Berlin. Der SPD-Mitgliederentscheid über den Partei-Vorsitz ist beendet. Die Duos Scholz/Geywitz und Esken/Borjans müssen in die Stichwahl.
Es bleibt spannend. Die Wahl für den SPD-Vorsitz geht in die Verlängerung: Bundesfinanzminister Olaf Scholz und seine Partnerin Klara Geywitz haben den Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz knapp gewonnen, die erforderliche absolute Mehrheit aber sehr deutlich verfehlt. Die Stichwahl soll vom 19. bis 29. November stattfinden.
Vorher treffen die zwei vorne liegenden Duos bei mehreren Veranstaltungen aufeinander. Vizekanzler Scholz und Geywitz gelten als Befürworter der großen Koalition – Walter-Borjans und Esken eher als Kritiker
Die neue Spitze endgültig bestätigen sollen die Delegierten des Parteitags Anfang Dezember in Berlin. Auch um die Zukunft der Koalition soll es dann gehen und um die programmatische Erneuerung der Partei.
Jan Böhmermann will nicht mehr SPD-Chef werden
Das Abstimmungsergebnis hat TV-Satiriker Jan Böhmermann nun dazu bewogen, Abstand von seinem Plan zu nehmen, Chef der Sozialdemokraten zu werden. Er stehe „nicht mehr länger als Kandidat für den SPD-Vorsitz zur Verfügung“, schrieb er in einem am Samstagabend auf Twitter veröffentlichten Brief an die SPD-Mitglieder. Das Ergebnis mache ihn und sein Team betroffen. „Wir sind superenttäuscht und wütend!“
Anfang der Woche hatte Böhmermann ebenfalls in einem auf Twitter veröffentlichten Brief geschrieben, er wolle auf dem Parteitag Anfang Dezember von 50 Delegierten zum Kandidaten für den SPD-Vorsitz aufgestellt und gewählt werden. Nun begründete er seine Kehrtwende unter anderem mit der geringen Beteiligung der Mitglieder an der Befragung und damit, dass dann auch noch das Duo Scholz/Geywitz die meisten Stimmen erhalten habe – wobei er die Partnerin von Scholz allerdings als „Katja Gleiwitz“ bezeichnete.
Böhmermann zieht den Schluss: „Die Rettung der deutschen Sozialdemokratie scheint eine viel größere Herausforderung zu werden, als wir befürchtet hatten.“
SPD-Wahl für Vorsitz – Das muss man wissen:
- Die SPD-Mitglieder sind aufgerufen, den Kandidatenduos für den SPD-Vorsitz ihre Stimme zu geben
- Die Abstimmung endete in der Nacht zum Samstag
- Olaf Scholz und Klara Geywitz gewannen, verpassten aber eine Mehrheit
- Es kommt zur Stichwahl zwischen Scholz/Geywitz und Borjans/Esken
- Sie soll vom 19. bis 29. November stattfinden
Sie treten nun in einer Stichwahl gegen den früheren nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken an, wie die SPD am Samstag mitteilte. Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer sprach von einem „besonders wichtigen Tag für unsere Partei“. Mit diesem Mitgliedervotum habe die Partei etwas Neues gewagt. Welche Chancen Scholz und „Nowabo“ im Finale um die SPD-Spitze haben.
Berlins Regierender Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller sieht sich durch das Ergebnis in seiner Erwartung bestätigt. „Meine Prognose, dass es spannend werden würde, ist eingetroffen“, sagte Müller kurz nach der Verkündung des Ergebnisses.
Es sei keine Überraschung, dass Olaf Scholz vorne liege, schon allein wegen der Bekanntheit des Bundesfinanzministers und Vizekanzlers. „Aber es bleibt auch für die Stichwahl spannend. Es ist ein offenes Rennen“, sagte Müller.
226.775 Stimmen wurden abgegeben, die Wahlbeteiligung lag bei 53 Prozent. 213.693 Stimmen waren gültig. Die Suche nach einem neuen SPD-Vorsitz war nötig geworden, nachdem die damalige Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles Anfang Juni zurückgetreten war.
