Essen. . Innenminister Seehofer will härtere Abschieberegeln. Die SPD stimmt dem Vorhaben zu. Der Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel kritisiert das scharf.

Der nordrhein-westfälische SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Gesetz für schnellere Abschiebungen und geht auch mit der eigenen Partei hart ins Gericht. Das von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf den Weg gebrachte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ sei „menschenverachtend“, sagte der Vorsitzende des Petitionsausschusses im Landtag im Gespräch mit unserer Redaktion. Seine Partei hätte diesem Gesetz nicht zustimmen dürfen, ärgert sich der Sozialdemokrat.

Serdar Yüksel
Serdar Yüksel © Lukas Schulze

Herr Yüksel, die Große Koalition hat mit dem „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ein Gesetz verabschiedet, das schnellere Abschiebungen ermöglichen soll. Es ist eine deutliche Verschärfung der bisherigen Regeln. Repressionen gegen Flüchtlinge, die nicht aktiv an der Beschaffung von Ersatzpapieren mitwirken, erweiterte Sicherungshaft, Bestrafung von Beamten, die vor Abschiebungen warnen. Wie beurteilen Sie dieses Gesetz?

Serdar Yüksel: Ich stoße mich zunächst am Namen des Gesetzes. Diese Anlehnung an das „Gute-Kita-Gesetz“ ist eine Perversion von Begrifflichkeiten. Da wird menschenverachtende Politik mit einem schönen Titel überkleistert. Als Vorsitzender des Petitionsausschusses im Landtag beschäftige ich mich seit neun Jahren mit der Thematik. Was mich ungemein ärgert ist, dass die ganzen Verschärfungen der vergangenen drei Jahre überhaupt nicht wahrgenommen und honoriert werden. Wir haben bereits eine faktische Abschaffung von Schutzrechten betrieben. Seehofer will es noch härter. Ein AfD-Innenminister hätte es vermutlich nicht anders gemacht.

http://Seehofers_Abschiebe-Regeln_abgesegnet_–_Wie_streng_sind_sie?{esc#216972505}[news]Allerdings hat auch die SPD im Bundeskabinett dem Gesetzentwurf zugestimmt, um ihrerseits von der CDU grünes Licht für eine Debatte zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu bekommen.

Yüksel: Diese Art der Kopplungsgeschäfte ist völlig inakzeptabel. Die Aufgabe der SPD kann es nicht sein, einem solchen Gesetz lediglich ein bisschen die Giftigkeit zu nehmen. Wenn die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder das als ihre Aufgabe verstehen, dann haben sie ihren Auftrag nicht verstanden. Es hat nichts mit sozialdemokratischer Politik zu tun, ein menschenverachtende Gesetzesvorhaben im Bundeskabinett abzunicken. Auch das Schweigen von Andrea Nahles zu dieser Thematik ist nicht akzeptabel.

Stehen Sie mit Ihrer Kritik in der SPD in Nordrhein-Westfalen allein auf weiter Flur?

Yüksel: Nein. In Nordrhein-Westfalen gibt es erheblichen Widerstand. Es rumort, insbesondere in der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, aber auch in anderen SPD-Gruppierungen. Wir sind in Nordrhein-Westfalen seit jeher einen anderen, einen menschlicheren Weg gegangen. Wir haben ein eigenes Aufnahmeprogramm für syrische Geflüchtete aufgelegt und deutlich mehr aufgenommen, als es vorgeschrieben war. NRW ist nicht nur das soziale Gewissen Deutschlands, es wird hier auch menschlichere Politik gemacht, als in Berlin. Das zeigt sich auch ein bisschen unter der neuen Landesregierung, in der Flüchtlingsminister Stamp einen Erlass für bessere Bleiberechte für gut Integrierte Geduldete auf den Weg gebracht hat.

Nun gibt es aber in Deutschland 240.000 ausreisepflichtige Menschen. Braucht es da nicht Gesetzesverschärfungen?

Yüksel: Nein. Das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist eine Blendgranate, die von den eigenen Verfehlungen und in der Ineffektivität in Berlin ablenken soll. Die Bundesregierung scheitert an ihrem eigenen Anspruch, wenn sie nicht in der Lage ist, effektive Rückübernahmeabkommen mit anderen Ländern zu vereinbaren und die Ausstellung von Passersatzpapieren zu ermöglichen. Außerdem sind 184.000 der ausreisepflichtigen Menschen geduldet. Dafür gibt es gute Gründe. Etwa, wenn sie einen Ausbildungsplatz haben oder schwerkrank sind.

Was stört Sie an dem Gesetz am meisten?

Yüksel: Es ist ein Skandal, dass abgelehnte Asylbewerber jetzt nicht nur in Abschiebegefängnissen, sondern auch in regulären Haftanstalten untergebracht werden sollen. Das ist weder menschenrechts- noch EU-rechtskonform. Die einzige Schuld, die diese Menschen auf sich geladen haben, ist die, auf ein besseres Leben zu hoffen. Dafür sollen sie mit Vergewaltigern und Mördern zusammengesperrt werden. Das zeigt, welches Menschenbild hinter einen solchen Politik steht.