Böhmermann gegen Merkel: Klage von Moderator abgewiesen
•
Lesezeit: 7 Minuten
Berlin. Merkel hatte sich kritisch über Böhmermanns Erdogan-„Schmähgedicht“ geäußert. Nun ist die Klage des Moderators dagegen gescheitert.
Für sein „Schmähgedicht“ hat TV-Satiriker Jan Böhmermann einiges an Kritik einstecken müssen. Auch Bundeskanzlerin Anglea Merkel hatte Böhmermann dafür öffentlich kritisiert. Durfte sie das? Das Berliner Verwaltungsgericht hat eine Klage des ZDF-Moderatoren gegen Merkels Kritik nun abgewiesen. „Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens“, sagte Richterin Rautgundis Schneidereit am Dienstagnachmittag im Plenarsaal des Verwaltungsgerichts.
Jan Böhmermann hatte die Kanzlerin wegen ihrer kritischen Einschätzung des Gedichts auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verklagt. Er wollte der Kanzlerin per Gericht untersagen lassen, die Worte öffentlich zu wiederholen. Formal richtete sich die Klage gegen das Kanzleramt.
Nach dem Urteil steht aberfest: Regierungssprecher Steffen Seibert durfte mitteilen, dass Merkel Böhmermanns „Schmähgedicht“ gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für einen „bewusst verletzenden Text“ hält. Die Unterlassungsklage des TV-Kritikers ist laut Gericht unzulässig, weil eine Wiederholung der Erklärung nicht zu erwarten ist. Die Bundeskanzlerin ließ durch ihre Anwälte zudem erklären, dass eine Wiederholung der Worte ausgeschlossen ist. Merkel hatte ihre Äußerung bereits im Jahr 2016 einen Fehler genannt.
Anwälte von Böhmermann und Kanzleramt nicht zimperlich
Das Gericht hielt fest: Merkels Äußerung sei keine strafrechtliche Vorverurteilung, sondern ein vertretbares Werturteil. Hinzu kommt: Merkel hatte ausdrücklich den hohen Wert betont, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimisst. Böhmermann-Anwalt Reiner Geulen hatte im Verfahren hingegen betont, Merkels Kritik stelle eine „staatliche Vorverurteilung“ dar.
Die Anwälte waren zuvor am Dienstagvormittag nicht zimperlich miteinander umgegangen. Böhmermanns Anwalt Reiner Geulen ließ sich mehrere Male zu spitzen Bemerkungen hinreißen, etwa: „Sie werden mich verstehen.“ Die Anwälte des Kanzleramts, Jan Hegemann und Wolfram Hertel, sagten mehrere Male, dass bei den Ausführungen Geulens vieles durcheinander ginge. Weder Jan Böhmermann noch Angela Merkel waren zu dem Gerichtstermin erschienen.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und
wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste
übermittelt werden. Mehr dazu in unserer
Datenschutzerklärung
Böhmermann erzielte Teilerfolg gegen die Kanzlerin
Am Wochenende hatte der Satiriker einen kleinen juristischen Erfolg gegen die Kanzlerin erzielt: Am Sonntag wurde bekannt, dass das Kanzleramt dem ZDF-Satiriker bestimmte Auskünfte erteilen muss, auf die er geklagt hat. Das hatte ein Sprecher des Berliner Verwaltungsgerichts nach einem entsprechenden Bericht des „Tagesspiegel“ bestätigt.
Mit dem satirischen Gedicht „Schmähkritik“ hatte Böhmermann in seiner Fernsehsendung „Neo Magazin Royale“ vom 31. März 2016 einen diplomatischen Eklat im Verhältnis zur Türkei ausgelöst.
Böhmermann drohte Merkel wohl schon 2017 mit Klage
Böhmermann hatte angegeben, mit den grobschlächtigen Beschimpfungen Erdogans den Unterschied zwischen erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik verdeutlichen zu wollen.
Merkel nannte das Gedicht damals „bewusst verletzend“, wie Regierungssprecher Steffen Seibert nach einem Telefonat der Kanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu berichtete.
