Geldern. Mit einer Demonstration in Geldern haben rund 100 Menschen auf die noch ungeklärten Fragen nach dem Brand im Klever Gefängnis aufmerksam gemacht.

Rund 100 Demonstranten haben am Samstag bei einer Kundgebung im niederrheinischen Geldern Aufklärung über den Tod des syrischen Kurden Amad A. gefordert. Der 26-Jährige war am 29. September an den Folgen schwerer Verbrennungen gestorben, die er bei einem Brand in seiner Zelle in der Klever Justizvollzugsanstalt erlitten hatte. In dem Gefängnis in Kleve saß er aufgrund einer Verwechslung.

Zu der Demonstration aufgerufen hatte eine Initiative, die Freunde und Bekannte von Amad A. gegründet haben. Unter den Teilnehmern waren auch Vertreter der Linkspartei und Antifa-Aktivisten. „Es gibt noch so viele ungeklärte Fragen“, so Filiz O. Sie hatte A. ein halbes Jahr vor seinem Tod in Geldern kennengelernt. „Wir waren Freunde, er hat nie jemandem irgendetwas getan. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.“

Demonstranten zogen Parallelen zum Fall Oury Jalloh

Die junge Frau ist empört, dass A. während der zwei Monate, die er im Gefängnis saß, keinen Rechtsbeistand hatte und auch keinen Dolmetscher zur Verfügung gestellt bekam. „Er konnte nicht gut deutsch, wir haben uns meistens auf kurdisch unterhalten.“ Ebenfalls unverständlich ist für sie, dass weder Freunde noch die Familie von A. über seine Inhaftierung informiert worden seien. „Der Vater hat aus den Medien von seinem Tod erfahren.“

Auf Plakaten und in Redebeiträgen zogen die Demonstranten Parallelen zum Fall Oury Jalloh. Der aus Sierra Leone stammende Mann war im Januar 2005 unter dubiosen Umständen im Polizeigewahrsam im sachsen-anhaltinischen Dessau ums Leben gekommen. Er verbrannte gefesselt auf einer Matratze. Obwohl sein Tod bis heute nicht endgültig aufgeklärt ist, wurden die Ermittlungen Ende November eingestellt. „Ob Kleve, ob Dessau, Aufklärung jetzt!“, skandierten die Demonstranten.

Redner wirft Polizei in Geldern Rassismus vor

„Es gibt viele seltsame Parallelen zwischen den beiden Fällen, widersprüchliche Aussagen der Verantwortlichen und Vorfestlegungen, die später wieder kassiert werden müssen“, so Judith Weltmann, eine der Demonstratinnen. „Ich möchte nicht, dass sich die Ermittlungen so lange hinziehen wie bei Oury Jalloh und wir noch 2030 für Aufklärung demonstrieren müssen.“

Ein Redner warf der Polizei in Geldern zudem Rassismus vor: „Die Polizei wollte sich für einen Flüchtling nicht die Mühe machen, seine Personalien vernünftig zu überprüfen.“ Nicht nachvollziehbar ist für die Demonstranten auch, warum A. kein Glauben geschenkt wurde, als er beteuerte, unschuldig inhaftiert zu sein oder warum ein Brandgutachten erst Wochen nach seinem Tod in Auftrag gegeben wurde.

Verwechslung fiel zwei Monate lang nicht auf

Amad A. war Ende September nach einem Zellenbrand in der JVA Kleve gestorben. Der junge syrische Kurde war dort aufgrund einer Verwechslung inhaftiert gewesen. Er war Anfang Juli in Geldern wegen angeblicher sexueller Belästigung festgenommen worden. Die Polizei hielt Amad A. zunächst für einen mutmaßlichen Vergewaltiger, dann für einen namensgleichen afrikanischen Kleinkriminellen, nach dem die Staatsanwaltschaft in Hamburg fahndete. Die Verwechslung fiel zwei Monate lang nicht auf.

Nach offizieller Darstellung legte A. den Brand in seiner Zelle selbst in suizidaler Absicht. Erst nach einer Viertelstunde habe er einen Hilferuf abgesetzt, der aber von einem JVA-Beamten weggedrückt worden sei. An dieser Darstellung sind jüngst Zweifel aufgetaucht. Ein vom ARD-Magazin „Monitor“ in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass A. den Brand nicht selbst gelegt, vor allem aber nicht erst nach 15 Minuten einen Hilferuf abgesetzt haben konnte. Aufgrund der Hitze und Rauchgasentwicklung sei eine solche zielgerichtete Handlung nicht möglich gewesen, so die Experten des „Instituts für Brand- und Löschforschung“.

Kundgebung verlief friedlich und störungsfrei

Zudem zitierte „Monitor“ Mithäftlinge, die laute Hilfeschreie gehört haben wollen. Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU) steht wegen des Vorfalls unter immensem Druck. Im kommenden Jahr soll ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Umstände des Todes von Amad A. durchleuchten. Nach Angaben der Polizei verlief die Kundgebung in Geldern durchgehend friedlich und störungsfrei.