Berlin. SPD will das Klimaprogramm der Regierung nachverhandeln – und gefährdet die Einigung mit den Ländern. Was passiert mit dem Klimapaket?

Nach dem SPD-Parteitag ist vor dem Vermittlungsausschuss – von vorweihnachtlicher Ruhe ist in der Berliner Politik nichts zu spüren. Die SPD ist bei ihrem Treffen nach links gerückt, will ihren Verbleib in der großen Koalition von Nachverhandlungen abhängig machen – auch im Bereich Klimaschutz.

Diese Botschaft traf den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat kurz vor seiner ersten Sitzung am Montagabend. Die 32 Mitglieder wollten sich eigentlich bis zum 20. Dezember auf das Klimapaket einigen, denn die Koalition will es bis zum 1. Januar umsetzen. Gelingt das nicht, würden sich erste Maßnahmen – etwa die Verbilligung der Bahntickets – um Monate verzögern.

Doch der Zeitplan ist nach dem Schwenk der SPD nun fraglich. Was passiert also mit den Klimavorhaben der GroKo? Ein Überblick:

So geht es weiter mit dem Klimapaket

Wie hart werden die Bund-Länder-Verhandlungen? Sehr hart. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte am Wochenende, das Klimapaket müsse nicht aufgeschnürt werden, da es in Teilen offen auf dem Tisch des Vermittlungsausschusses liege. Das stimmt. Ein zentraler Teil des Pakets – der CO2-Preis –­ wird aber eigentlich gar nicht mehr besprochen, da er vom Bundestag bereits beschlossen wurde.

Ab 2021 soll der Preis für das klimaschädliche Treibhausgas zunächst zehn Euro pro Tonne betragen und in den Folgejahren steigen. Doch auch wenn die Bundesregierung die Zustimmung der Länderkammer nicht braucht, um die CO2-Bepreisung einzuführen, könnte das Thema Gegenstand der Gespräche werden. Dann nämlich, wenn es um politische Kompensationsgeschäfte geht. Denn nicht nur die Grünen, sondern auch die neue SPD-Führung hält den Preis für zu niedrig.

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    Im Detail geht es bei den Beratungen vorrangig um die steuerrechtlichen Aspekte des Pakets: Von vier einzelnen Klimagesetzen sind drei bereits vom Bundestag beschlossen worden. Bei mehreren Steuervorhaben des Pakets rief die Länderkammer den Vermittlungsausschuss an. Es geht unter anderem um eine Mehrwertsteuersenkung für Bahntickets im Fernverkehr, eine Förderung der energetischen Sanierung von Wohnhäusern und um die Gebäudesanierung – all das soll nach den Plänen der Koalition Anfang 2020 in Kraft treten.

    Vielen Ländern geht es in erster Linie um eine fairere Verteilung von Einnahmen und Lasten. Von Länderseite wurden Einnahmeausfälle von bis zu 2,5 Milliarden Euro angeführt und darauf hingewiesen, dass der Bund gleichzeitig Einnahmen habe. Die Grünen dringen auch auf inhaltliche Nachbesserungen.

    CDU-Chefin AKK will keinen höheren CO2-Preis

    Welche Punkte will die SPD mit der Union nachverhandeln? In dem auf dem Parteitag beschlossenen Leitantrag fordert die SPD einen höheren CO2-Preis und einen besseren sozialen Ausgleich im Klimapaket. Der Parteitag beschloss, dass es einen „sozial gerechten und wirksamen CO2-Preis“ geben soll. Zur Höhe legten sich die SPD-Delegierten aber nicht fest.

    Das Paket selbst wird nicht infrage gestellt. SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die am heutigen Dienstag bei der Klimakonferenz in Madrid spricht, sagte unserer Redaktion: „In Deutschland hat die Bundesregierung mit dem Klimapaket und insbesondere mit dem Klimaschutzgesetz deutlich gemacht, dass es uns ernst ist.“

    Was sagt die Union? CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer steht einem höheren CO2-Preis skeptisch gegenüber. „Wir können nicht wieder bei null anfangen. Die Zeit drängt“, sagte sie am Wochenende. CSU-Chef Markus Söder forderte einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss noch vor Weihnachten. „Das Ziel muss sein, am 20. Dezember eine endgültige Beschlussfassung zu haben im Bundesrat“, sagte Söder in München. „Wir dürfen uns keine Klima-Blockade erlauben, das wäre ein schwerer Fehler.“ Man brauche dringend das gesamte Klima-Maßnahmenpaket, nicht nur einen Teil.

