Berlin. Politiker von Grünen, Union und SPD wollen Bahnfahren günstiger machen. Kritik gibt es an einem Vorschlag von Linken-Chef Riexinger.

Im August 2018 flog eine Lufthansa-Maschine von Berlin-Tegel nach Frankfurt am Main. In einer der vorderen Reihen saß Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die ihre Sommerreise durch die Republik mit einem Besuch des Fan-Projekts von Eintracht Frankfurt beginnen wollte.

Im selben Flugzeug, ein paar Reihen weiter, flog Digitalstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU), ebenfalls unterwegs zu einem Termin. Zwei Spitzenpolitikerinnen auf einem Inlandsflug, der auch ohne größeren Aufwand mit der Deutschen Bahn möglich gewesen wäre: Bilder wie dieses könnten bald der Vergangenheit angehören. Parteiübergreifend gibt es Bestrebungen, Inlandsflüge überflüssig zu machen.

Den Plan, dazu das Fliegen unattraktiver zu machen, gibt es derzeit nicht nur von den Grünen, sondern in allen drei Parteien der großen Koalition. Die Idee: Bahntickets im Fernverkehr könnten über eine Steuersenkung günstiger werden. Für diesen Vorschlag warb CSU-Chef Markus Söder in der „Welt am Sonntag“, er ist auch Teil des SPD-Konzepts zum Kampf gegen die Erderwärmung.

Robert Habeck: Anreize sind derzeit falsch gesetzt

Damit mehr Menschen die Bahn nehmen statt zu fliegen, will Söder die Mehrwertsteuer auf die Tickets deutlich senken oder ganz streichen. Er wolle das Bahnfahren so attraktiv machen, dass Reisende das Flugzeug bei Kurzstrecken nicht mehr benutzen müssten, so der bayerische Ministerpräsident.

Ähnlich argumentieren auch die Grünen: „Wir wollen Inlandsflüge überflüssig machen. Also die Bahn so attraktiv und die Tickets so günstig, dass man lieber fährt als fliegt“, sagte Parteichef Robert Habeck „Spiegel Online“.

Die Anreize seien derzeit falsch gesetzt. Fluggesellschaften zahlten keine Steuer auf Kerosin, die Bahn auf ihren Strom schon. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) warnt dagegen davor, durch Steuererhöhungen Flüge teurer zu machen.

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Stattdessen sollte die Bundesregierung konkrete und machbare Maßnahmen für den Klimaschutz beschließen. „Bahnfahrten zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz und ohne Ökosteuer wären ein großer Schritt“, sagte er unserer Redaktion.

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SPD wirft Riexinger „Politik der Ewiggestrigen“ vor

Ganz neu ist die Idee nicht: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte schon im April vorgeschlagen, für Fernzugtickets weniger Steuer zu nehmen. Für Steuerfragen ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zuständig – er hatte sich schon im April grundsätzlich offen für die Debatte gezeigt. Ein Gesamtkonzept für mehr Klimaschutz will die Bundesregierung im September beschließen.

Flugscham hat das Potenzial zum Wort des Jahres zu werden.
Flugscham hat das Potenzial zum Wort des Jahres zu werden. © dpa | Federico Gambarini

Eine andere Idee dagegen erntete am Wochenende parteiübergreifend massive Kritik: Linken-Chef Bernd Riexinger hatte gegenüber unserer Redaktion vorgeschlagen, im Kampf gegen die Klimakrise alle Fluggesellschaften zu verstaatlichen. „Was so dramatische gesellschaftliche Folgen haben kann, darf nicht marktwirtschaftlich und unreguliert bleiben“, so Riexinger. Fluggesellschaften gehörten in staatliche Hand – genauso wie die Energieversorgung oder die Bahn.

Widerspruch kam vom stellvertretenden SPD-Fraktionschef Karl Lauterbach, der sich auch um den SPD-Parteivorsitz bewirbt. Klimaschutz im Verkehr müsse erreicht werden, indem Bahn und öffentlicher Nahverkehr besser und billiger würden, „nicht indem man Fliegen verstaatlicht“, schrieb er auf Twitter. SPD-Vize Ralf Stegner rief die Linke zu einer Kurskorrektur auf. „Eine Politik der Ewiggestrigen bringt uns nicht voran“, sagte Stegner unserer Redaktion.

Kritik an Riexingers Vorschlag

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) widersprach seinem Parteifreund Riexinger nicht, bewarb auf Twitter aber den Vorschlag der Grünen: „Ich plädiere für eine konsequente Besteuerung von Flugbenzin und Steuerfreiheit für alle Schienenverkehre.“

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Kritik an Riexingers Vorschlag kam auch aus CSU, FDP und AfD. CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte die Pläne „gruselig“, die „DDR 2.0“ scheine durch. „Die SED lässt grüßen“, schrieb AfD-Vize Georg Pazderski auf Twitter. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Marco Buschmann, warf Riexinger vor, er missbrauche „die ökologische Sensibilität der Menschen für neosozialistische Gedankenspiele“.

Ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück verursacht nach Berechnungen des Umweltbundesamts pro Person eine Klimawirkung von gut fünf Tonnen Kohlendioxid. Damit könne man mit einem Mittelklassewagen mehr als 30.000 Kilometer fahren. (mit dpa)