Berlin. Die EU will bis 2050 emissionsfrei sein. Doch für Länder wie Polen bedeutet das Einschnitte. Was Polens Ministerpräsident nun fordert.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki blickt gespannt auf die weiteren Pläne der EU zum Klimaschutz. Die EU-Wirtschaft soll theoretisch bis 2050 emissionsfrei sein und so einen radikalen Wandel vorantreiben. Doch der trifft vor allem Staaten, die heute stark von Kohle abhängen – so wie Polen.

Morawiecki fordert deshalb finanzielle Unterstützung der EU für den Wandel und mahnt, dass bei zu harten Einschnitten auch Ausschreitungen drohen könnten.

Unterstützt Polen den „Green Deal“ von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen?

Mateusz Morawiecki: Polen unterstützt einen Übergang, der gerecht, vernünftig und nachhaltig ist. Das heißt, dass unterschiedliche Startpunkte berücksichtigt werden müssen. Polen hat einen Energie-Mix, der zu fast 80 Prozent auf Kohle und Braunkohle beruht. Dies ist ein Erbe der Wirtschaft aus der Zeit des Kommunismus. Wir hatten nicht die Möglichkeit, Atomkraftwerke oder bedeutende Wasserkraftanlagen zu bauen. Große Investitionen in erneuerbare Energien waren ebenso unmöglich. Wir sind viel umweltfreundlicher, als einige Leute denken. Aber wir sind nicht imstande, ein System in der gleichen Geschwindigkeit durch ein vollständig anderes zu ersetzen wie Länder, die nur fünf bis 15 Prozent Strom aus Kohle produzieren.

Welche Maßnahmen würde Polen ergreifen, um bis 2050 Emissionsfreiheit zu erreichen?

Morawiecki: Wir wollen in großen Stil in erneuerbare Energien investieren sowie in emissionsfreie und emissionsarme Technologien, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Wir werden das auf jeden Fall in den kommenden Jahren machen. Wir wollten, dass die Schlusserklärung des EU-Gipfels widerspiegelt: Unterschiedliche Länder können Klimaneutralität durch unterschiedliche Wege und Fristen erreichen. Wir sind glücklich, dass die EU das anerkannt hat.

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    Fordert Polen EU-Gelder für eine Übergangsperiode, um die schwere Bürde seiner Kohle-Industrie auszugleichen? Wenn ja, welche Summe?

    Morawiecki: Wenn wir wollen, dass dieser Übergang stattfindet, müssen wir angemessene Instrumente bereitstellen. Jeder scheint darin übereinzustimmen, dass es eine der größten Herausforderungen ist, der sich Europa jemals gegenübersah. Wenn das so ist, können wir uns nicht darauf einigen, dies nur mit symbolischen Mitteln zu finanzieren.

    Ursprüngliche Ideen über einen „Fonds zum gerechten Übergang“ in Höhe von fünf Milliarden Euro waren bei Weitem unzureichend. Tatsächlich stellten sie infrage, ob wir die Angelegenheit ernst genug nehmen. Jetzt sind wir wesentlich zufriedener zu hören, dass die EU-Kommission plant, mindestens 100 Milliarden Euro für den Übergang zur Verfügung zu stellen. Wir erwarten, bald Details zu erfahren.

    Ohne angemessene Finanzausstattung stellt eine anteilsmäßige Lastenteilung das Risiko dar, dass die Gesellschaft sich weigert, den Übergang zu akzeptieren.

    Dies trifft insbesondere auf Regionen zu, die von der Kohle abhängen. Wir alle haben die Gelbwesten-Proteste in Frankreich gesehen – sie wurden durch Umweltsteuern ausgelöst. Ich möchte nicht, dass dies in Polen oder anderswo passiert. Deshalb müssen wir als EU-Staats- und Regierungschefs Nägel mit Köpfen machen und angemessene Mechanismen schaffen. Andernfalls ist das Projekt zum Scheitern verurteilt.