Düsseldorf/Essen. Laut NRW-Innenminister Reul gibt es erste Erkenntnisse, dass sich kriminelle Clans vereinzelt auch in Barbershops betätigen. Bericht im Landtag.
Nach den Shisha-Bars nun auch Barbershops? Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat noch keine belastbaren Fallzahlen, inwieweit Barbershops und Handy-Läden im Zusammenhang mit Clankriminalität stehen. Das stellte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Landtag NRW klar.
Allerdings gebe es „erste Erkenntnisse, dass Barbershops im Einzelfall von kriminellen Mitgliedern betrieben und durch das Clan-Milieu als Treffpunkt und Rückzugsmöglichkeit genutzt werden“, sagte er im Innenausschuss. Da bei polizeilichen Durchsuchungen weder Barbershops noch Handy-Läden ausdrücklich statistisch erfasst würden, könnten jedoch „keine Aussagen darüber gemacht werden, ob und in welchem Umfang diese Räumlichkeiten überprüft wurden“.
SPD-Fraktionschef kritisiert Razzien in Barbershops als „Inszenierungen“
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Die Essener Polizei hatte vergangene Woche von 20 neu eröffneten Barbershops berichtet, die sich in „einschlägigen Vierteln“ befänden, etwa in Essen-Altendorf. Daher gehe man davon aus, „dass es da Bezüge zur Clankriminalität gibt“, sagte ein Polizeisprecher der Zeitung „Rheinische Post“. Die Friseurgeschäfte seien daher in den „Kontrollfokus“ gerückt und „das Thema“ dieses Jahr, erklärte der Polizeisprecher weiter. Dass in Läden Geld gewaschen werden könnte, „können wir nicht ausschließen, aber eben auch noch nicht nachweisen.“
Thomas Kutschaty, Fraktionschef der Landtags-SPD nannte im Magazin „Spiegel“ die angekündigten Barbershop-Razzien „medienwirksame Inszenierungen“. Er hatte daraufhin Fakten von NRW-Innenminister Herbert Reul verlangt und ihm vorgeworfen, mit bloßen Vermutungen „die Sympathie der Stammtische“ gewinnen zu wollen.
Reul wies die Anschuldigungen als „Phantom-Debatte“ zurück. Er habe sich als Innenminister nie zuvor dazu eingelassen, betonte er. Auch Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hatte am Mittwoch erklärt, es gebe zu dem Komplex keine gesicherten Erkenntnisse.
Staatsanwaltschaften Duisburg und Essen mit Sonderdezernaten gegen Clankriminalität
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Bei der Staatsanwaltschaft Essen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 221 Strafverfahren im Zusammenhang mit Clankriminalität gezählt. Einen Vergleichswert zum Jahr 2018 gibt es nicht, „weil die Zahlen erst seit Anfang 2019 gesondert erfasst werden“, erklärte eine Sprecherin. Die Staatsanwaltschaft Duisburg, wo sich zwei Staatsanwälte in zwei Sonderdezernaten ausschließlich um Clankriminalität kümmern, wurden bis Mitte November 2019 insgesamt 662 Strafverfahren gezählt.
Tatvorwürfe „gehen quer durch das Strafgesetzbuch“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Essen: „Viele der Verfahren mit “Clanbezug“ haben Straßenverkehrsdelikte, gefährliche Körperverletzungen, Widerstandshandlungen, Bedrohungen, Beleidigungen, Betrug, Erpressung, Waffen- oder Rauschgiftdelikte zum Gegenstand, aber auch einiges andere mehr.“ In Duisburg sind die Fälle detaillierter erfasst: In 254 Verfahren geht es unter anderem um Raub, Verstöße gegen das Waffenrecht oder Urkundenfälschung, sagte ein Justiz-Sprecher. Die meisten Delikte drehten sich um Drogen, Körperverletzung, Betrug bzw. Untreue oder Diebstahl und Unterschlagung.
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Inwieweit Barbershops in Verbindung mit Clankriminalität stehen, hat die Polizei nach Angaben eines Sprechers des Landeskriminalamts NRW landesweit im Blick. Erkenntnisse gebe es noch nicht: „Wir versuchen gerade, den Bereich zu erhellen“, sagte der Sprecher auf Nachfrage. (dae/mit dpa)