Die Kandidaten tourten in 23 Regionalkonferenzen durch Deutschland. Seit Mitte Oktober konnten die Sozialdemokraten für die am Ende noch sechs Kandidatenduos abstimmen, online oder per Brief.
Die Stichwahl soll vom 19. bis 29. November stattfinden. Das verkündete Schatzmeister Dietmar Nietan im Willy-Brandt-Haus in Berlin. 226.775 Stimmen wurden abgegeben, die Wahlbeteiligung lag bei 53 Prozent. 213.693 Stimmen waren gültig.
Zwei Wochen lang konnten rund 430.000 Parteimitglieder darüber abstimmen, wer die SPD künftig führen soll. Nach Informationen der ARD scheint eine Stichwahl wahrscheinlich zu sein.
Bis Mitternacht in der Nacht zum Samstag konnten die Parteimitglieder ihre Stimmen noch per Brief oder online abgeben. Nun wird gezählt. Dafür kamen am Samstagmorgen 250 Freiwillige aus ganz Deutschland im Willy-Brandt-Haus in Berlin zusammen. Mit speziellen Schlitzmaschinen konnten sie pro Stunde 20.000 Briefwahlunterlagen öffnen.
Auszählung im Willy-Brandt-Haus
In der Zentrale der SPD lief die Auszählung des Mitgliederentscheids über den künftigen SPD-Vorsitz seit Samstagmorgen auf Hochtouren. Im obersten Stockwerk des Willy-Brandt-Hausesübernahm am Mittag eine zweite Schicht von Helfern das Sortieren und Zählen der Wahlbriefe.
Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem „spannenden Tag“. Die Beteiligung der Mitglieder an der Chefsuche habe Überzeugungskraft gekostet, dann aber viele in der Partei mobilisiert, sagte Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. „Es war richtig, dass wir mutig waren und diesen neuen Weg eingeschlagen haben, weil wir endlich mit den Ritualen der Vergangenheit brechen.“
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius mahnte seine Partei zur Geschlossenheit. Entscheidend sei am Ende, dass sich alle hinter dem Ergebnis versammelten, auch wenn die Wahlbeteiligung nicht so irre hoch sei, sagte Pistorius der dpa in Erfurt. „Das Ergebnis muss stehen.“
SPD-Mitgliederentscheid: Das sind die Ergebnisse
Die Partei veröffentlichte am Samstagabend nach der Auszählung folgende Ergebnisse:
- Klara Geywitz (Beisitzerin SPD-Vorstand) & Olaf Scholz (Bundesfinanzminister): 48.473 (22,6 Prozent)
- Saskia Esken (Bundestagsabgeordnete) & Norbert Walter-Borjans (Ex-Finanzminister NRW): 44.967 (21 Prozent)
- Petra Köpping (Staatsministerin für Gleichstellung und Integration in Sachsen) & Boris Pistorius (Innenminister Niedersachsen): 31.230 (14,61 Prozent)
- Gesine Schwan (Zweifache Bundespräsidenten-Kandidatin) & Ralf Stegner (Vize-Parteichef): 20.583 (9,63 Prozent)
- Christina Kampmann (Ex-Familienministerin NRW) & Michael Roth (Europa-Staatsminister) 34.700 (16,3 Prozent)
- Nina Scheer (Bundestagsabgeordnete) & Karl Lauterbach (Gesundheitsexperte): 31.200 (14,6 Prozent)
SPD-Vorsitz: Mehrere Duos standen zur Wahl
Es dürfe dann weder kleingeredet noch relativiert werden. Die Beteiligung hatte zur Halbzeit vor einer Woche erst bei 28,9 Prozent der rund 430 000 Mitglieder gelegen. Außerdem musste das Ergebnis der Online-Abstimmung ausgelesen werden. Gewählt werden die Nachfolger der zurückgetretenen Parteichefin Andrea Nahles. Fest steht bereits, dass die älteste Partei Deutschlands künftig von einer Doppelspitze geführt wird.
Die Vorsitzenden der SPD seit 1946
Zur Wahl standen sechs Duos. Einen klaren Favoriten für die Nachfolge der zurückgetretenen Parteichefin Andrea Nahles gab es bis zum Schluss aber nicht.
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(dpa/jei)