Winterberg/Bad Berleburg. Der tödliche Verkehrsunfall mit einer Wisentkuh am Freitag hat die Diskussionen um das Wisent-Projekt im Rothaargebirge wieder entfacht.
Nach dem tödlichen Verkehrsunfall mit einer Wisentkuh bei Winterberg am frühen Freitagmorgen hat der Schmallenberger Bürgermeister Bernhard Halbe das Ende des Artenschutzprojekts gefordert. „Aus unserer Sicht wird es Zeit, das Projekt einzustellen. Es ist gescheitert“, sagte Halbe dieser Zeitung. Schmallenberger Waldbauern führen seit Jahren einen erbitterten Rechtsstreit gegen den Trägerverein Wisent-Welt Wittgenstein, der auch schon den Bundesgerichtshof beschäftigt hat.
Ein Pkw hatte in der Dunkelheit die Wisentkuh Dareli auf der Bundesstraße 236 nahe Winterberg-Hoheleye erfasst. Dem Trägerverein Wisent-Welt Wittgenstein zufolge hatten elf Tiere die Fahrbahn überquert. Dareli war auf der Stelle tot, der Autofahrer wurde leicht verletzt.
Trägerverein will von einem Aus des Projekts nichts wissen
Der Unfall zeige, so Bürgermeister Halbe, dass von den Wisenten eine Gefahr ausgehe. Das will Michael Emmrich vom Trägerverein so nicht stehen lassen: „Wie oft nach Unfällen mit Wildschweinen, Rehen oder Hirschen hat Bürgermeister Halbe schon gefordert, diese Wildtiere aus den heimischen Wäldern zu entfernen?“
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Nach Ansicht von Emmrich wiegt der Verlust des Tieres für das Projekt schwer. Aber: „Wildunfälle kommen leider hin und wieder vor.“ Von einem Aus für das Wisent-Projekt will er nichts wissen.
Zaun sollte in diesem Jahr installiert werden
Nach einer Sitzung einer Koordinierungsgruppe mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser, Vertretern der Politik und des Trägervereins sowie betroffenen Waldbauern im vergangenen März war mitgeteilt worden, dass noch in diesem Jahr „als Übergangslösung für die nächsten drei bis fünf Jahre“ ein Wildzaun installiert werden sollte. Dieser sollte Wisente aufhalten, aber gleichzeitig durchlässig für kleinere Wildtiere und Menschen sein. Ein Ministeriumssprecher konnte dieser Zeitung am Freitag nicht begründen, warum die frei laufende Wisentherde in diesem Jahr nicht mehr eingezäunt wird. Es sei jetzt wichtig, „die Einfriedung zur Begrenzung des Streifgebietes der Wisente schnellstmöglich umzusetzen“, so der Sprecher. Die Maßnahmen würden aktuell vorbereitet, „wobei auch gegebenenfalls erforderliche Genehmigungen zu beachten sind“.
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Der 48 Jahre alte Pkw-Fahrer aus Winterberg hatte in der Dunkelheit keine Chance, Wisentkuh Dareli auszuweichen. Der Wagen erfasste das 400 Kilogramm schwere Tier am Freitagmorgen frontal, als sie die Bundesstraße 236 zwischen dem Winterberger Stadtteil Hoheleye und dem Albrechtsplatz in Richtung Bad Berleburg überquerte. Dareli war auf der Stelle tot, der Mann am Steuer wurde leicht verletzt. „Leider war es nur eine Frage der Zeit, bis so ein Unfall passiert“, sagt Lucas von Fürstenberg, Sprecher der Interessengemeinschaft Pro Wald, die auch Waldbauern aus Schmallenberg vertritt. Die Waldbauern prangern seit langem auch auf juristischem Wege große Schälschäden an ihren Buchen an, die die Wisente verursachen.
Weitere Unfälle befürchtet
Der Zusammenprall auf der Bundesstraße im Hochsauerland ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die seit Beginn des in Europa einzigartigen Artenschutzprojekts auf mögliche Verkehrsgefährdungen durch die Wildtiere hingewiesen haben. Es habe bereits zuvor Vorfälle auf Straßen gegeben, sagt Lucas von Fürstenberg – allerdings nicht so gravierend. Und der Waldbauer aus dem Schmallenberger Ortsteil Brabecke sieht eine erhöhte Gefahr für weitere Unfälle: „Die Herde wird immer größer, es sind längst über 25 Tiere. Und sie wird weiter wachsen.“
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In den vergangenen Tagen sei die Herde wiederholt an der B 236 bei Hoheleye gesichtet worden, so von Fürstenberg weiter. Das bestätigt Jörg Dienst, Hoheleyer Ortsheimatpfleger: „Seit zwei Wochen streifen wieder Wisente umher. Nachdem sie sich bereits im Frühjahr häufig hier aufhielten, waren sie den ganzen Sommer über wie vom Erdboden verschwunden.“
Nach Diensts Schilderung muss er gestern Morgen gegen 7 Uhr – kurz vor dem tödlichen Unfall – die Stelle an der Einfahrt zur Hoheleyer Hütte passiert sein, wo der Pkw aus Winterberg mit der Wisentkuh Dareli kollidiert war. „Wenn in der Dämmerung plötzlich ein Tier auftaucht, das noch dunkler als ein Reh ist, hat man als Pkw-Fahrer keine Chance“, so der Hoheleyer.
Schilder aufgestellt
Nach Angaben des Trägervereins Wisent-Welt Wittgenstein sei bekannt, dass die Wisente an der Straße am Albrechtsplatz häufig zu sehen sind. Sprecher Michael Emmrich: „Zur Sicherheit hat die Ordnungsbehörde dort Schilder aufgestellt: „Achtung, Wisente queren!“
Dennoch: „Es hat wiederholt Staus auf der Bundesstraße gegeben, sagt der Hoheleyer Jörg Dienst, „weil Passanten ihre Autos anhielten und ausstiegen, um Handy-Fotos von Wisenten zu machen. Aus nächster Nähe.“ Auch wenn die „eher behäbigen und Menschen gewohnten Tiere friedlich unterwegs sind, eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit.
Wisentkuh wurde 2013 ausgewildert
Die Wisentkuh Dareli wurde 2013 im Rahmen des Artenschutzprojekts im Rothaargebirge ausgewildert und mit einem Senderhalsband ausgestattet. Sie war mit einem abgebrochenen linken Horn in der Herde gut erkennbar. Ersten Ermittlungen zufolge muss das Tier, das offenbar ein Kalb mit sich führte, frontal von dem Seat des Winterbergers erfasst worden sein. Die Windschutzscheibe des Wagens zerbrach, Splitter landeten im Fahrerbereich. Die übrigen Wisente der Herde sollen nach dem Aufprall wenige Meter unterhalb in einer Wiese auf die fehlende Kuh gewartet haben.
Dem Trägerverein zufolge hat man kurz nach dem Unfall Kontakt zu dem Fahrer des demolierten Pkw aufgenommen. Dieser sei nach einem kurzen Klinikaufenthalt „nach eigenen Angaben ,leichtest’ verletzt wieder zu Hause“.