Berlin. Der Gesetzentwurf zur Grundrente von Minister Heil bringt Vorteile für Rentner und sieht höhere Steuern vor. Widerstand in der Union.

Im Februar hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits Grundzüge für seine Pläne zur Grundrente präsentiert. Im Mai wollte er einen konkreten Vorschlag für ein Gesetz vorlegen – das ist nun geschehen. Dieser Entwurf mitsamt einem Finanzierungskonzept liegt seit Dienstag im Kanzleramt. Jetzt geht die politische Diskussion darüber los. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welches Ziel hat die Grundrente und welches Problem soll sie lösen?

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart: „Wir honorieren Lebensleistung und bekämpfen Altersarmut“. Jeder, der 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, soll am Ende „zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs“ zugesichert bekommen. Voraussetzung laut Koalitionsvertrag: „eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung“.

Im Gesetzentwurf steht nun nichts von zehn Prozent und auch nichts von Bedürftigkeit. Heil will „die Arbeit zu unterdurchschnittlichen Löhnen“ bei der Rente „angemessen würdigen“. Und er will dafür sorgen, dass Menschen „trotz einer nur kleinen Rente“ auch im System der Grundsicherung „besser dastehen“ als jene, die wenig oder gar nicht gearbeitet und entsprechend wenig in die Rentenkasse eingezahlt haben.

Wer bekommt die Grundrente?

Aktuell bekommen rund 550.000 Menschen Grundsicherung im Alter. Das heißt, sie müssen von 424 Euro im Monat leben plus Kosten für Wohnung und Krankenversicherung. Der Personenkreis, den Minister Heil im Blick hat, ist viel größer. Von der Grundrente sollen rund drei Millionen Menschen mit kleiner Rente profitieren. Davon sollen 80 Prozent Frauen sein. In Westdeutschland könnten elf Prozent der Rentner die Grundrente bekommen, im Osten rund 15 Prozent.

Wie funktioniert die Grundrente?

Vereinfacht gesagt: Kleine Renten werden mit einem Zuschlag erhöht. Das soll auch für Rentner gelten, die schon jetzt eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommen.

Arbeitsminister Hubertus Heil stellte am Mittwoch das neue Konzept der SPD zur Grundrente vor.
Arbeitsminister Hubertus Heil stellte am Mittwoch das neue Konzept der SPD zur Grundrente vor. © dpa | Carsten Koall

Etwas komplizierter ausgedrückt: Wer als Arbeitnehmer zwischen 24 Prozent und 80 Prozent des Durchschnittslohns verdient hat, bekommt seine daraus entstandenen Rentenpunkte aufgewertet. Wer nur wenige Punkte hat (bis 40 Prozent des Durchschnittslohns oder 0,4 Rentenpunkte), bekommt sie stärker erhöht. Maximum sind 0,8 Rentenpunkte für 35 Jahre. Wer weniger als 0,24 Entgeltpunkte angesammelt hat, bekommt keine Grundrente. So sollen Menschen ausgeschlossen werden, die nur in Minijobs gearbeitet haben.

Wichtig: Auch bei der Grundrente gelten die normalen Voraussetzungen für den Renteneintritt, also die normale Regelaltersgrenze oder die Regeln für die Rente mit 63. Wer diese Voraussetzungen erfüllt und außerdem mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt oder Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, der könnte die Grundrente bekommen.

Ein extra Antrag soll nicht nötig sein, die Rentenversicherung soll die Grundrente automatisch berechnen. Wie bei der Mütterrente soll sie für derzeitige und für künftige Rentner gelten.

Was kostet die Grundrente?

Minister Heil rechnet im ersten Jahr 2021 mit Kosten von 3,8 Milliarden Euro. Insgesamt soll die Grundrente in fünf Jahren 21 Milliarden Euro kosten. Finanziert werden soll das aus Steuergeld und aus Beiträgen der Arbeitslosen- und Krankenversicherung.

Konkret: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hofft auf die Einführung einer noch nicht existierenden, europaweiten Steuer auf Börsenumsätze. Er will auch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen erhöhen. Außerdem soll die Bundesagentur für Arbeit der Rentenversicherung höhere Beiträge für die Empfänger von Arbeitslosengeld I überweisen. Die Beiträge, die Rentner und die Rentenversicherung an die Krankenkassen zahlen, sollen sinken.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wirbt für Grundrente

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    Welche weiteren Vorteile für Rentner sind geplant?

    Wie erwähnt sollen Rentner geringere Beiträge an die Krankenkassen zahlen. Der Beitragssatz soll von 14,6 auf 14,0 Prozent sinken. Jeder Rentner würde also um 0,3 Prozentpunkte entlastet (die andere Hälfte zahlt die Rentenversicherung).

    Und: Die Rente soll bei 35 Versicherungsjahren nicht mehr voll auf die Grundsicherung angerechnet werden. Eingeführt werden soll ein Freibetrag: 25 Prozent der individuellen Rente, maximal 106 Euro, sollen verbleiben.

    Welche Reaktionen gibt es auf den Gesetzentwurf zur Grundrente?

    Die Union lehnt den vorliegenden Vorschlag vehement ab. Vor allem die Finanzierung steht in der Kritik. Von „Taschenspielertricks“ ist die Rede. Die FDP wirft der SPD „Hütchenspielertricks“ vor. Die Arbeitgeberverbände empfehlen die Benutzung eines Taschenrechners. Lob kommt von Gewerkschaften.

    Hintergrund:

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    Wie realistisch ist es, dass die Grundrente kommt?

    Das ist schwer zu sagen. In der vorliegenden Form wird sie nicht kommen. CDU und CSU fordern eine Bedürftigkeitsprüfung, die Heil nicht vorgesehen hat. Andererseits kann und will die Union die Grundrente nicht blockieren. Es wäre der dritte Versuch einer solchen Hilfe für Mini-Renten, der dann scheitern würde.

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