Solingen/Essen. Die Ev. Luther-Gemeinde in Solingen verhinderte am Montag die Abschiebung eines Flüchtlings. Was die Diskussion ums Krichenasyl neu entflammte
Die verhinderte Abschiebung eines Iraners hat die Diskussion um das Thema Kirchenasyl erneut aufflammen lassen. Die Ausländerbehörde im Kreis Wesel wollte den 28-Jährigen, der seit einem Jahr im Gemeindehaus der Solinger Luther-Gemeinde lebt, Montagfrüh mit der Polizei abholen. Der Pfarrer verweigerte jedoch den Zutritt zum Gemeindehaus. 200 Gemeindemitglieder protestierten zugleich friedlich gegen die geplante Abschiebung des Mannes, der vom Islam zum Christentum konvertiert ist. Im Iran drohe ihm die Todesstrafe.
„Es gibt eine kirchliche Beistandspflicht für Menschen in Bedrängnis und Not. Darauf berufen wir uns“, erklärt Wolf-Dieter Just, 1983 einer der Gründungsväter der „Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche“ und heute ihr Ehrenvorsitzender. Eine rechtliche Grundlage gibt es nicht, doch der Staat duldet bislang, dass Kirchen Flüchtlingen Unterschlupf gewähren. Es waren zunächst ja auch nur wenige, so Just. Inzwischen sei die staatliche Toleranz aber „Rigorismus“ gewichen.
Ende 2018 lebten 880 Menschen im Kirchenasyl
In den letzten Jahren ist die Zahl der Kirchenasyl-Fälle explodiert. Bundesweit wurden Ende 2018 546 gezählt (2012: 50), betroffen waren 880 Menschen. In NRW leben derzeit 221 Asylsuchende in 150 Kirchen. Bei der großen Mehrheit aller Fälle (494 bundesweit, 144 in NRW) handelt es sich – wie in Solingen – um „Dublin-Fälle“, um Überstellungen in das für das Asylverfahren eigentlich zuständige EU-Land. Der Iraner in Solingen war zunächst in Frankreich registriert worden; er soll deshalb dorthin abgeschoben werden. Christian Lerch, Pfarrer der Solinger Gemeinde: „Französische Behörden haben bereits Flüchtlinge zurück in den Iran geschickt.“
Stamp: Kirchenasyl darf nicht instrumentalisiert werden
2017 hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Beschwerde des Iraners gegen seine Rücküberstellung abgelehnt. „Kirchen dürfen nicht gegen geltendes Recht verstoßen und gerichtliche Urteile missachten“, betonte Sprecherin Nicola Haderlein am Montag. Kirchenasyl dürfe nur in absoluten Ausnahmefällen dazu führen, dass ein Fall neu geprüft wird, hatte auch NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) jüngst erklärt. Es sei nicht akzeptabel, „wenn Kirchenasyl instrumentalisiert wird, um gezielt Dublin-Fristen verstreichen zu lassen“.
Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sagte dagegen: „Das Kirchenasyl gehört zu Deutschland. Es ist Ausdruck unserer christlichen Tradition.“