Essen. . Im Essener Dom verabschieden hunderte Menschen den Bergbau. Eine zentrale Figur hatte eine besonders schwierige Anreise – aus 1200 Metern Tiefe.
Sogar die Heilige Barbara ist gekommen, die Schutzpatronin, und das bei der allerbeschwerlichsten Anreise. Wobei, gekommen . . . Sie haben die Barbarafigur gar nicht erst gefragt, sondern mit allem gebotenen Respekt hochgeholt aus 1200 Metern Tiefe, aus der siebten Sohle von Prosper-Haniel, wo sie sonst steht. An diesem Abend hat sie im Essener Dom einen Ehrenplatz und guckt auch ganz milde in den Gottesdienst. Also: Ihren Segen haben sie.
Hunderte Besucher sind am frühen Donnerstagabend in diesem Dom, der in stahlkocherrotes Licht getaucht ist; viele Ehrengäste darunter, und sie nehmen mit einen ökumenischen Gottesdienst Abschied vom Steinkohlebergbau.
Solidarität, Verlässlichkeit, Gleichheit
58 Bergleute von Prosper sind auch gekommen, vom letzten Bergwerk: Die Männer in Weiß tragen ein großes Kreuz aus der Krypta in die Kirche. Dazu Grubenretter in Rot, Knappen in Schwarz mit ihren wehenden Federbüschen.
Sie folgen dem Kreuz mit ihren Grubenlampen, und die Fahnen von Knappenvereinen umrahmen den Altar. Um Werte dieser Männer geht es in dieser Stunde, das wird schnell klar: Solidarität. Verlässlichkeit. Gleichheit.
„Ohne den anderen bin ich nichts“
Der Gruß „Glück Auf“ sei „fast so etwas wie ein Segenswort: Möge Gott dich bewahren“, sagt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski: „Alle Bergleute müssen sich aufeinander verlassen. Diese Haltung unter Tage brauchen wir auch über Tage.“
Dialogisch predigt er mit Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, der sagt: „Jeder Bergmann wusste: Ohne den anderen bin ich nichts, mit ihm kann ich vieles, gemeinsam können wir alles schaffen.“
Die Heilige Barbara steht in einem Kreis aus Kohle
Diese Werte hätten sich auch noch in den Jahren des Rückzugs gezeigt: „Sozialverträglicher Stellenabbau, gerechte Vorruhestandsregelung, und dass die Menschen umgeschult wurden“, so Overbeck. Um Werte geht es auch auf dem Podest am Altarraum, auf dem die Heilige Barbara in einem Kreis von Kohlebrocken steht.
Zwölf stilisierte Kumpelfiguren halten das Podest, daran sind Platten mit Schlagworten befestigt; Schlagworte wie Respekt. Kameradschaft. Toleranz. Ausdauer. Auch: Kümmern um jeden.
Noch vor vier Tagen starb ein Mann unter Tage
Freilich benennt die Predigt auch die Schattenseiten. Berufskrankheiten, Ewigkeitslasten, Grubenunglücke natürlich – und insbesondere den Tod des 29-Jährigen auf dem Bergwerk Ibbenbüren: Montag ist er unter Tage gestorben, nach 200 Jahren Bergbaugeschichte – vier Tage vor dem offiziellen Ende.
Lang ist die Liste der Ehrengäste. Ministerpräsident Armin Laschet ist da, fast alle seine lebenden Vorgänger: Hannelore Kraft, Jürgen Rüttgers, Wolfgang Clement. Gegenwärtige und ehemalige Minister, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Bischöfe und evangelische Präses, Oberbürgermeister, Wirtschaftsvertreter, etwa für Eon, Evonik oder den Duisburger Hafen. Norbert Lammert, der frühere Bundestagspräsident; Norbert Blüm, der Sozialpolitiker.
Bischof Hengsbach im kohlenschwarzen Mantel
Aber etliche Frauen und Männer sind auch einfach so eingetreten, stehen in den Gängen. Und draußen vor der Videowand stehen weitere: schauen und umringen dabei die Statue des ersten Ruhrbischofs, Franz Hengsbach, der ja nicht zufällig einen kohlenschwarzen Mantel trägt.
Die Bergleute vorne weg, so geht es dann eine kurze Strecke durch die Essener Innenstadt zur evangelischen Kreuzeskirche. Im Weihnachtsmarkt-Getümmel ist eine Prozession das routinierte Mittel der Wahl, um zügig voranzukommen. Und die Glocken läuten dazu, auch in anderen Revierstädten.
„Mutter vom guten Rat, bitte für uns“
Denn bei aller Festlichkeit ist es ja auch ein bisschen Beerdigung des Bergbaus. Ruhe in Frieden. Für alle Lebenden gilt ein Satz aus dem Dom: „Heilige Maria, Mutter vom guten Rat, bitte für uns.“
Am Abend noch ist die Heilige Barbara schon wieder auf dem Weg zurück nach Bottrop, zu Prosper-Haniel. Dort wird sie noch gebraucht, für den nun wirklich allerletzten Schlusspunkt: die heutige Abschiedsfeier mit dem Bundespräsidenten.