Eslohe/Hagen. Immer mehr Anwälte zieht es in die Großstadt. Berufsverbände warnen vor einem Versorgungsengpass auf dem Land.

Die Berufsverbände der Rechtsanwälte und Notare warnen vor einem Versorgungsengpass im ländlichen Raum. Weil es immer mehr Anwälte zu den lukrativeren Mandanten sowie den großen Kanzleien in die Städte zieht und die Zahl der Anwälte insgesamt stagniert, drohen auf dem Land Lücken. Edith Kindermann, Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins, sagt: „Wir werden das gleiche Problem bekommen wie bei den Hausärzten.“

Die Einzelzulassungen seien zugunsten der Syndikus-Zulassungen, also der Anwälte, die direkt für Unternehmen arbeiten, zurückgegangen, bestätigt Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). „Damit stehen auf dem Land immer weniger Rechtsanwälte zur Verfügung.“ Der Mitgliederstatistik der BRAK zufolge arbeiten schon jetzt 70 Prozent der Anwälte in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern. Die Berufsverbände fordern nun höhere Gebührensätze, um die Landflucht zu stoppen.

NRW vom Engpass noch nicht betroffen

Engpässe gebe es bereits in Mecklenburg-Vorpommern, sagt BRAK-Chef Ulrich Wessels. Noch sei Nordrhein-Westfalen nicht von den Versorgungslücken betroffen, aber: „Hält die aktuelle Entwicklung weiter an, sind diese nicht mehr auszuschließen.“ Und dann dürfte das Sauerland – wie schon jetzt bei den Hausärzten – besonders stark betroffen sein.

Der Trend wird verschärft durch den Umstand, dass auf dem Land vor allem Allgemeinanwälte mit einem breiten Einsatzspektrum gefragt sind, während sich in den Städten immer mehr Spezialisten niederlassen. „Wir haben hier viele Kleinmandanten mit sehr unterschiedlichen Anliegen“, sagt Bernd Pheiler, Rechtsanwalt in der Sauerland-Gemeinde Eslohe (etwa 10.000 Einwohner). „Die machen uns viel Arbeit, bringen aber nur geringe Einnahmen.“ Die größeren Mandanten, vor allem Gewerbetreibende, „werden von den Großkanzleien in den Städten abgeschöpft“, so Pheiler.

Kammer-Chef fordert höhere Gebühren

Die zunehmende Digitalisierung der Branche könne nur bedingt helfen: „Bei einem Nachbarschaftsstreit im Dorf sucht sich niemand seinen Anwalt im Internet, sondern direkt im Ort.“ Höhere Gebühren seien ein Schritt in die richtige Richtung.

Kammer-Chef Wessels formuliert diese Forderung deutlicher: Die Rechtsanwaltsvergütung bedürfe „dringend einer angemessenen Anpassung“, sagt er. „Die Kollegen müssen wirtschaftlich arbeiten können. Anderenfalls ist der Zugang der Bürger zum Recht gefährdet – gerade auch in der Fläche.“