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      Höhere CO 2 -Preise oder andere Maßnahmen, die Bürger belasten, lehnte Söder strikt ab, sollte es dafür nicht einen Ausgleich geben. Sein dringender Rat vor den Beratungen zum Klimapaket im Vermittlungsausschuss sei: „keine ideologischen Blockaden“. Der Auftrag des Gremiums sei ganz klar umrissen. „Es gibt eine klare verfassungsmäßige Vorgabe: Es geht um die ganzen Geldfragen. Aber es geht nicht um Dinge wie Tempolimit und ähnliches mehr.“

      Der CSU-Vorsitzende erklärte: „Ein völliges Neuaufdröseln des Klimapaketes ist nicht machbar.“ Die Entscheidung liege nicht auf Parteiebene, sondern bei den Verfassungsorganen – das seien Bundestag, Bundesrat und der Vermittlungsausschuss.

      Drastische Einschnitte, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen

      Söder kritisierte, Maßnahmen, wie sie das Umweltbundesamt zuletzt vorgeschlagen hatte, würden keinen ökologischen Effekt, aber eine tiefe Spaltung der Gesellschaft bringen. „Wenn wir über CO2-Preise reden, muss es einen Ausgleich geben.“ Für die CSU sei nicht nur der Erhalt der Pendlerpauschale wichtig, sondern dann brauche es Maßnahmen wie eine Senkung der Stromsteuer. „Jede Bewegung, die es geben könnte bei Kompromissen, muss zu gleichzeitigem Ausgleich führen. Ein einseitiges Erhöhen ohne Ausgleich wird sicherlich zu keinem Ergebnis führen“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

      Zuletzt war ein Papier des Umweltbundesamts bekannt geworden, in dem die Behörde drastische Einschnitte empfiehlt, um die deutschen Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Zu den Vorschlägen gehören unter anderem Tempo 120 auf Autobahnen, höhere Steuern vor allem auf Diesel, das Aus für die Pendlerpauschale und eine höhere Lkw-Maut.

      Das Papier entstand vor der Einigung der Bundesregierung auf das Klimapaket. Um soziale Härten zu vermeiden, plädiert das Amt dafür, die Kosten des Arbeitswegs als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensteuer anrechenbar zu machen. Dies entlaste gezielt Fernpendler mit niedrigen Einkommen.

      Hofreiter macht Druck auf die SPD

      Wie viel hängt von den Grünen ab? Sie sind zwar die kleinste Fraktion im Bundestag und nicht Teil der Regierungskoalition, aber auch die Grünen können erwarten, im Vermittlungsausschuss gehört zu werden. Denn die Partei ist in zehn von sechzehn Ländern in der Regierung und kann damit im Bundesrat Beschlüsse blockieren.

      Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter machte vor dem Ausschuss Druck auf die Sozialdemokraten: „Gerade nach ihrem Parteitag erwarte ich von der SPD, dass sie nicht nur Forderungen ins Schaufenster stellt, sondern auch entsprechend handelt“, sagte er. „Den Beweis kann sie im Vermittlungsausschuss liefern.“

      Konkret kritisieren die Grünen die geplante Erhöhung der Pendlerpauschale als „unsozial und ökologisch kontraproduktiv“ – statt einer Erhöhung sollten Bürger über eine stärkere Senkung der Strompreise entlastet werden.

      Was ist mit dem Kohleausstieg? Wie in der Kohlekommission abgesprochen, soll spätestens 2038 in Deutschland Schluss sein mit Kohlestrom. Eigentlich sollte das entsprechende Gesetz in dieser Woche im Kabinett beschlossen werden, doch dazu kommt es wohl nicht. Jochen Flasbarth, Staatssekretär des Umweltministeriums, sagte, die Ministerien für Wirtschaft, Finanzen und Umwelt seien zwar untereinander einig.

      Jetzt gehe es noch um die Entschädigungsverhandlungen des Bundes mit Braunkohle-Unternehmen. Er sei zuversichtlich, „dass wir das vor Weihnachten haben“.