Hagen/Arnsberg. Während in Metropolen Wohnungen fehlen, wächst in Dörfern der Leerstand. Durch Neubaugebiete vor den Toren verlieren die Zentren an Bedeutung.
Experten werfen Kommunalpolitikern und Stadtplanern im ländlichen Raum vor, zu viele Neubaugebiete auszuweisen. Während es in vielen größeren Städten an Wohnraum mangele, herrsche auf dem Land vielerorts ein Überangebot an Wohnungen, kritisiert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie. Das gelte vor allem für Randlagen und dörfliche Bereiche.
Zahl der gebauten Wohnungen 247 Prozent über Bedarf
In Nordrhein-Westfalen werde demnach vor allem im Hochsauerlandkreis zu viel neu gebaut. Dort liege die Zahl der gebauten Wohnungen 247 Prozent über dem Bedarf. Im bevölkerungsreichsten Bundesland weist nur der Kreis Höxter mit 283 Prozent einen höheren Wert aus. Aber auch im HSK gibt es Unterschiede: In Städten wie Arnsberg sind günstige Wohnungen selten, in Randlagen stehen Häuser leer.
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Für die Untersuchung verglichen die IW-Autoren Ralph Henger und Michael Voigtländer die Zahl der von 2016 bis 2018 fertiggestellten Wohnungen mit dem Bedarf, den sie anhand von Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung und Wohlstand schätzten. Insgesamt fehlen demnach in Deutschland Zehntausende Wohnungen; vor allem in den Metropolen ist der Mangel stark ausgeprägt. So werde der Bedarf an Neubauwohnungen in Köln noch nicht einmal zur Hälfte gedeckt (46 Prozent), hieß es. 2019 und 2020 werden den Angaben zufolge in ganz Deutschland je 342.000 neue Wohnungen benötigt, um den Bedarf zu decken. 2018 wurden aber nur 287.000 Wohnungen fertiggestellt.
IW: Zentren verlieren durch Neubaugebiete am Stadtrand an Bedeutung
„Obwohl es auf dem Land viel Leerstand gibt, entstehen relativ viele Neubauten, die bevorzugt werden, obwohl Umbauten im Altbestand vielerorts sinnvoller sind“, sagte Ralph Henger. Durch Neubaugebiete vor den Toren kleiner Städte verlören die Zentren an Bedeutung und das Leerstand-Problem verschärfe sich. „Kommunen auf dem Land fernab der Metropolen sollten ein besseres Flächenmanagement betreiben, um attraktiv zu bleiben und Leerstände in der Ortsmitte zu vermeiden.“ Der Grundsatz „Umbau vor Neubau“ sei hier wichtig.
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Zudem stehe der Bund in der Pflicht, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Berlin beschließe Gesetze, die in Stadt und Land unterschiedliche Wirkungen entfalten würden. Beispiel Baukindergeld: „Das wirkt wie eine Gießkanne und wird auf dem Land zu noch mehr Neubauten führen“, sagte Henger dieser Zeitung. Sinnvoller wäre es, die Mittel für Programme wie „Jung kauft Alt“ einzusetzen. Dabei bekommen junge Familien Unterstützung beim Kauf von älteren Häusern. „Das sollten alle machen“, fordert Henger.