Berlin. Die Regierung hat sich jetzt auf eine Grundrente geeinigt. Es sollen bis zu 1,5 Millionen Menschen profitieren. Wie hoch ist sie?
Drei Seiten lang ist der Kompromiss, den die große Koalition ausgehandelt hat – und er umfasst mehr als nur die Grundrente. Vier große Themen haben CDU, CSU und SPD zu einem großen Paket gepackt: Außer den Details zur Grundrente gehören auch Regelungen für die betriebliche Altersvorsorge dazu.
Außerdem sollen der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung noch weiter gesenkt und ein milliardenschwerer Geldtopf zur Wirtschaftsförderung eingerichtet werden.
Grundrente: Das muss man wissen:
- Die große Koalition hat die Grundrente beschlossen - nach langem Streit
- Arbeitsminister Heil betonte, von der Grundrente könnten 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen profitieren
- Anspruch auf Grundrente hat man ab 35 Beitragsjahren
Grundrente: Das sind die wichtigsten Elemente
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnet die Grundrente als „sozialpolitischen Meilenstein“. Dadurch werde die „Lebensleistung“ von Menschen anerkannt, die lange und hart gearbeitet hätten, sagte Heil.
„Am Ende zählt nicht die Befindlichkeit von Parteien, sondern dass wir das Land voranbringen und was für die Menschen tun.“ Notwendig ist die Grundrente nach Angaben des Ministers, weil viele Menschen nur zu Niedriglöhnen gearbeitet haben und Löhne immer seltener nach Tarifvertrag gezahlt werden.
Große Mehrheit der Empfänger sind Frauen
Selbst zwölf Euro Mindestlohn in einem Teilzeitjob reiche nicht, um eine gute Rente zu bekommen, sagte Heil. Er betonte, von der Grundrente könnten 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen profitieren. Die exakte Zahl stehe fest, wenn man die Details geklärt habe.
Die große Mehrheit (85 Prozent) der Empfänger seien Frauen, sagte Heil. Auch werde die Mehrheit von ihnen in Ostdeutschland wohnen. Genauere Angaben nannte Heil aber nicht.
Voraussetzungen für Anspruch auf Grundrente
Die erste entscheidende Voraussetzung für den Anspruch auf die Grundrente sind mindestens 35 Beitragsjahre. Das bedeutet, dass jemand so lange gearbeitet und Rentenbeiträge gezahlt, Kinder erzogen und/oder Angehörige gepflegt hat. Das allein reicht aber nicht.
Die zweite Voraussetzung für die Grundrente ist ein unterdurchschnittlicher Verdienst. Die Grundrente bekommt, wer über mindestens 35 Jahre hinweg nur zwischen 30 und 80 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hat.
Kein Antrag auf Grundrente nötig
Zur Orientierung: Wer ein Jahr lang zum Durchschnittseinkommen arbeitet, erhält auf seinem Rentenkonto einen „Entgeltpunkt“ gutgeschrieben. Grundrentenempfänger dürfen also im Durchschnitt aller Jahre nur 0,3 bis maximal 0,8 Entgeltpunkte erhalten haben. Die Untergrenze gibt es, damit Minijobber keine Grundrente bekommen können.
Beantragen muss die Grundrente niemand, die Rentenversicherung soll sie automatisch berechnen. Hat jemand Anspruch darauf, wird für maximal 35 Jahre ein Zuschlag zur Rente ermittelt. Das ist kompliziert und führt unterm Strich zu dem Ergebnis, dass die Entgeltpunkte fast verdoppelt werden.
Bedingungen für die Grundrente
Konkret: Eine Friseurin, die 40 Jahre lang nur 40 Prozent des Durchschnittslohns verdient hat, würde ohne Grundrente rund 530 Euro Rente bekommen. Mit Grundrente sollen es rund 930 Euro sein.
Damit die Grundrente nur an die Menschen geht, die sie brauchen, gibt es weitere Bedingungen. Die volle Grundrente bekommen nur Rentner, die pro Jahr weniger als 15.000 Euro Einkommen haben (oder 1250 Euro im Monat). Dazu zählen Pensionen, Einkommen aus privater oder betrieblicher Altersvorsorge, Mieteinnahmen und auch Kapitalerträge.
