtlinge in der Türkei sprechen. Lenarcic wird anschließend ins türkisch-syrische Grenzgebiet reisen und dort prüfen, wo zusätzliche EU-Hilfe ansetzen könnte.

    Dass es sie gibt, ist in Brüssel weitgehend unstrittig, Ratspräsident Michel hat sie schon offiziell in Aussicht gestellt. Die Bedingungen sind noch unklar, ohne eine Rückkehr Erdogans zum Flüchtlingsabkommen mit der EU werde aber kein Geld fließen, heißt es unter EU-Diplomaten.

    Der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber, plädiert bereits für eine Neuauflage des Flüchtlingspakts mit der Türkei und für weitere finanzielle Hilfen. „Die Grundpfeiler sind richtig“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende in Brüssel. Nun gehe es um ein „Upgrade“ und die Verbesserung der Strukturen.

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