Bagdad. Das US-Militär hat den ranghohen iranischen General Soleimani im Irak getötet. Für Amerikaner im Irak wird es nun extrem gefährlich.
- Die USA haben bei einem Raketenangriff im Irak den iranischen General Ghassem Soleimani getötet
- Soleimani war Führer der Al-Kuds-Brigaden, der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte
- Die USA begründen den Angriff mit Selbstschutz
- Der Einsatz heizt den Konflikt mit dem Iran weiter an
- US-Bürger sollen die Region verlassen
- Am Samstag wurden die Grüne Zone in Bagdad und ein US-Stützpunkt von Geschossen und Raketen getroffen
Der Iran scheint eine erste militärische Reaktion auf die Tötung des Top-Generals Ghassem Soleimani veranlasst zu haben. Am Samstag wurden die hochgesicherte Grüne Zone in Bagdad und der irakische Luftwaffenstützpunkt Al-Balad, auf dem auch US-Soldaten stationiert sind, von Geschossen getroffen. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Die Angriffe sollen beinahe zeitgleich stattgefunden haben. Auf dem Gelände der in der Grünen Zone in Bagdad befindlichen US-Botschaft schrillten sofort die Sirenen, wie dortige Kreise der AFP sagten. In der US-Botschaft befinden sich sowohl Diplomaten als auch US-Truppen. Der Stützpunkt Al-Balad sei unter anderem mit zwei Katjuscha-Raketen attackiert worden, hieß es weiter.
USA nennen Tötung von Soleimani „Akt der Verteidigung“
Der ranghohe iranische General Ghassem Soleimani war bei einem Raketenangriff nahe des Flughafens in der irakischen Hauptstadt Bagdad am späten Donnerstagabend (Ortszeit) getötet worden. Wie danach bekannt wurde, hatten die USA diesen Angriff ausgeführt und damit den Konflikt mit dem Iran deutlich verschärft.
Die Bombardierung sei als „Akt der Verteidigung“ auf Anweisung von Präsident Donald Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Kräfte zu verhindern, hieß es vom amerikanischen Verteidigungsministerium. Soleimani habe aktiv an Plänen gearbeitet, um amerikanische Diplomaten und Einsatzkräfte im Irak und der Region zu attackieren, hieß es zur Begründung des Angriffs.
Ebenfalls getötet wurde der stellvertretende Leiter der irakischen Volksmobilisierungskräfte, Abu Mahdi al-Muhandis, wie die Medienstelle der vom Iran unterstützten Milizen erklärte.
Iranischer General Ghassem Soleimani getötet: Amerikaner sollen Irak verlassen
Während die USA den Angriff als Verteidigungsmaßnahme darstellen, scheint das Risiko eines Krieges zwischen dem Iran und den USA zu steigen. Dass zwei Mitglieder der militärischen Spitze des Iran im Ausland getötet wurden, wird in der Hauptstadt Teheran als weitere Eskalationsstufe aufgefasst.
Trump betonte am Freitagabend in Florida, er wolle keinen Krieg mit Teheran. „Wir haben gehandelt, um einen Krieg zu beenden“, sagte Trump am Freitag im US-Bundesstaat Florida. „Wir haben nicht gehandelt, um einen Krieg zu beginnen.“ Die Vereinigten Staaten wollten Frieden, Partnerschaft und Freundschaft mit anderen Ländern. Die USA wollten auch keinen Regimewechsel im Iran erreichen. Die Vereinigten Staaten täten aber alles, um die eigenen Diplomaten, Soldaten und Bürger zu schützen. „Ich bin bereit und vorbereitet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen – und das bezieht sich insbesondere auf den Iran“, sagte Trump. Soleimani habe an „finsteren“ Angriffsplänen gegen US-Ziele gearbeitet und sei deshalb ausgelöscht worden. Wäre er schon früher getötet worden, hätten viele Leben gerettet werden können, sagte der US-Präsident.
Irans geistliches Oberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, schrieb in einem Beileidsschreiben, das im iranischen Fernsehen zitiert wurde: „Soleimanis Weg wird auch ohne ihn weitergeführt, aber die Kriminellen erwartet eine schwere Rache“. Auch der iranische Präsident Hassan Ruhani kündigte Vergeltung an. „Zweifellos werden der Iran und andere unabhängige Staaten dieses schreckliche Verbrechen der USA rächen“, erklärte Ruhani in einem Kondolenzschreiben.
Die US-Botschaft im Irak hat US-amerikanische Staatsbürger dazu aufgerufen, das Land zu verlassen. Von Reisen in den Irak sollte abgesehen werden, teilte Washingtons Vertretung am Freitag mit. Auch die US-Botschaft solle gemieden werden.
Raketenangriff in Bagdad: USA rechtfertigen Einsatz mit Soleimanis Gefahr
Der 62 Jahre alte Soleimani war der prominenteste Vertreter und das bekannteste Gesicht des iranischen Militärs im Ausland. Die Al-Kuds-Brigaden gehören zu den Revolutionsgarden (IRGC), einer Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte. Soleimani tauchte sowohl im Irak als auch im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien immer wieder an der Seite schiitischer Milizen auf, die vom Iran unterstützt werden.
Der General und die Al-Kuds-Brigaden seien verantwortlich für den Tod von Hunderten Amerikanern und Verbündeten, erklärte das Pentagon. Soleimani habe in den vergangenen Monaten Angriffe auf Stützpunkte von US-Verbündeten gesteuert und auch die gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad gebilligt.
