Berlin. Mit einem neuen Gesetz will die Justizministerin vor allem Frauen besser gegen Hetze im Netz schützen. Kritik kommt von den Grünen.

  • Mit einem neuen Gesetz will die Bundesregierung die Online-Plattformbetreiber stärker in die Pflicht nehmen
  • Frauen und Kommunalpolitiker sind häufig herber Hetze im Netz ausgesetzt
  • Zu den großen Anbietern gehören Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und TikTok

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will im Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität die großen Online-Plattformbetreiber mit einer gesetzlichen Meldepflicht stärker in die Pflicht nehmen. Zugleich sollen Internetnutzer besser vor Bedrohungen und Hetze geschützt werden.

Mit einem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität will die Politik vor allem Frauen und Kommunalpolitiker unterstützen, die etwa in sozialen Netzwerken massiv bedroht oder verleumdet werden. Das geht aus dem Gesetzentwurf hervor, der an diesem Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll und unserer Redaktion vorab vorliegt.

„Frauen sind in spezifischer Weise von Hassrede betroffen. Sie sind sexistischen Pöbeleien und Vergewaltigungsdrohungen ausgesetzt“, heißt es darin. Demnach sollen die Betreiber der großen Online-Plattformen wie Facebook, Youtube, Instagram, Twitter und TikTok per Gesetz künftig zur Meldung von Hasskommentaren verpflichtet werden.

Schüler wissen oft gar nicht, dass sie sich strafbar machen, wenn sie über die sozialen Medien oder Chatforen wie Whatsapp andere Schüler beleidigen oder Material wie Gewaltvideos oder Pornografie teilen. Anwälte, Lehrer und Staatsanwälte sind bereits alarmiert. Sie berichten von teils „brutalen Inhalten“, den Kindern und Jugendlichen drohen Anzeigen.

Hetze im Netz: Vergewaltigungsdrohungen sollen härter bestraft werden

Dies betrifft etwa Beiträge, in denen mit schweren Sexualstraftaten wie Vergewaltigung gedroht werde, und die sich „gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit“ richten.

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) will die Betreiber von sozialen Netzwerken im Kampf gegen Hetze in die Pflicht nehmen.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) will die Betreiber von sozialen Netzwerken im Kampf gegen Hetze in die Pflicht nehmen. © Getty Images | Carsten Koall

In den Straftatbestand der Bedrohung (§241 StGB) will die Bundesregierung zudem genau diese Form der Angriffe vor allem gegen Frauen aufnehmen. Die Höchststrafe für die Bedrohung mit einem solchen Verbrechen hebt die Regierung zudem von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe an.

„Prominente Fälle von Politikerinnen, Journalistinnen oder sogenannten Netz-Aktivistinnen zeigen anschaulich, dass auf das Geschlecht zielende Herabwürdigungen und Drohungen von besonderer Bedeutung sind“, schreibt das Justizministerium.

Auch Kommunalpolitiker sollen laut Gesetzentwurf besser vor rechtsextremer Hetze geschützt werden. Der Straftatbestand der „Üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens“ wird nach Wunsch der Bundesregierung künftig für Angriffe gegen Personen „bis hin zur kommunalen Ebenen“ gelten.

Netzwerkbetreiber sollen IP-Adressen von Hetzern weiterleiten

In dem Gesetzentwurf heißt es: „In der derzeitigen Kommunikations- und Diskussionskultur im Netz ist nicht selten ein vergifteter und hasserfüllter Ton festzustellen, der wiederum andere Nutzer davon abhält, ihre Meinung frei und offen zu äußern aus Angst, Opfer von Anfeindungen oder Bedrohungen zu werden.“

Schon seit 2017 müssen die großen Plattform-Betreiber mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern Meldewege für Beschwerden etwa über Hasskommentare einrichten und offensichtlich rechtswidrige Beiträge löschen.

Damals führte die Bundesregierung das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein (NetzDG) ein. Mit dem nun reformierten Gesetz sind die großen Unternehmen wie Facebook und Youtube künftig zudem verpflichtet, strafrechtlich relevante Inhalte an eine Zentralstelle beim Bundeskriminalamt (BKA) zu melden.

Eine „effektive Strafverfolgung“ setze voraus, dass die Ermittlungsbehörden „zeitnah“ über gemeldete und gelöschte Inhalte informiert würden. Die Netzwerkbetreiber sollen der Polizei laut Gesetzentwurf die IP-Adresse weiterleiten, die der Verfasser des strafrechtlich relevanten Hasskommentars zuletzt genutzt hatte.

• Mehr zum Thema:

Stephan Weil: Polizei soll Internet-Hetzer zuhause aufsuchen

Hasskriminalität: Richterbund fordert mehr Staatsanwälte

Regierung rechnet mit jährlich 150.000 gemeldeten Hass-Kommentaren

Auch Fälle, in denen Nutzer kinderpornografisches Material über die sozialen Netzwerke zugänglich machen, müssen die Betreiber dem BKA künftig melden. Das BKA leitet nach einer Prüfung strafrechtlich relevante Meldungen an die zuständigen Länderbehörden weiter.

Die Bundesregierung schätzt, dass allein bei den beiden Anbietern Twitter und Youtube künftig pro Jahr rund 150.000 Beiträge an die Sicherheitsbehörden gemeldet werden. Zusammen mit Facebook, Instagram und TikTok könnte die Zahl der Meldungen pro Jahr bei insgesamt bei rund 250.000 liegen.

Facebook löschte laut Justizministerium insgesamt nur 165 Inhalte im ersten Halbjahr 2019 und 558 im zweiten Halbjahr 2019, die unter die zukünftige Meldepflicht fallen würden - Instagram nur 47 Beträge in 2019. Verstoßen die Online-Plattformen künftig gegen Meldeauflagen, drohen ihnen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro.

Kleine Plattformen wie Steam, Gab oder Twitch müssen den Betreiber jedoch weiterhin strafrechtlich relevante Inhalte nicht melden. Oftmals weichen Extremisten von großen Netzwerken wie Facebook auf andere Plattformen aus – oder melden einfach ein neues Profil an, wenn ihr altes gesperrt wurde.

Auch der rechtsterroristische Attentäter von Halle bewegte sich vor allem in Chatforen, in denen sich abseits von Facebook und Co. extreme Rechte tummeln.

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic übte zudem Kritik an den Plänen für eine BKA-Zentralstelle. Wenn diese neue Stelle nicht chronisch überlastet sein soll, „müssen wir sehr genau festlegen, welche Vorgänge und mutmaßlichen Straftatbestände übermittelt werden müssen“. Das BKA sei kaum in der Lage, die „Flut von Eingaben abschließend zu behandeln“.