Chronik- Die Affäre Böhmermann – Erdogan
1/41
Später bezeichnete die Kanzlerin diese Aussage als Fehler. Vor Gericht ging es nun darum, ob die Kanzlerin ihre Einschätzung zurücknehmen muss. Laut einem Medienbericht drohte Böhmermann Merkel schon 2017 mit einer Klage. Böhmermann-Anwalt Reiner Geulen wollte nun konkret erreichen, dass die Bewertung „bewusst verletzend“ aus dem auf der Regierungs-Homepage einsehbaren Protokoll der Sitzung der Bundespressekonferenz geschwärzt oder zumindest mit einer Fußnote versehen wird.
Die Anwälte des Kanzleramts wollten hingegen nicht, dass ein „historisch richtiges Protokoll“ geändert wird. Sie betonen, Merkels „bewusst verletzend“ sei eine politische Bewertung gewesen — keine rechtliche. Dieser Argumentation folgte auch das Gericht. Geulen verwies während der Verhandlung immer wieder auf kriminelle türkische Rocker in Deutschland, die Böhmermann und seine Familie konkret bedrohten. Merkel habe mit ihrer Bewertung Böhmermann „ans Messer geliefert“.
Merkel las vom „Schmähgedicht“ nur auf bild.de
In einem Schreiben an das Kanzleramt warf Böhmermanns Anwalt Christian Schertz Merkel damals vor, sie habe mit ihrer Kritik an dem Auftritt eine „juristische Bewertung des Werkes meines Mandanten vorgenommen, die einer Vorverurteilung gleichkommt“, wie der „Tagesspiegel“ berichtet.
Wie nach einer Auskunftsklage des „Tagesspiegel“ gegen das Kanzleramt (OVG Berlin-Brandenburg, Az.: 6 S 9.17) bekannt ist, informierte sich die Kanzlerin allein auf bild.de über das „Schmähgedicht“. Dort wurde der Text jedoch nur zusammengeschnitten und stark gekürzt wiedergegeben.
Erdogan bekam teilweise Recht
Erdogan selbst hatte Böhmermann wegen Beleidigung verklagt. Das Landgericht Hamburg gab der Klage teilweise statt. Böhmermann darf „ehrverletzende“ Verse des Gedichts gegen Erdogan nicht wiederholen. Der türkische Präsident hatte den Beitrag komplett verbieten lassen wollen. Böhmermann will das Urteil anfechten.
Zur Klage gegen Merkel wollen sich weder Böhmermann noch das Kanzleramt vor Beginn des Prozesses äußern. Ein Regierungssprecher teilte lediglich mit: „Wir bitten um Verständnis, dass sich die Bundesregierung zu anhängigen Verfahren nicht äußert.“
(les/ak/dpa)
Die Böhmermann-Affäre im Überblick
• 31. März 2016: In seiner ZDFneo-Sendung „Neo Magazin Royale“ verwendet der Satiriker in einer „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen. Er will damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen erlaubter und verbotener Satire zeigen. • 10. April: Es wird bekannt, dass die Türkei in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt rechtliche Schritte gegen Böhmermann verlangt. • 15. April: Die Bundesregierung gibt den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch frei. • 17. Mai: Das Landgericht Hamburg erlässt auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann. Der Moderator darf seine „Schmähkritik“ zu großen Teilen nicht öffentlich wiederholen. • 2. Juli: Erdogan will das Gedicht komplett verbieten lassen. Sein Anwalt reicht daher eine Privatklage beim Hamburger Landgericht ein. • 4. Oktober: Die Staatsanwaltschaft Mainz gibt die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann bekannt. Es seien „strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“. • 13. Oktober: Eine Beschwerde Erdogans gegen die Einstellung der Ermittlungen weist die Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz zurück. • 2. November: Vor dem Hamburger Landgericht wird der Fall Böhmermann im sogenannten Hauptsacheverfahren verhandelt. • 25. Januar 2017: Das Kabinett beschließt, den Majestätsbeleidigungs-Paragrafen 103 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. • 10. Februar 2017: Das Hamburger Landgericht verbietet dem Satiriker erneut, „ehrverletzende“ Verse des Gedichts zu wiederholen. Böhmermann fechtet die Entscheidung an.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.