Ziel des Angriffs auf ihn sei es, den Iran von künftigen Angriffen abzuschrecken. „Die Vereinigten Staaten werden weiterhin alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um unser Volk und unsere Interessen überall auf der Welt zu schützen.“
Trump war von Angriff ungewöhnlich ruhig
Trump selbst hatte kurz zuvor per Tweet lediglich das Bild einer US-Flagge verbreitet – ohne Kommentar. In den Stunden davor war er auf Twitter ungewöhnlich still gewesen. Beobachter sind der Meinung, dass der Iran aktuell die Uneinigkeit des Westens für sich nutzt und Trump eine US-Politik der Irrtümer im Nahen Osten fortsetzt. Viele Deutsche halten Trump aktuell für gefährlicher als die iranische Staatsführung oder Diktatoren wie Kim Jong Un.
Der demokratische US-Senator Chris Murphy schrieb in einem Tweet, Soleimani sei ohne Zweifel ein Feind der Vereinigten Staaten. Er betonte zugleich: „Die Frage ist: Hat Amerika (...) gerade ohne Zustimmung des Kongresses die zweitmächtigste Person im Iran ermordet und wissentlich einen potenziell massiven regionalen Krieg ausgelöst?“ Lesen Sie hier ein Porträt über Ghassem Soleimani, den General, den die USA töteten.
US-Verteidigungsminister Mark Esper hatte am Donnerstag in Washington mit Blick auf die jüngsten gewaltsamen Proteste an der US-Botschaft in Bagdad erklärt, es gebe Hinweise, dass der Iran oder dessen verbündete Kräfte weitere Attacken planen könnten. Falls es dazu kommen sollte, würden die USA reagieren, um amerikanische Kräfte und Menschenleben zu schützen – womöglich auch „vorbeugend“, falls man von konkreten Angriffsplänen erfahren sollte.
„Präsident Trump hat gerade eine Dynamitstange in ein Pulverfass gesteckt“, erklärte Ex-Vizepräsident und Präsidentschaftsbewerber Joe Biden. „Wir könnten vor einem großflächigen Konflikt im Nahen Osten stehen.“ Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders warnte: „Trumps gefährliche Eskalation bringt uns einem weiteren verheerenden Krieg im Nahen Osten näher.“
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US-Einsatz im Irak: Die Reaktionen aus Frankreich, China und Russland
Kurz nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani gab es bereits internationale Reaktionen. „Wir sind in einer gefährlicheren Welt aufgewacht“, sagte die französische Europa-Ministerin Amélie de Montchalin am Freitag dem Radiosender RTL. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron werde bald mit Akteuren in der Region sprechen. Frankreich wolle angesichts der aktuellen Entwicklungen vor allem „Stabilität und Deeskalation“.
China hat derweil alle Seiten zur Mäßigung aufgerufen. „Wir mahnen alle beteiligten Parteien, besonders die Vereinigten Staaten, Ruhe und Zurückhaltung walten zu lassen, um weitere Spannungen und Eskalationen zu vermeiden“, sagte Außenministeriumssprecher Geng Shuang am Freitag.
Russland warnte davor, die Eskalation in der Region weiter voranzutreiben. Soleimani habe dem Schutz der „nationalen Interessen“ des Iran gedient, erklärte das russische Außenministerium nach Angaben der russischen Nachrichtenagenturen Tass und RIA Nowosti.
Der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff hat die Bundesregierung aufgefordert, nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani in Bagdad eine sofortige Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates zu beantragen. Dies solle dazu dienen, die Lage zu erörtern und zu deeskalieren, sagte der FDP-Außenpolitiker am Freitag.
Im vergangenen Jahr drohte beinahe ein US-Einsatz im Iran
Die USA und der Iran sind seit langem in einen schweren Konflikt verwickelt. Washington setzt den Iran mit massiven Wirtschaftssanktionen unter Druck, um das Land zu einem Kurswechsel in seiner Atompolitik zu zwingen – was Teheran jedoch ablehnt. Die Amerikaner beschuldigen die Iraner außerdem, Terrorismus zu fördern. In den vergangenen Monaten stand der Konflikt zwischen beiden Ländern mehrfach kurz vor einer militärischen Eskalation.
Im vergangenen Juni verkündete Trump per Tweet, nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran habe ein militärischer Gegenschlag der USA unmittelbar bevorgestanden. Wegen der erwarteten 150 Toten auf der iranischen Seite habe er den Angriff nur zehn Minuten vorher aber noch gestoppt.
Insbesondere der Irak ist bereits seit längerem Schauplatz des Konflikts zwischen den USA und dem Iran. In dem Krisenland sind rund 5000 US-Soldaten im Einsatz, die die irakische Armee im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Die als Volksmobilisierungskräfte bekannten irakischen Milizen wiederum pflegen enge Beziehungen zum Iran.
Am vergangenen Wochenende war es zur bislang gefährlichsten Eskalation gekommen, als die US-Armee die irakische Miliz Kataib Hisbollah bombardierte. Washington beschuldigte die Milizen, mehrfach amerikanische Soldaten und US-Bürger im Irak angegriffen zu haben.
Als Reaktion auf den Angriff waren am Dienstag Hunderte Demonstranten in Bagdads besonders gesicherte Grüne Zone eingedrungen, um das Gelände der US-Botschaft zu stürmen und dort zu demonstrieren. (dpa/afp/ac/br)