Fall der Zahnarztgattin soll vermieden werden
Liegt das Jahreseinkommen über den 15.000 Euro, wird die Grundrente damit teilweise verrechnet – wie stark, ist noch offen. Bei Ehepaaren liegt die Einkommensgrenze bei 23.400 Euro im Jahr (1950 pro Monat). Wenn also ein Ehepartner Anspruch auf Grundrente hat, das gemeinsame Einkommen des Paares aber über der Grenze liegt, wird die Grundrente des Einzelnen zum Teil verrechnet.
Damit soll der vielzitierte Fall der Zahnarztgattin vermieden werden, die zwar Anspruch auf die Grundrente hätte, sie aber nicht braucht. Diese Einkommensprüfung sollen Rentenversicherung und Finanzämter automatisch und im Hintergrund erledigen.
Um den Fall zu vermeiden, dass jemand zwar Grundrente bekommt, diese dann aber mit anderen Sozialleistungen verrechnet wird, soll es Anpassungen bei der Grundsicherung im Alter (Hartz IV für Rentner) geben und beim Wohngeld.
Finanzierung: Grundrente kostet 1,5 Milliarden Euro pro Jahr
In beiden Fällen soll es einen Freibetrag geben. Das bedeutet, dass kein Rentner durch die Grundrente seinen Anspruch auf Wohngeld verlieren soll. Auch wer Grundsicherung bekommt, soll mindestens die Hälfte des Regelbedarfs (212 Euro) in der Grundsicherung behalten.
- Die Kosten für die Grundrente beziffert Minister Heil auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
- Finanziert werden soll die Summe aus Steuergeld.
- Eine Milliarde Euro will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) aus einer Finanztransaktionssteuer gewinnen, die es noch nicht gibt. Sie soll bis 2021 eingeführt sein.
Weitere 400 Millionen Euro will Arbeitsminister Heil in seinem eigenen Etat einsparen. Darüber hinaus hofft er auf Einsparungen bei der Grundsicherung, weil durch die Grundrente weniger Rentner als bisher darauf angewiesen seien. „Die Rentenbeiträge steigen durch die Grundrente nicht“, versichert Heil.
Arbeitslosenbeitrag sinkt
Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung sinkt nach dem Kompromiss der Parteien um 0,1 Prozentpunkte auf 2,4 Prozent. Allerdings nur begrenzt auf zwei Jahre, also bis Ende 2022.
Bezieher von Betriebsrenten oder von Kapitalleistungen der betrieblichen Vorsorge werden bei den Beitragszahlungen an die gesetzliche Krankenkasse entlastet. Sie müssen bisher den vollen Beitragssatz von 14,6 Prozent plus Zusatzbeitrag entrichten, während für die Rente nur der halbe Beitragssatz fällig wird – wie für Arbeitnehmer auch.
Die Koalition will für solche Versorgungsbezüge nun einen Freibetrag von 155,75 Euro monatlich schaffen. Damit werde erreicht, dass rund 60 Prozent der Betriebsrentner „de facto maximal den halben Beitragssatz“ auf ihre gesamten Versorgungsbezüge zahlten, während die weiteren 40 Prozent „spürbar entlastet“ würden, wie es in dem Papier der großen Koalition heißt.
Geringere Einnahmen für Krankenkassen
Für die Krankenkassen bedeutet dies aber geringere Einnahmen in Höhe von etwa 1,2 Milliarden Euro jährlich. Dies soll „vollständig aus Mitteln“ der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden. In den Jahren 2021 bis einschließlich 2023 sollen dazu Beträge von 900, 600 und 300 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds entnommen werden.
Der Chef der Mittelstands- und Werteunion (MIT), CDU-Fraktionsvize Carsten Linnemann, lehnte den Kompromiss zur Grundrente am Montag im CDU-Vorstand als „Abkehr vom bisherigen Sozialstaatsprinzip“ ab.
Begründung: „Dieser Kompromiss behandelt Geringverdiener in Vollzeit zum Teil schlechter als Besserverdiener in Teilzeit – das wird der Akzeptanz des deutschen Rentensystems in der Bevölkerung schaden.“ Die Entlastung der Betriebsrentner von Sozialabgaben begrüßte er hingegen – die sogenannte Doppelverbeitragung ist ein Dorn im Auge der Mittelständler.