Brüssel. Laut einer Studie werden die Vorschriften zur Schadstoff-Messung unterschiedlich ausgelegt. Deutschland nimmt eine Sonderrolle ein.
Gegner von Diesel-Fahrverboten warnen schon lange: Die Standorte der Messstationen in deutschen Städten seien im EU-Vergleich besonders ehrgeizig ausgewählt. Werden deshalb häufiger Verstöße gegen Schadstoff-Grenzwerte dokumentiert, während andere Länder die Brüsseler Vorgaben eher lax interpretieren?
Jetzt nährt eine neue Experten-Studie im Auftrag des Europäischen Parlaments die Zweifel an der Vergleichbarkeit der Messungen: Möglicherweise wird nicht in allen EU-Ländern die Belastung mit Stickoxid oder Feinstaub an den Standorten ermittelt, an denen die Belastung am stärksten sei, heißt es in der Expertise, die unserer Redaktion vorliegt.
EU-Richtlinien für Messungen sind mehrdeutig
Und weiter: „Mit Ausnahme von Deutschland ist keine Dokumentation verfügbar, aus der hervorgeht, ob die verkehrsorientierten Überwachungsstationen die Gebiete mit der höchsten Konzentration abdecken.“ Zugleich sei schon die zugrundeliegende EU-Richtlinie in vielen Passagen so mehrdeutig oder ungenau, dass auch die Umsetzung in nationale Gesetze von Land zu Land anders ausfalle.
Folge seien unterschiedliche Bewertungen der Schadstoffbelastungen für die Bevölkerung – mit Gefahren für den Gesundheitsschutz. Die CDU-Europaabgeordneten Peter Liese und Norbert Lins sehen sich in ihren Zweifeln bestätigt: Die EU-Kommission müsse die Messstellen und ihre Kriterien „umfassend überprüfen“, fordern die Politiker, die im Umweltausschuss des EU-Parlaments den Studien-Auftrag initiiert hatten – mit Blick auf die
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Messstationen nur in Deutschland an Ballungspunkten aufgestellt
Liese und Lins: „Es kann nicht sein, dass laufende Vertragsverletzungsverfahren auf unklaren Rechtstexten beruhen.“ Denn die EU-Kommission hat Deutschland beim obersten EU-Gericht (EuGH) verklagt, weil die
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hierzulande in vielen Städten seit Jahren überschritten werden – andere Länder wie Österreich kamen ohne Klage davon.
Nun zeigt sich: Von fünf untersuchten EU-Ländern kann nur Deutschland nachweisen, dass die Messstationen ausdrücklich an Ballungspunkten mit den höchsten Schadstoffkonzentrationen aufgestellt sind.
Die Studie untersuchte die Standorte von insgesamt 50 Messstationen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Polen; in Deutschland nahmen die Experten Stationen in Oberhausen, Duisburg, Mülheim, Düsseldorf, Wesel, Paderborn, Stuttgart (darunter die umstrittene Station am Neckartor) und München unter die Lupe.
Zu viel Freiraum in Bezug auf die Standorte für Messstellen
Unter anderem in Duisburg und Stuttgart werden demnach die Vorschriften für die Feinstaub-Messung nicht vollständig eingehalten. Das zentrale Ergebnis aber lautet zusammengefasst: Die entsprechende EU-Luftreinhalterichtlinie lässt zu viel Freiraum in Bezug auf die Standorte für Messstellen.
Das Gutachten, erstellt von Wissenschaftlern des österreichischen Umweltbundesamtes, verlangt deshalb klar und nachdrücklich eine Überarbeitung der EU-Gesetzgebung.
Studie empfiehlt mehr Fahrverbote
„Die Vergleichbarkeit der Messungen ist nicht gegeben, wenn die Definitionen für die Platzierung der Messstellen nicht präzisiert werden“, warnen auch die EU-Abgeordneten Liese und Lins. „Aus diesem Grund sagt die aktuelle Untersuchung ganz richtig, dass diese Unklarheiten die Messwerte beeinflussen können“.
Fahrverbote vor allem bei geringfügigen Grenzwertüberschreitungen blieben eine fragwürdige Angelegenheit, erklärten die CDU-Politiker.
Allerdings: Die Studie empfiehlt, die „Anforderungen an Dieselfahrzeuge in einigen Zonen zu verschärfen“ und das Gesamtverkehrsaufkommen generell zu verringern. Die Übersetzung aus der Bürokratensprache heißt wohl: Mehr Fahrverbote, nicht weniger. In den vergangenen Monaten hatten Mainzer Forscher die Folgen belasteter Luft für Menschen untersucht. Schadstoffe in der Luft
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