An Rhein und Ruhr. . Sie phantasieren vom großtürkischen Reich und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück: Türkische Nationalisten alarmieren die Behörden in NRW.

Das Land NRW prüft ein Verbot der türkisch ultranationalistischen Bewegung die „Grauen Wölfe“. Das geht aus einer Anfrage der NRZ beim Innenministerium hervor. In NRW bestünden Anhaltspunkte für den Verdacht, dass sie durch ihr extrem nationalistisches Gedankengut Ziele verfolge, die sich gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten, heißt es.

Der Verfassungsschutz beobachtet in NRW die „Föderation der Türkischen Idealistenvereine e.V.“ (ADÜTDF). Sie sei der deutschlandweit größte Dachverband der „Ülkücü-Bewegung“ (sog. „Graue Wölfe“). 70 dieser Vereine gibt es in Nordrhein-Westfalen. Geschätzte Mitgliederzahl: 2000.

Ihre Mitglieder orientieren sich politisch an der Partei der Nationalistischen Bewegung MHP, die im türkischen Parlament vertreten ist. Bei der Präsidentenwahl hatte die MHP Erdogan unterstützt. Die Ideologie der Ülkücü-Bewegung sei von einem übersteigerten Nationalbewusstsein geprägt, heißt es seitens des NRW-Innenministeriums. ADÜTÜF stand am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung.

Größte rechtsextreme Organisation in Deutschland

Einige Gewalttaten der Grauen Wölfe hat die vom Land geförderte Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus zusammengetragen. Ein Beispiel: Am 1. Juli 1999 wird in Köln der 33-Jährige Erol Ispir ermordet. Zwei Männer erstechen den Kurden in einem linken Vereinslokal. Sie sind als Anhänger der Grauen Wölfe bekannt.

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Portrait Christian Stahl, Redakteuer der NRZ aufgenommen am 02.10.2018 in der Redaktion in Essen. Foto: Vladimir Wegener / FUNKE Foto Services
Von Christian Stahl (c.stahl@nrz.de)

Jemand, der sich mit dem Agieren der Grauen Wölfe auskennt, ist der Kölner Sozialwissenschaftler Kemal Bozay. Er glaubt, dass sie einen „Konfliktimport“ durchführen. „Sie hetzen gegen tatsächliche oder vermeintliche Linke und alle Nicht-Türken – wozu sie auch Armenier oder Kurden zählen.“

Der Sozialwissenschaftler warnt vor einer Verharmlosung der Grauen Wölfe als Randthema türkischstämmiger Menschen in Deutschland: Hierzulande dürften sie mit schätzungsweise 18.000 Mitgliedern die stärkste rechtsextreme Organisation sein, meint Bozay. „Zahlenmäßig mehr als dreimal so groß wie die NPD.“

Nach entsprechenden Plänen in Österreich hatten sich deutsche Politiker bereits im Oktober für ein Verbot des sogenannten Wolfsgrußes, dem Erkennungszeichen der „Grauen Wölfe“ ausgesprochen. Den Grünen in NRW geht das nicht weit genug.

Nur den Wolfsgruß zu verbieten sei der falsche Weg, sagt Berivan Aymaz, integrationspolitische Sprecherin der Partei. „Will man wirklich ernsthaft gegen aggressive türkische Nationalisten und ihre Symbole vorgehen, muss man Vereinigungen wie die Grauen Wölfe verbieten“, sagte Aymaz der NRZ. Die Grünen-Politikerin regt eine gesellschaftliche Auseinandersetzung an.

Die Ideologie der Grauen Wölfe richte sich nicht nur gegen innertürkische Personengruppen, „sie ist geprägt von Rassismus gegenüber allen nicht-türkischen Bevölkerungsteilen und ganz klar antisemitisch.“ Viel zu lange sei das Thema als Nischenthema betrachtet worden. Dies müsse sich ändern. „Wir müssen genauer hinschauen und dagegen ankämpfen, dass solche Gruppierungen unsere Gesellschaft auseinanderreißen.“

Vergleich mit dem Hitlergruß

Seit Jahren fordert die Vizefraktionschefin der Linksfraktion im Bundestag, Sevim Dağdelen, ein Verbot des Wolfsgrußes und vergleicht diesen mit dem Hitlergruß. Die Bundesregierung dürfe vor türkischen Faschisten nicht länger die Augen verschließen, fordert die gebürtige Duisburgerin. „Mit ihrem extremen türkischen Nationalismus tragen sie wesentlich zur Polarisierung in Deutschland bei und verbreiten ein Klima der Angst.“

Die rechtlichen Hürden für Verbote von Organisationen und deren Symbole seien hoch, die Ülkücü-Bewegung in NRW derzeit ein Verdachtsfall, sagt eine Sprecherin des Innenministeriums. „Auf dessen Prüfung konzentrieren sich aktuell die Beobachtungen des Verfassungsschutzes.“

Diese Deutschen waren in türkischer Haft

Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation.
Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation. © dpa | Soeren Stache
Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte.
Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. © REUTERS | HANDOUT
#FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels.
#FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels. © picture alliance / Eventpress | dpa Picture-Alliance /
Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt.
Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. © dpa | Lefteris Pitarakis
Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt.
Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt. © Facebook/Mesale Tolu | Facebook/Mesale Tolu
Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben.
Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben. © dpa | Linda Say
Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen.
Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen. © dpa | Emrah Gurel
Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“
Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“ © REUTERS | OSMAN ORSAL
Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden.
Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. © dpa | Privat
Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören.
Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören. © privat | privat
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