Essen. Ein Heizkessel, der merkt, wenn der Bewohner auf dem Weg nach Hause ist: Firmen aus NRW haben bei Smart-Home-Geräte die Nase vorn.
Sind die Fenster zu? Ist die Heizung runtergedreht? Habe ich den Herd abgeschaltet? Auf dem Weg in den Urlaub sorgen solche Fragen für Unruhe. Aber nicht bei Klaus Scherer. Denn bei ihm zu Hause merkt ein Smart-Home-System, wenn ein Fenster auf ist. Es regelt automatisch die Heizung runter und meldet sich auf Scherers Smartphone.
„Merkt das System, das ein Fenster auf ist, regelt das Heizkörperventil auf sechs Grad runter. Bei durchschnittlich zwölf Fenstern pro Wohnung und geschätzten 42 Millionen Wohnungen in Deutschland könnte man da viel Energie sparen“, beschreibt Scherer. Er ist Leiter der NRW-Landesgruppe der „SmartHome Initiative Deutschland“, ein Verein, der Smart Home-Technologie bekannter machen will.
Keine Spielereien mehr
Diese hat sich in jüngster Zeit aufgemacht, den Kinderschuhen zu entwachsen. Smart-Home-Produkte gehen inzwischen über die reine Spielerei für Technikverliebte hinaus, man kann damit tatsächlich Zeit, Geld und Nerven sparen. Zum Beispiel mit der Heizungssteuerung von Tado.
Tado bietet ein Wand-Thermostat oder Heizkörper-Ventile an, die sich per App auf dem Smartphone steuern lassen. Die Software erkennt, wenn niemand zu Hause ist und fragt die Nutzer mit einer Meldung auf dem Smartphone, ob die Temperatur runtergeregelt werden sollte. Macht sich ein Bewohner auf den Rückweg, regelt das System die Heizung wieder hoch.
Die Bedürfnisse der Nutzer
„Smart-Home-Technik hat sich weiterentwickelt, viele Systeme arbeiten im Hintergrund und lernen die
Bedürfnisse ihrer Nutzer kennen“, beschreibt Viktor Grinewitschus, Professor für Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School in Bochum.
Noch vor wenigen Jahren hieß es schon „Smart Home“, wenn sich die Deckenbeleuchtung über das Handy steuern ließ. Inzwischen liefern viel mehr Geräte Informationen ans Smartphone – Rauchmelder, Innenkameras, Bewegungsmelder oder Feuchtigkeitsmesser beispielsweise. Oder ein Regenmesser. Den „Netatmo Regenmesser“ gibt es im Onlineshop von Innogy, einer Tochter des Essener Energieriesen Eon. Der Sensor sieht aus wie ein kleiner Trichter und kann Nutzer per E-Mail oder SMS informieren, ob diese ihren Garten wässern müssen oder nicht.
Sensoren, die mit ihren Nutzern kommunizieren, sind der aktuelle Trend. Auch der Haustechnik-Hersteller Vaillant in Remscheid bietet an, den Heizkessel per App zu steuern – das kann interessant werden und Heizkosten sparen, wenn zum Beispiel der Urlaub spontan um ein paar Tage verlängert wird.
Systeme regeln Dinge selbst
Einen Schritt weiter gehen aktuelle Systeme, die nicht nur den Nutzer informieren, sondern auch Dinge selbst regeln können. Wenn der Nutzer es gestattet. Wie zum Beispiel das Tado-System, das den Heizkessel regeln kann. Oder die Dunstabzugshaube von Miele, die erkennt, wenn das Kochfeld eingeschaltet wird und automatisch die entsprechende Saugstufe aktiviert.
Miele bietet auch Waschmaschinen an, die Waschmittel aus integrierten Behältern nutzen. Die Maschinen dosieren das Waschmittel automatisch, und geht es zur Neige, informiert die Maschine ihre Besitzer per Smartphone. „Mit wenigen Klicks können die Nutzer das Waschmittel nachbestellen“, sagt Sprecher Michael Prempert.
Viele Anbieter von Smart-Home-Technik haben auch Sicherheit im Programm. Die Telekom etwa: ist niemand zu Hause, kann eine „Haushüter-Funktion“ Anwesenheit vortäuschen. Die Automatik hebt und senkt die Rollläden, schaltet Licht und Musik ein und aus und kann sogar Geräusche abspielen, je nach Tageszeit. Auch andere Anbieter haben Ähnliches im Katalog.
Gütersloh, Essen, Remscheid, Bonn
Miele in Gütersloh, Innogy in Essen, Vaillant in Remscheid, die Telekom in Bonn: alles Unternehmen aus NRW. „Es gibt hier unheimlich viele Firmen, die im Bereich Smart Home unterwegs sind“, sagt Viktor Grinewitschus, „die Industrie ist da, wir haben hier Hidden Champions in der Gebäude-Automation.“ Hierzulande tummeln sich viele Hersteller und Software-Entwickler.
Deren Smart-Home-Technologie bietet oft nicht nur Komfort und Sicherheit, sondern auch die Möglichkeit, Energie zu sparen. „Wer Energie und damit Kosten sparen möchte, kann dies mit Smart Home insbesondere bei der Raumwärme erreichen“, sagt David Schick, Referent bei der Verbraucherzentrale NRW.
