Düsseldorf. Nirgendwo wird mehr ausgebildet als in NRW. Den wachsenden Pflegebedarf wird das Land damit nicht auffangen können, zeigt eine Studie der AOK.

Obwohl in keinem Bundesland mehr Pflegekräfte ausgebildet werden als in NRW, klafft eine immer größer werdende Lücke zwischen den benötigten Pflegekräften und den tatsächlich vorhandenen. Laut dem aktuellen AOK-Pflegereport wird die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW bis 2040 auf über eine Million Menschen anwachsen. Bis dahin benötigt das Land deshalb ein Drittel mehr Pflegekräfte als aktuell, 2050 sogar fast zwei Drittel mehr.

Die Prognosen berücksichtigen allein den demografischen Wandel in Deutschland. „Außerdem denken wir immer in Vollzeitstellen“, sagt AOK-Sprecherin Christine Göpner-Reinecke. „In der Realität braucht es also noch mehr Köpfe, denn gerade in der Pflege arbeiten viele in Teilzeit.“ Demnach werden bundesweit im Jahr 2050 fast eine Million Vollzeitpflegekräfte benötigt.

Trotz des immer weiter steigenden Pflegebedarfs hebt die AOK-Studie die bisherigen Anstrengungen zur Steigerung der Ausbildungszahlen in NRW hervor. So werden an Rhein und Ruhr deutschlandweit betrachtet mit Abstand die meisten Altenpfleger ausgebildet. Zwischen den Schuljahren 2011/12 und 2017/18 hat es hier eine Zuwachs um die Hälfte gegeben. Im vergangenen Jahr gab es in NRW 18.854 Azubis in der Altenpflege.

Pflegeverbände: Politik ist nicht untätig

Das NRW-Gesundheitsministerium nennt die Einführung des Umlageverfahrens den „zentralen Grund für den einmaligen Ausbau der Ausbildungskapazitäten“, der sich besonders im ambulanten Bereich zeige. Mit der 2012 durch Rot-Grün eingeführten Verfahren wurden die Kosten für die Ausbildungsvergütungen der Schüler auf alle Pflegeeinrichtungen umgelegt. Die aktuelle Regierung hat darüber hinaus eine Pflegekammer auf den Weg gebracht und zuletzt die Anerkennung ausländischer Pfleger vereinfacht. Sind die Möglichkeiten der Landespolitik damit ausgeschöpft?

„Objektiv muss man sagen: Die Politik hat das Thema Pflege inzwischen oben auf der Agenda“, sagt Ludger Risse, Vorsitzender beim Pflegerat NRW. Es hapere nicht an Gesetzten, sondern an einer schnellen Umsetzung – und die soll laut Risse ein neues Bundesinstitut für Pflege leisten, das zwischen den einzelnen Playern in der Gesundheitsbranche vermittelt. Wichtig für Risse: Pflege-Experten müssten bei so einem Institut in Entscheiderpositionen sitzen. „Das darf nicht sein wie bei der Anerkennung für ausländische Fachkräfte“, sagt Risse. „Da entscheidet ein Verwaltungsfachmann über eine Fachkraft aus Albanien. Da müssen aber Menschen mit einer Pflegeperspektive drauf gucken.“

Zeit für „absurde“ Vorschläge?

Auch Burkhardt Zieger vom Regionalverband Nordwest des Berufsverbands für Pflegeberufe findet: „Nach der Politik müssen sich jetzt auch andere bewegen.“ Damit meint Zieger etwa die Pflege- und Krankenkassen. Seine Idee: Mit Geld aus den Krankenkassen könnten wachsende Pflegekosten finanziert werden. „Mit dem Pflegeberufegesetzwerden ambulante und stationäre Pflege zusammengeführt. Warum sollte man dann beides weiterhin aus getrennten Töpfen bezahlen?“. Solche Vorschläge seien nötig, auch wenn sie Beteiligten im ersten Moment „absurd“ vorkommen würden.

Der Berufsverband für Pflegeberufe sieht aber nicht nur die Kassen in Verantwortung. In der gesamten Gesellschaft brauche man eine Diskussion darüber, warum die Pflege weiterhin als Frauenberuf angesehen wird. „2019 ist immer noch nicht in den Köpfen verankert, dass auch Männer den Job machen können. Außerdem sollte man Frauen gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teilhabenlassen“, sagt Zieger – und verweist auf die hohe Teilzeitquote in der Pflege.

Blockieren die Ärzte?

Auch bewegen müssen sich laut Zieger die Ärzte – die aus seiner Sicht blockieren, wenn es darum geht die Tätigkeitsfelder der Pflegenden in der Gesundheitsversorgung auszuweiten. „Dabei wird der Beruf wird erst attraktiver, wenn man den Pflegern mehr Kompetenzen überträgt“.

„Sicher ist es wichtig, die Pflegekompetenzen in den Behandlungsprozess mit einzubeziehen und sicher lässt sich dabei prüfen, welche Tätigkeiten Ärzte an die Pflege übertragen können“, heißt es dazu von der Ärztekammer Nordrhein. Allerdings müsse sich weiterhin ein Arzt für den Behandlungserfolg verantwortlich zeichnen – und damit auch in Haftungsverantwortung stehen. Sprecherin Sabine Schindler-Marlow:„Die Diagnostik und Therapie gehören in die Hand der Ärzte.“