Berlin. Wohin steuert Deutschland?: Diese Frage sollten Sigmar Gabriel und Roland Koch beantworten. Beide redeten bei Maischberger Klartext.
Bei „Maischberger“ hat der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ausgeteilt. Seine Kritik ging aber nicht nur in die Richtung der eigenen Partei – auch über die Union ließ Gabriel Worte fallen und sagte, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer immer noch Generalsekretärin ihrer Partei sein. Und das obwohl sie auf dem CDU-Parteitag im Dezember 2018 zur CDU-Chefin gewählt wurde.
Selbst Moderatorin Sandra Maischberger schaute verdutzt, als Gabriel sagte, dass Kramp-Karrenbauer noch immer „de facto Generalsekretärin“ sei. Wie meint der Ex-SPD-Chef das? Die Kanzlerin bestimme nach wie vor, wo es lang gehe: in der Partei und im Land - so zumindest Gabriels Auffassung.
Maischberger: Gabriel fällt hartes Urteil über Kramp-Karrenbauer
Es könne sein, dass sich die CDU-Chefin in den zwei Jahren bis zur Wahl „die Hacken abgelaufen habe“. Sollte die Union Kramp-Karrenbauer aber vorzeitig ins Kanzleramt hieven wollen, müsse sie sich dafür neue Mehrheiten suchen.
Er rate seiner Partei ohnehin nicht, Angst vor Umfragen zu haben. Da klang Gabriel wieder so, wie man ihn kennt: kampfeslustig und wahlkampferprobt. Vorher ging es im Maischberger-Talk natürlich auch um Kevin Kühnert. Es gab nämlich auch Zeiten, da wollte auch Sigmar Gabriel das kapitalistische Wirtschaftssystem überwinden. Da klang der ehemalige SPD-Chef wie der heutige Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert.
Auch Gabriel träumte von einer Gesellschaft, in der Knappheiten, Wettbewerb und Eigentum keine Rolle mehr spielen. Fairerweise muss man sagen: Das Zitat, auf das Sandra Maischberger am Mittwochabend so genüsslich verwies, ist alt. Sehr alt sogar. Es stammt aus dem Jahr 1985 – und damit aus der politischen Mottenkiste.
Sigmar Gabriel ist heute 59 Jahre alt, er war von 2009 bis 2017 SPD-Vorsitzender. So lange hat es nach Willy Brandt keiner an der Spitze der ältesten Partei Deutschlands ausgehalten. Gabriel ist gleichzeitig ein Mann der Vergangenheit. In der SPD „wird“ er nichts mehr. Die Genossen haben damit eines ihrer größten Talente aufs Abstellgleis gestellt, wie „Stern“-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges in einem Einspieler bemerkte. Auch interessant:
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Kühnerts Auftritt bei „Anne Will“: Gabriel kontert
Die Lust am Streit hat Gabriel indes noch lange nicht verloren. Bei Sandra Maischberger zeigte der langjährige SPD-Chef, dass er in der Diskussion beides beherrscht: Florett und Hammer. Zusammen mit Roland Koch, dem ehemaligen CDU-Ministerpräsident von Hessen, sollte Gabriel die Frage „Wohin steuert Deutschland?“ beantworten.
Und zu Beginn bekam gleich der Mann sein Fett weg, der die Schlagzeilen für die SPD in den letzten Tagen bestimmte: Kevin Kühnert. Der Juso-Vorsitzende hatte in der „Zeit“ laut darüber nachgedacht, Unternehmen wie BMW in Kollektiveigentum zu überführen und das Geschäft mit Wohnraum der Marktlogik zu entziehen. Beides Vorschläge, von denen Gabriel – gelinde gesagt – wenig hält.
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„Diese Ideen sind aus dem 19. Jahrhundert“, polterte er. Wo Sozialismus erprobt wurde, habe er zu Armut und Unfreiheit geführt. „Der Rückgriff auf den Nationalstaat ist falsch – von links und von rechts“, so Gabriel. Ressentiments zu schüren, gegen die eigene Partei vorzugehen und Fakten zu ignorieren, sei die „Methode Trump“. Kühnert beherrsche die politische Kommunikation, obwohl er sein Studium in Kommunikationswissenschaften nie abgeschlossen hat, stichelte Gabriel.
