Düsseldorf. Muslimbrüder sind möglicherweise gefährlicher als Salafisten: Die Behörden sind alarmiert. 14 Moscheegemeinden in NRW werden ihnen zugerechnet.

Der Landesverfassungsschutz warnt eindringlich vor einem wachsenden Einfluss der extremistischen Muslimbruderschaft in Nordrhein-Westfalen. Die islamistische Organisation rekrutiert nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer unter Flüchtlingen und verzahnt sich in manchen Gemeinden mit Salafisten.

Während die salafistische Szene mit ihrem grobschlächtigen Islamismus nach dem Niedergang des sogenannten „Islamischen Staates“ an Attraktivität verliert, haben die Muslimbrüder Zulauf. Sie treten wesentlich moderater und intellektueller auf als Salafisten, sind aber nicht minder gefährlich, warnt Burkhard Freier, der Leiter des Landesverfassungsschutzes. Im Gegenteil: „Möglicherweise geht von den Muslimbrüdern eine größere Gefahr für die Demokratie aus, als von Salafisten“.

Nach außen gemäßigt, nach innen radikal

Die Vertreter der Muslimbruderschaft gäben sich nach außen gemäßigt, um „Abwehrreflexe zu minimieren“. In den engeren Führungszirkeln werde aber offen über die eigentlichen Ziele gesprochen, so Freier: „Sie sind eindeutig verfassungsfeindlich. Sie wollen langfristig einen bürgerlichen Staat der von islamischen Werten und der Scharia geprägt ist. Das ist demokratiefeindlich“, betont der Verfassungsschützer.

Auch interessant

Die 1928 in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft gilt als eine der weltweit einflussreichsten sunnitischen Islamistenvereinigungen. Aus ihren Reihen stammt unter anderem Sayyid Qutb, der 1966 hingerichtete Vordenker des modernen Dschihadismus. In Ägypten wurde die Muslimbruderschaft 2013 verboten.

14 Moscheegemeinden in Nordrhein-Westfalen

Zwar zählt der Landesverfassungsschutz nur rund 60 Menschen in NRW als Mitglieder der Muslimbruderschaft, diese beeinflussten aber Tausende Menschen. Die Bruderschaft hat sich in NRW und Deutschland in den vergangenen Jahren eine verflochtene Struktur unterschiedlicher Organisationen geschaffen und ist international gut vernetzt. Finanziert wird sie laut Sicherheitsbehörden unter anderem aus türkischen und arabischen Quellen.

In Nordrhein-Westfalen sollen nach Informationen unserer Redaktion 14 Moscheegemeinden zum Umfeld der Muslimbruderschaft gehören. Darunter sind Gemeinden in Bochum, Dinslaken, Düsseldorf, Essen und Mülheim. In Dinslaken war die dortige Gemeinde in der Vergangenheit in Projekte zur Demokratieförderung eingebunden. „Das Problem ist, dass sie in Deutschland etabliert sind und gute Zugänge zur Politik und den Behörden haben“, so Verfassungsschützer Freier.

Überschneidungen mit der salafistischen Szene

In mindestens drei Moscheen – Al Muhajirin in Bonn, Abubakr in Köln und Ar Rahman in Münster – soll es nach Informationen unserer Redaktion Überschneidungen mit der salafistischen Szene geben. In vier weiteren Gemeinden gibt es den Verdacht, dass sie mit Salafisten zusammenarbeiten. Während sich die Muslimbrüder in der Hochzeit des sogenannten „Islamischen Staates“ öffentlichkeitswirksam als Gegenpol der Salafisten positionierten, lernen die Extremisten jetzt voneinander, befürchten die Sicherheitsbehörden. Die Muslimbrüder, wie man die Jugend erreicht, die Salafisten, wie man sich organisiert.

Flüchtlinge werden gezielt angesprochen

Nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer sprechen die Muslimbrüder in NRW vermehrt Flüchtlinge aus arabischen Ländern an. Schon im Oktober 2016 hatte ihr wichtigster Dachverband, die „Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG)“, die damals noch als „Islamische Gemeinschaft Deutschlands (IGD)“ firmierte, in Dortmund bei ihrer Jahreskonferenz gefordert, dass man die große Zahl an Flüchtlingen als Chance und Bereicherung für die Organisation nutzen müsse.

Im sauerländischen Arnsberg verfügen die Muslimbrüder über eine eigene Bildungs- und Begegnungsstätte, die 2014 vom „Verband interkultureller Zentren (VIZ)“ erworben wurde, und die als bundesweites Tagungszentrum der DMG gilt.

Mitglied im Zentralrat der Muslime

Die DMG ist ein Mitgliedsverband des Zentralrats der Muslime (ZMD), einem wichtigen Ansprechpartner für die Politik. Der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek betonte im Gespräch mit unserer Redaktion, dass der Zentralrat „jede Form der politischen Ideologisierung von Religion strikt“ ablehne. Den Vertretern der DMG habe man bereits vor Jahren nahegelegt, sich mit den Sicherheitsbehörden ins Benehmen zu setzen, um Transparenz zu erzeugen. Dies sei aber erst in diesem Jahr erfolgt. Die damit parallel angestoßenen Diskussionen hätten dazu geführt, dass sich Moscheegemeinden von der Muslimbruderschaft oder salafistischen Gruppen emanzipiert hätten. Dies sei ein erfolgversprechender Weg.

Mazyek: Ausschluss von Gemeinden wäre ungerecht

Einen Ausschluss von den der DMG zugehörigen Moscheegemeinden aus dem Zentralrat hält Mazyek hingegen nicht für zielführend: „Ganze Moscheegemeinden auszuschließen wegen bestimmter Funktionäre der Muslimbrüder wäre ungerecht und würde sie nur in die Arme dieser Leute treiben.“ Zudem warnt Mazyek: „Die Muslimbruderschaft großzuschreiben und sie ständig zu überhöhen, hieße, ihren, wie wir es beobachten, abnehmenden Einfluss zu überschätzen.“