Berlin. Kanzlerin Merkel und ihre Minister haben viele Vorschläge, aber bislang keinen Plan. Grundsatzentscheidung soll im September fallen.
Es war eine Erinnerung, auf die die Angesprochenen wahrscheinlich gerne verzichtet hätten: „DE muss Emissionen reduzieren“, twitterte Luisa Neubauer, eines der bekanntesten deutschen Gesichter der „Fridays for Future“-Bewegung, am Mittwoch. „Klärt das.“
Gemeint war die Bundesregierung, speziell die Mitglieder des sogenannten Klimakabinetts. Das sollte, unter dem Eindruck der Grünen-Erfolge bei der Europawahl, bei seinem zweiten Treffen besprechen, wie Deutschland beim Klimaschutz aus der Defensive kommt.
Was nach der Sitzung feststeht: Die Klimaziele für 2030 sollen weiterhin erreicht werden, „einen wesentlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit“ sieht die Bundesregierung darin. Noch offen ist, wie genau das passieren soll. Wir erklären, welche Vorschläge es in den wichtigsten Bereichen gibt, um den CO2-Ausstoß zu verringern.
Klimaziele für 2030 – das sind die Vorschläge des Klimakabinetts
Gebäude: Horst Seehofer (CSU) ist nicht nur Innen-, sondern auch Bauminister und deswegen zuständig dafür, dass der Kohlenstoffdioxidausstoß im Gebäudebereich sinkt. Seehofer will dazu energetische Gebäudesanierungen attraktiver machen, indem sie steuerlich absetzbar werden. „Der Austausch von alten Heizungen, Fassaden und Dachstühlen“ wäre „ein kraftvoller Schritt“, sagte der Minister. Kosten würde das bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr.
Energie: Das Wirtschaftsministerium, zuständig auch für Energiepolitik, erreicht – anders als Deutschland insgesamt – schon die für 2020 gesteckten Ziele. Einen erheblichen Teil der Arbeit für die nächsten Jahre hat dem Ministerium außerdem die Kohlekommission abgenommen, die einen Fahrplan beschlossen hat, nach dem Deutschland bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen soll.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte am Mittwoch außerdem, der Ausbau erneuerbarer Energien müsse schneller vorangehen: „Wir brauchen 65 Prozent Erneuerbare, und das sehr schnell“, so Schulze.
Verkehr: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat zum Treffen am Mittwoch eine Liste mit mehr als 50 Maßnahmen mitgebracht, mit denen die Klimaziele im Verkehr erreicht werden sollen. Dazu gehört die Stärkung von Verkehrsmitteln wie Fahrrad und ÖPNV, eine Verdopplung der Kaufprämie für Elektroautos mit einem Preis von unter 30.000 Euro sowie billigere Bahntickets.
Zumindest in Teilen ist die Rechnung, die das Verkehrsministerium macht, allerdings optimistisch kalkuliert. So müssen etwa die Biokraftstoffe, die in Scheuers Rechnung mit Millionen gesparten Tonnen CO2 zu Buche schlagen, erst noch marktreif werden. Man wolle „mehr Mobilität bei weniger Verkehr“, so ein Sprecher von Scheuer.
Ob das auch bedeutet, dass auf den Straßen letztendlich weniger Autos unterwegs sein sollen, ließ er offen.
Landwirtschaft: Das Haus von Julia Klöckner (CDU) hatte schon zum ersten Treffen des Klimakabinetts eine Liste mit Maßnahmen geliefert. Klöckner setzt unter anderem auf weniger Stickstoffüberschüsse und Emissionen durch passgenaueres Düngen, die verstärkte Nutzung von Biogasanlagen und weniger Lebensmittelabfälle.
Welche Vorschläge umgesetzt werden – völlig offen
Auf dem Tisch liegen also eine ganze Reihe Vorschläge – doch welche davon am Ende umgesetzt werden, ist noch offen. Es müsse ein „kluges und wirksames“ Gesamtkonzept geben, heißt es vom Finanzministerium, das die Projekte in der Haushaltsplanung unterbringen muss. Von einer CO2-Steuer, wie sie viele Experten fordern, war zumindest öffentlich nicht mehr die Rede.
Die Ankündigungen des Klimakabinetts lassen jedenfalls erahnen, wie prall gefüllt der Terminkalender in den kommenden Monaten sein wird. Bis September will sich die Koalition auf die Grundsatzentscheidung über die Gesetze und verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen verständigt haben und sie im Kabinett verabschieden.
Umweltministerin Schulze dringt zudem auf das geplante Klimaschutzgesetz. Für Umweltverbände wie den WWF Deutschland ist klar: Ohne eine gesetzliche Verankerung des Klimaschutzes in Form eines nationalen Klimaschutzgesetzes würde sich Deutschland weiter im Kleinklein verheddern.
Das legen drei juristische Gutachten nahe, die der WWF unmittelbar vor der Tagung des Klimakabinetts veröffentlichte. „Ein Rahmengesetz schafft Verbindlichkeit sowie Planungs- und Investitionssicherheit – beides fehlt uns aktuell“, kritisierte WWF-Klimaexperte Michael Schäfer. Ein Gesetz spreche lauter als 1000 Anordnungen.
Klimaschutzgesetz als Kern notwendig
Das Argument der Juristen: Deutschland brauche ein übergreifendes nationales Klimaschutzgesetz als Kern, weil die Bundesländer in ihren Befugnissen bei diesem Thema stark eingeschränkt seien und etwa nur in der Bauordnung oder Bildung eine eigenständige Politik verfolgen könnten. Die Länder bräuchten aber die Kompetenz, um etwa Aufgaben an die Gemeinden zu übertragen.
Wie weit Deutschlands Nachbarn bereits sind, zeigten die Gutachten auch. Demnach haben in Europa sieben Länder Klimaschutzgesetze verabschiedet: Großbritannien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Schweden und Norwegen.
CDU-Parteichefin
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