Wahr sei: Es gebe ein Marktversagen. Täglich würden Menschen enteignet – über steigende Mieten. Die Lösung sei aber nicht Verstaatlichung. „So bekommen wir nicht eine Wohnung mehr“. Kühnerts Ideen führten „in die Irre“. Es brauche Regulierung. Der Kapitalismus müsse immer wieder gezähmt werden. Auf nationaler und internationaler Ebene.
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Zwei Talente, die es nicht bis an die Spitze schafften
Sigmar Gabriel und Roland Koch galten lange Zeit als große Talente in ihren Parteien. Beiden wurde nachgesagt, nach Höherem zu streben. Und beide bejahten auch die Frage, ob sie je Kanzler werden wollten. „Bestimmt mal zwischendurch“, sagte Gabriel verschmitzt. „Ist mir auch mal im Kopf rumgespukt“, meinte Koch. Doch beide scheiterten – an sich und an ihren Parteien.
Die Karriere von Sigmar Gabriel
Die Krise der SPD beschrieb Gabriel mit einem Blick in die Ortsvereine. Wo früher ein Abbild der Gesellschaft saß – Ärzte, Handwerker, Hausfrauen, Arbeitnehmer – , herrsche heute ein anderes Klima. Er habe die Partei gefragt: „Was passiert eigentlich, wenn jemand in der Sitzung aufsteht und sagt, dass er gern Fleisch isst, raucht, nach Mallorca in den Urlaub fliegt und an der Werkbank vielleicht noch ein Playboy-Poster hängen hat?“ Gabriel weiter: „Wird der direkt rausgeschmissen oder Opfer von zehn Pädagogisierungsversuchen?“
Die SPD, so Gabriels These, habe den Kontakt zur Gesellschaft verloren. Sie sei durchakademisiert. Andrea Nahles, der heutigen Vorsitzenden, wolle er die Probleme aber nicht anhängen. Gabriel: „Ich wäre froh, wenn es so einfach wäre“.
Koch: GroKo und Flüchtlingspolitik haben CDU geschwächt
Auch die andere Volkspartei, die CDU, steckt in der Krise. Und Roland Koch, der bis 2010 Ministerpräsident von Hessen war, ehe er sich in die Wirtschaft verabschiedete, hatte dafür eine Erklärung. Die Große Koalition sei zum Dauer-Zustand geworden. Man habe den Menschen dadurch die Alternative genommen, mit kleinen Stellschrauben die jeweils eine oder andere Seite mit einer Mehrheit auszustatten.
Koch kritisierte indirekt auch den Mitte-Kurs von
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. Sie habe für die CDU zwar Stimmen gewonnen, durch die Migrationspolitik aber auch Wähler verprellt. Die Flüchtlingspolitik sei für die Union zur „Bruchstelle“ geworden. Und sie habe den Aufstieg der AfD begünstigt.
Das sagt Sigmar Gabriel über die SPD
Koch galt in der Partei immer als Merkel-Widersacher. Dass er sie im Wahlkampf 2002 nicht unterstützte und auf Edmund Stoiber als Kanzlerkandidaten der Union setzte, gab er offen zu. Auf Sandra Maischbergers Frage, ob Angela Merkel am Ende des Jahres noch Kanzlerin sei, brummte Koch nur: „Das kann man heute nicht voraussagen“. Auch Sigmar Gabriel war sich da nicht so sicher.
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Und Andrea Nahles, die bislang so glücklose SPD-Vorsitzende? Sie sei am Ende des Jahres noch immer Parteichefin, glaubt Gabriel. Sein Lächeln allerdings war doppeldeutig. Ganz so, als wüsste Gabriel, wer es sowieso besser könnte.
Er selbst.
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