An Rhein und Ruhr. . Laut einer Studie werden fast 40 Prozent aller Pflegekräfte einmal im Monat von Patienten sexuell belästigt. Gewerkschaft fordert mehr Rückhalt.

Gierige Blicke, anzügliche Bemerkungen, Griffe an den Po – immer wieder werden Pflegekräfte von Patienten sexuell belästigt: „Im ambulanten Bereich haben rund vier Fünftel der Pflegenden angegeben, in den vergangenen zwölf Monaten verbale, non-verbale oder körperliche Belästigungen erlebt zu haben“, sagt Dr. Heike Schambortski von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).

„In der stationären Pflege liegt der Wert nur etwas darunter.“ Schambortski beruft sich auf eine unveröffentlichte, nicht repräsentative Vorstudie, die von der BGW unterstützt wurde.

Die Ergebnisse decken sich mit den Forschungen von Dr. Claudia Depauli. Die Gesundheitspsychologin an der Universität Salzburg hatte 2012 untersucht, wie oft Pflegekräfte während der intimen Pflege der Patienten belästigt werden.

Mindestens ein Vorfall pro Monat

Das Fazit: „38,6 Prozent der rund 1800 Befragten widerfährt das mindestens einmal im Monat“, so Depauli. Auch beim Umlagern oder in anderen Alltagssituationen komme es regelmäßig zu Übergriffen.

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Dass es in der Pflege überdurchschnittlich viele Belästigungsfälle gibt, liege unter anderem am Krankheitsbild einiger Patienten: „Die meisten Demenzarten können schon in frühem Stadium zu einer sozialen Enthemmung führen“, sagt Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe. Außerdem sehe ein Teil der Langzeitpatienten oft keine andere Möglichkeit, seine sexuellen Bedürfnisse auszuleben.

Viele Fälle bleiben unerkannt

Umso wichtiger sei deshalb, dass die Pflegenden den Rückhalt ihrer Vorgesetzten spüren. Das sei nicht immer so: „Wir haben gefragt: Wie gut fühlen Sie sich unterstützt?“, sagt Depauli. Die Teilnehmer konnten sich zwischen eins für „sehr gut“ bis zehn für „überhaupt nicht“ entscheiden. „Da haben wir die gesamte Bandbreite an Antwortmöglichkeiten bekommen.“

Die Folge des schwankenden Rückhalts: Viele Pflegende hätten Angst, belächelt zu werden, wenn sie eine Belästigung melden: „In einigen Einrichtungen dominiert die Meinung, das gehöre zum Berufsrisiko“, so Knüppel.

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    Hinzu komme, dass Vorgesetzte die Vorfälle nur dann an die gesetzliche Unfallversicherung melden müssen, falls der Pflegende wegen eines Übergriffs mindestens drei Tage arbeitsunfähig war. Dementsprechend werde ein Großteil der Belästigungen laut Schambortski erst gar nicht erfasst.

    In den vergangenen Jahren habe sich aber auch etwas getan: „Gewaltprävention und deeskalierende Maßnahmen sind mittlerweile Teil der Lehrpläne“, sagt Daniel Holzem, Diözesanreferent für den Bereich Fort- und Weiterbildungen im Bistum Essen. Die Pflegenden würden sowohl in der Ausbildung als auch in Weiterbildungen gezielt auf heikle Situationen vorbereitet werden: „Letztendlich ist es aber genauso wichtig, dass auch am Arbeitsplatz offen mit dem Thema umgegangen wird.“

    >>> Auch männliche Pfleger betroffen

    Nicht nur Frauen werden im Pflegedienst Opfer sexueller Belästigung: „Auch männliche Pfleger sind betroffen, das geht oft unter“, so Schambortski. Laut Depauli seien 71,2 Prozent der Frauen und 64,9 Prozent der Männer bei der intimen Pflege der Patienten schon mal sexuell belästigt worden.