Essen. . Ralf Zietz spendete seiner Frau eine Niere. Jetzt hat er viele Beschwerden. Er klagt gegen seine Ärzte. Mediziner sind alarmiert.
Am 19. August 2010 veränderte eine Entscheidung aus Liebe das Leben von Ralf Zietz. Heute bereut er sie. An diesem Tag vor achteinhalb Jahren spendete der Unternehmer aus Norddeutschland seiner Frau Marlies eine Niere. Heute ist er davon überzeugt, dass diese Spende seine Gesundheit ruiniert hat, und das dies nicht geschehen wäre, wenn ihn die Ärzte am Universitätsklinikum in Essen besser über die Risiken aufgeklärt hätten. Deswegen hat Zietz das Klinikum verklagt.
Am Dienstag urteilt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe über seine Klage.
Rückblende: Im Jahr 2009 wird die Ehefrau des Unternehmers aus Thedinghausen bei Bremen dialysepflichtig. „Ihre Nieren hatten wegen einer Autoimmunkrankheit ihre Funktion weitgehend eingestellt“, erzählt Zietz. In einem Bremer Krankenhaus sprach ein Arzt das Ehepaar auf die Möglichkeit einer Lebendspende an und verwies die beiden auf das Universitätsklinikum Essen.
Für Lebendspenden gibt es in Deutschland strenge Richtlinien. Man darf nur aus enger Verbundenheit spenden. Eltern für ihre Kinder oder ein Ehepartner dem anderen. Möglich sind nur Nierenspenden oder Spenden von Teilen der Leber.
„Organlebendspenden sind ein Instrument, das man nur ungern bedient“, sagt Professor Bernhard Banas, Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG). Die Spenden von Toten sind aber rar, die Wartelisten möglicher Empfänger lang. Etwa ein Drittel der rund 1500 Nierenspenden im Jahr stammen von Lebenden.
„Es schien eine gute Sache zu sein“
Ralf Zietz entschied sich nach einem Gespräch im Essener Klinikum für eine Spende, seiner Frau zuliebe. „Ständig von der Dialyse abhängig zu sein, schränkt die Lebensqualität enorm ein.“ 2010 war auch das Jahr, in dem der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seiner Frau eine Niere spendete. „Es schien eine gute Sache zu sein“, so Zietz.
Er sagt, ihm sei in der ärztlichen Aufklärung gesagt worden, dass alles problemlos vonstatten gehen werde, die Risiken seien minimal. „Ich wollte damals einen Halbmarathon in New York laufen, das war so eine fixe Idee. Die haben mir gesagt, dass ich das ein halbes Jahr später machen könnte.“
Die Operation glückte. Das Leben von Zietz änderte sich aber von Grund auf. Er litt unter Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, war ständig müde. Seine Frau bekam Hautkrebs, musste sich immer wieder Operationen unterziehen. „Aber es ging ihr trotzdem besser als vorher.“ Ein Lichtblick.
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Er selbst glaubte, dass seine Beschwerden psychische Folgen der Nierenspende gewesen seien. Erst, als er einen Fernsehbericht sah, in dem eine Frau nach einer Nierenspende von ähnlichen Problemen berichtete, wurde ihm klar: „Die fehlende Niere ist schuld an meinem Zustand.“
Seine Niere funktioniert nicht mehr gut
Zietz forschte im Internet, stieß auf Studien, die belegen sollen, dass die Risiken bei Nierenspenden weit höher sind, als von den Ärzten angegeben. „Ein Drittel bis die Hälfte aller Nierenlebendspender sind formal nierenkrank“, sagt er. Wie er jetzt weiß, funktioniert seine verbliebene Niere nur noch stark eingeschränkt.
Er gründete mit anderen Betroffenen einen Verein, der heute über 40 Mitglieder hat. Und er klagte gegen die Ärzte, die ihn seiner Ansicht nach falsch beraten hatten. Die Vorinstanzen haben diese Klage zurückgewiesen. Weil, so die Begründung, er selbst bei einer umfassenden und ordnungsgemäßen Aufklärung aus Liebe zu seiner Frau gespendet hätte.
„Ich hätte diesem Eingriff nicht zugestimmt, wenn ich über die Risiken informiert worden wäre“, sagt er. Seine Frau sehe das auch so, schon deswegen, weil er Alleinverdiener sei.
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Jetzt urteilt der Bundesgerichtshof über den Fall von Zietz und über einen ähnlich gelagerten Fall einer Frau, die für ihren Vater ebenfalls am Essener Klinikum eine Niere gespendet hat. Wenn die beiden Recht bekommen, „und wir in den Aufklärungsgesprächen alle eventuellen Risiken abklären müssen, werden Lebendspenden künftig schwieriger bis unmöglich gemacht“, befürchtet DTG-Präsident Banas.
„Lebendspende kann man noch empfehlen“
Er verweist auf die jetzt schon intensive Aufklärung. Zwei Mediziner müssen unabhängig voneinander mit den Spendern und Empfängern sprechen, eine Kommission aus einem Juristen, einem Arzt und einem Psychologen den Fall begutachten.
Banas selbst betreut rund 200 Nierenlebendspender. Die Komplikationen von Ralf Zietz seien „nicht typisch“, sagt er. Bei einer „ehrlichen und umfassenden Aufklärung kann man auch heute noch eine Lebendspende empfehlen“, ist er sicher.
Achteinhalb Jahre nach der Spende gehe es seiner Frau wieder schlechter, sagt Ralf Zietz. „Die Niere verliert allmählich ihre Funktion.“