Düsseldorf. Armin Laschet spricht im Interview über die Zukunftschancen des Ruhrgebiets, Altschuldenhilfe für die Kommunen und seine Erwartungen an den RVR.
Die Ruhr-Konferenz der Landesregierung tritt nach zwei Jahren in die entscheidende Phase. Welche Großprojekte könnten das Ruhrgebiet wirklich voranbringen? Mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) diskutierten Andreas Tyrock, Jost Lübben und Tobias Blasius.
Herr Ministerpräsident, erinnern Sie sich noch an den Slogan „Das Ruhrgebiet – Ein starkes Stück Deutschland“?
Laschet: Das war mal eine Imagekampagne, oder?Ja, es war in den 1980er Jahren die erste große Imagekampagne der Region.
Ist das Ruhrgebiet heute noch ein starkes Stück Deutschland?
Laschet: Auf jeden Fall ist es das. Man kann die heutige Situation des Ruhrgebiets gar nicht mit den 1980er Jahren vergleichen. Damals sorgten Zechensterben und Stahlkrise für einen tiefgreifenden Wandel im industriellen Herzen Deutschlands. Das Ruhrgebiet wurde noch „Kohlenpott“ genannt und stand nicht überall im Ruf, ein lebenswerter Ballungsraum zu sein. Heute ist der Wandel zu einer grünen Metropole mit Hightech-Industrie, Dienstleistungen, Logistik und Spitzenforschung weit fortgeschritten. Es stellen sich ganz andere Fragen als damals. Deshalb ist unsere Ruhr-Konferenz auch keine Krisenkonferenz wie 1988, sondern eine Chancenkonferenz.
Nach dem großen Arbeitskampf 1988 in Duisburg-Rheinhausen suchten Bundeskanzler Kohl und NRW-Ministerpräsident Rau den Schulterschluss, um dem Ruhrgebiet auf die Beine zu helfen…
Laschet: Wir wollten zum Start der Ruhr-Konferenz im Jahr 2018 gerade keine einmalige Geberkonferenz wie damals und nicht mit einem Masterplan der Ministerialbürokratie vorschreiben, was zu tun ist, sondern möglichst viele Ideen und Akteure vor Ort einbeziehen. In den vergangenen zwei Jahren haben sich so 4.000 Menschen aus dem Ruhrgebiet in mehr als 50 Veranstaltungen und 20 Themenforen eingebracht und viele kreative Ideen, lokales Wissen und wertvolle Hinweise eingebracht. Daraus sind 75 Projektvorschläge für die Zukunft des Ruhrgebiets hervorgegangen, aus denen die Landesregierung Ende Oktober Leitprojekte auswählen und ab 2020 umsetzen wird.
Welches Projekt liegt Ihnen persönlich am Herzen?
Laschet: Den Kabinettsberatungen und vor allem den Townhall-Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern dazu in Oberhausen und Hagen möchte ich nicht vorgreifen. Mir liegt die Ruhr-Konferenz insgesamt sehr am Herzen. Sehr wichtig ist in jedem Fall, die Stärkung des Wissenschaftsstandorts für die Zukunftsfähigkeit der Region. Die Hochschulen, die international bereits als University Alliance Ruhr auftreten, könnten sich auch im Forschungsalltag noch besser vernetzen und abstimmen. Das Ruhrgebiet bietet ideale Voraussetzungen für die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft auf einem Campus, wie es die RWTH Aachen vormacht, wo aus der Hochschule neue industrielle Arbeitsplätze entstanden sind. Das erhoffe ich mir auch rund um das neue Max-Planck-Institut für Cybersicherheit in Bochum. Dort könnten sich etwa forschungsstarke Unternehmen der IT-Sicherheit ansiedeln.
Wo sehen Sie noch Entwicklungschancen?
Laschet: Ein Beispiel ist die Entwicklung der Wasserstoff-Technologie, die zukünftig eine riesige Rolle spielen wird. Die Überlegungen der Forscher gehen sogar hin zur Co2-freien Stahlproduktion. Das Ruhrgebiet wäre ein ideales Testfeld für diese Zukunftstechnologie, weil wir hier die höchste Dichte an Produktionsanlagen in ganz Deutschland haben. Auch die klimafreundliche Mobilität ist ein zentrales Thema und der Schlüssel für den Erfolg anderer Projekte. Denn um schnell und einfach zum Arbeitsplatz, zum Arzt, in die Uni oder in das Konzert zu gelangen, braucht es ein integriertes Verkehrskonzept in der gesamten Metropolregion.
Wieviel Geld erwarten Sie im Rahmen der Ruhr-Konferenz vom Bund?
Laschet: Abstrakte Geldforderungen sind heute nicht die Lösung. Lassen Sie uns nun erstmal aus den 75 Projektvorschlägen auswählen, dann über die Finanzierung sprechen. Wir sind uns sicher, dass der Bund uns bei wichtigen Infrastrukturprojekten etwa im Bahnverkehr unterstützen wird. Wenn wir aus Klimaschutzgründen weniger innerdeutsche Flüge haben wollen, könnten wir zum Beispiel den ICE-Verkehr zwischen Dortmund und Berlin so beschleunigen wie auf der Sprintstrecke München-Berlin. Damit ein solches Großprojekt aber auch zeitnah realisiert werden kann, müssten wir das Planungsrecht entrümpeln.
Sie haben kürzlich gesagt, eine „Sanierung West“ sei überfällig. Wie kommen Sie darauf?
Laschet: Nach der Deutschen Einheit haben sich auch Ruhrgebietsstädte solidarisch gezeigt mit den neuen Bundesländern und teilweise erhebliche zusätzliche Schulden aufgenommen, um den Aufbau Ost über viele Jahre mitzubezahlen. Heute haben wir in Ostdeutschland blühende Landschaften, vielerorts strahlende Innenstädte und eine gute Infrastruktur, während die Arbeitslosigkeit in einigen Ruhrgebietsstädten höher ist als in der Lausitz. Deshalb muss der Bund jetzt auch in die Sanierung West investieren.
Vor allem die hohen Altschulden knebeln viele Ruhrgebietsstädte. Wann helfen Sie?
Laschet: Ich bin froh, dass die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ der Bundesregierung die Mithilfe beim Abbau der kommunalen Altschulden zum ersten Mal überhaupt als Bundesaufgabe anerkannt hat. Das war nicht selbstverständlich, weil viele Städte in anderen Bundesländern diese Probleme nicht kennen. Sobald wir konkret wissen, wie sich der Bund bei den kommunalen Altschulden finanziell einbringt, werden wir als Land ebenfalls mit einem Eigenanteil helfen. Die aktuelle Niedrigzinsphase dämpft das Problem, aber wir brauchen dennoch eine dauerhafte Lösung.
Der Regionalverband Ruhr scheitert gerade mit der Aufstellung eines Regionalplans. Ist das Revier unfähig zur Selbstverwaltung?
Laschet: Es war richtig, dass das Land dem Ruhrgebiet mehr Planungskompetenzen gegeben und stärker auf Kooperationen zwischen den Städten gesetzt hat. Die Erwartung war, dass die Region diese Chancen nutzt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Aufstellung des Regionalplans noch nicht abgeschlossen ist. Viele Investitionsentscheidungen und neue Arbeitsplätze im Ruhrgebiet hängen davon ab. Die Landesregierung unterstützt die Region und ich erwarte von den Beteiligten, dass sie schleunigst zu guten Ergebnissen kommen.