Kann Energie gespart werden?
Die Raumwärme habe mit bis zu 70 Prozent den größten Anteil am Energieverbrauch im Haushalt. Wer
hingegen nur Sicherheits- oder Komfort-Elemente nutze, werde „am Ende kaum Energie einsparen – oder sogar mehr Energie verbrauchen“.
Hier gilt es also, abzuwägen. Gerade für Einsteiger erscheint das Thema komplex, da es viele Produkte am Markt gibt, und nicht jeder Sensor verträgt sich mit einem Schalter eines anderen Anbieters. Für Mietwohnungen bieten sich laut Verbraucherzentrale Smart-Home-Elemente an, die einfach nachzurüsten sind und miteinander per Funk kommunizieren, wie etwa programmierbare Heizkörperthermostate oder -regler.
Beim Thema Energiesparen kann eine Portion Skepsis nicht schaden: „Hersteller von Smart-Home-Geräten geben bis zu 30 Prozent Einsparung an“, sagt David Schick von der Verbraucherzentrale, „realistisch sind eher sechs bis acht Prozent, beispielsweise durch den einfachen Austausch der analogen Heizkörperthermostate durch neue, programmierbare Varianten.“
Wenn das Nachtlicht auf die Oma aufpasst
Smart-Home-Technologie im Einsatz: Morgens um zwei Uhr aufstehen und den Herd einschalten, um das Mittagessen zu kochen: Menschen mit Demenz haben mitunter Bedürfnisse, die sie selbst und andere gefährden können. Heike Perszewski weiß genau, was da auf die Betroffenen, aber auch auf die Angehörigen und die Beschäftigten im Pflegebereich zukommen kann.
Perszewski ist Regionalleiterin beim Sozialwerk St. Georg, ein Dienstleistungsunternehmen, das in NRW viel für Menschen tut, die im Alltag Hilfe brauchen. Unter anderem betreibt das Sozialwerk mehrere Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz. An den Standorten in Duisburg (seit 2007), Neukirchen-Vluyn (seit 2016) und in Kamp-Lintfort (seit 2018) setzt das Sozialwerk bereits Smart-Home-Technologien ein.
Beratung für Demenz-Wohnprojekte
Das Konzept hat das Sozialwerk in Zusammenarbeit mit der Inhaus GmbH in Duisburg erarbeitet, seit 2007 kooperieren die Organisationen. Inhaus bietet Assistenz- und Smart-Home-Systeme an und hat bereits verschiedene Liegenschaften und Demenz-Wohngemeinschaften beraten und mit Technik versorgt. „Wir wollen Technik nutzen, um Pflegekräfte zu entlasten und die Selbstbestimmung im Alter zu steigern“, sagt Enrico Löhrke, geschäftsführender Gesellschafter der Inhaus GmbH.
Wie zum Beispiel durch die intelligente Herdschaltung: Schaltet ein WG-Bewohner den Herd ein, funktioniert das Gerät nur, wenn zusätzlich ein weiterer Schalter an einer anderen Stelle in der Küche betätigt wird. „Viele Menschen mit Demenz können das nicht mehr umsetzen“, sagt Heike Perszewski, „und so werden sie geschützt, ohne reglementiert zu werden.“
Gefahrensituationen entschärfen
Reglementierungen sorgen im Umgang mit Menschen mit Demenz nämlich häufig für Konflikte. Das Sozialwerk setzt auf größtmögliche Selbstbestimmung. Das bedeutet auch, dass Türen nicht abgeschlossen werden. Und trotzdem wissen die Mitarbeiter der Wohngemeinschaften immer, wenn vielleicht Gefahr droht. Das funktioniert so: „Neben den Türen sind Schalter, die aussehen wie ein Lichtschalter“, beschreibt Perszewski, „wer durch die Tür geht, muss auch diese Schalter betätigen.“
Geht jemand durch die Tür, ohne die Schalter zu betätigen, bekommt ein Pflege-Mitarbeiter eine Nachricht auf ein Telefon. „So können die Mitarbeiter eine mögliche Gefahrensituation entschärfen, ohne dauerhaft ein Auge auf die Tür werfen zu müssen“, sagt Perszewski. Gleichzeitig würden die Bewohner nicht gegängelt und könnten weitestgehend selbstbestimmt leben. Zudem ist die Smart-Home-Technologie immer da und kann nicht vergessen werden, wie zum Beispiel ein Notrufsender, den Betroffene sich erst umhängen müssen.
Sogar das Nachtlicht kann in den Demenz-Wohngemeinschaften des Sozialwerks St. Georg die Sicherheit der Bewohner erhöhen: Am Bett können Mitarbeiter einen Bewegungsmelder aktivieren, der automatisch das Licht auf dem Weg zum Bad einschaltet, sobald ein Bewohner nachts das Bett verlässt. „Viele laufen sonst ohne Licht“, erklärt Perszewski, „das ist gerade für diejenigen gefährlich, die sturzgefährdet sind. Und auch Mitarbeiter können sich so informieren lassen und so vermeiden, dass gangunsichere Menschen stürzen.“
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