Washington. John Ring wurde kurz vor Ende seiner Stationierung als Kommandeur von Guantanamo gefeuert. Er wollte Millionen ins Lager investieren.
Seit Amerika im Gefolge des 11. September 2001 das Gefangenenlager Guantanamo errichtete, Hunderte Terrorverdächtige aus aller Herren Länder ohne Gerichtsprozess einsperrte und zu Beginn in Käfigen hielt, gab es 17 Kommandeure, die über alles wachten, was im US-Militärgefängnis auf Kuba geschah. Von ihren routinemäßigen Wechseln nahm die Öffentlichkeit keine Notiz. Das ist bei Nr. 18, Konteradmiral John Ring, anders.
Sieben Wochen vor Ablauf seiner Stationierung in der Karibik wurde der ehemalige Kommandeur des Flugzeugträgers USS „Nimitz“ am Wochenende vorzeitig rausgeworfen. Achtkantig. Eine seit Wochen laufende interne Ermittlung, so das für „Gitmo“ zuständige Kommando in Florida, habe ergeben, dass kein „Vertrauen mehr in die Führungsfähigkeit“ Rings besteht.
Über die genauen Gründe der ungewöhnlichen Entlassung schweigen sowohl Militär-Spitze als auch Verteidigungsministerium bisher hartnäckig.
Schlechte Presse für Guantanamo
Dafür schießen die Spekulationen ins Kraut. Im Mittelpunkt steht die journalistische Ernte einer Presse-Reise, die das Pentagon gewährte, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild davon machen kann, wie es 17 Jahre nach Eröffnung des Terror-Gefangenenlagers zugeht. Was die Berichterstatter mitbrachten, angeführt von der bestens über Guantanamo informierten Carol Rosenberg von der „New York Times“, hat es in sich.
In Interviews ließ Ex-Kommandeur Ring durchblicken, dass millionenschwere Investitionen nötig sind, will man die von rund 700 auf 40 geschrumpfte Schar der Gefangenen (zwischen 37 und 71 Jahren alt) gemäß der Genfer Konventionen medizinisch adäquat betreuen. Von den 40 Inhaftierten wurden mehr als die Hälfte niemals angeklagt.
Gleichwohl hält die US-Regierung die Männer unverändert für hochgefährlich. Sie sollen bis zu ihrem Lebensende in Guantanamo bleiben. Was das bedeutet, hatte Brigadegeneral Mark Martins unserer Redaktion bei einem Besuch in Guantanamo 2011 so beschrieben: „In einigen Jahren werden wir hier wahrscheinlich über Hüftoperationen und künstliche Kniegelenke reden müssen.“ Martins war damals Chef der US-Militär-Tribunale.
Prozesse stecken im juristischen Sumpf
In einem eigens gebauten Hochsicherheitsgericht soll vor allem sogenannten „Hochwert-Gefangenen“ um Khalid Scheich Mohammed der Prozess gemacht werden. Er gilt als Architekt der 9/11-Flugzeug-Attentate von New York und Washington und muss im Falle einer Verurteilung mit der Todesstrafe rechnen.
Seit 2013 laufen gegen ihn und andere Vorverhandlungen, die regelmäßig im juristischen Sumpf stecken bleiben. Im Falle des mutmaßlichen Hintermanns der Terror-Anschläge auf das US-Marine-Schiff USS „Cole“ aus dem Jahr 2000, Abd al-Rahim al-Nashiri, wird aktuell im achten Jahr „vorverhandelt“. Echte Prozesse liegen in weiter Ferne.
Donald Trump will Guantanamo bis 2043 bestehen lassen
Unterdessen werden Scheich Mohammed und die übrigen 39 „Gitmo“-Insassen, von denen einige an den Folgen von folterähnlichen Verhörmethoden durch den Geheimdienst CIA leiden, älter und gebrechlicher. Bluthochdruck, zu hohes Cholesterin, Gelenkprobleme und Schlaf-Apnoe gehören heute schon zu den Standards. Zwar gibt es kleine Operationssäle. Aber für größere Eingriffe, so sagte John Ring den Medienvertretern, sei man nicht ausgerüstet.
Wörtlich erklärte der geschasste Kommandeur: „Viele meiner Jungs (gemeint sind die Häftlinge – d. Red.) sind prädiabetisch. Soll ich die Dialyse hier unten vornehmen? Ich weiß es nicht. Irgendjemand muss mir das sagen. Werden wir komplexe Krebsbehandlungen hier unten vornehmen? Ich weiß es nicht, irgendjemand muss mir das sagen.“
Ring hob darauf ab, dass Präsident Donald Trump verfügt hat, dass
an dessen
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, weitere 25 Jahre geöffnet bleiben soll. Das wäre 2043. Der älteste 9/11-Terror-Häftling wäre dann 96 – und ein Fall für Rund-um-die-Uhr-Geriatrie.
Hospiz-Kapazitäten im Gefängnis
All das ginge ins Geld. Für Scheich Mohammed und 14 weitere Häftlinge, die im für Journalisten-Touren unzugänglichen Camp VII interniert sind, soll ein neues Mini-Gefängnis mit Hospiz-Kapazitäten gebaut werden. Geschätzte Kosten: rund 90 Millionen Dollar. Der Kongress will die Mittel nicht freigeben. Offiziell, weil es wichtigere Verteidigungs-Investitionen gebe.
Inoffiziell sagen Abgeordnete, dass es der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln wäre, dass man Leuten, die man zum Tode verurteilen will, 1-a-Gefängnis-Betreuung im Alter gewährt. Kommandeur John Ring hat auf diese Problematik durch seine ungewöhnlich freimütige Öffentlichkeitsarbeit indirekt hingewiesen. Musste er deshalb gehen? Das Pentagon sagt: Nein.
(Dirk Hautkapp)