Essen. . Ulrich Radtke: Alle Promovierende sollen eine volle Stelle erhalten. Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Hoch motiviert und bestens ausgebildet, aber schlecht bezahlt und auf befristeten Stellen – so stellt sich die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Regel dar.
Der Rektor der Universität Duisburg-Essen, Ulrich Radtke, macht sich jetzt in einem bemerkenswerten Vorstoß für den Nachwuchs stark: „Wir brauchen eine grundsätzlichen Wandel im Umgang mit jungen Wissenschaftlern an unseren Universitäten“, forderte Radtke in einem Beitrag für einen Hochschulblog im Internet (www.jmwiarda.de). Dies sei eine Frage der Wertschätzung für die Nachwuchskräfte.
Keine halben Stellen mehr, sondern immer 100 Prozent
Radtke fragt: „Ist es ein gutes Zeichen für unsere Gesellschaft, wenn wir examinierte Akademiker auf Teilzeitstellen promovieren lassen, nur weil es kostengünstiger ist und sich doch immer noch Interessierte gefunden haben?“ Er schlägt daher vor, Doktoranden nicht mehr auf halben oder dreiviertel Stellen zu beschäftigen, sondern ihnen stets einer vollen Stelle zu geben. Alles andere sei nicht fair.
Eine wissenschaftliche Hilfskraft mit einem Vertrag über 19 Stunden verdiene brutto rund 20.000 Euro im Jahr, rechnet Radtke vor. Dafür werde neben der Promotion auch Einsatz in der Lehre, bei Prüfungen, Verwaltung und im Labor erwartet.
Hintergrund seines Vorstoßes ist der drohende Nachwuchsmangel an den Hochschulen. Wegen niedriger Geburtenraten um die Jahrtausendwende würden in wenigen Jahren „nur noch etwa halb so viele Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen wie vor 20 oder 30 Jahren“, schreibt Radtke. Da die Konkurrenz um Fachkräfte groß sei, müssten Hochschulen darum kämpfen, dass eine wissenschaftliche Karriere attraktiv bleibe. „Und genau das ist der Grund, warum für jene, die diesen Weg wählen, die Vollzeitstelle die Regel sein sollte.“
Ende der Selbstausbeutung
An der Uni Duisburg-Essen werde er dieses Thema voranbringen und mit den Gremien und Fachbereichen eine Debatte darüber beginnen. Radtke weiß, dass es zahlreiche Einwände gibt und die bürokratischen und finanziellen Hürden groß seien. Weil eine sofortige und flächendeckende Umsetzung ein „zu großer Kraftakt“ wäre, plädiert er für einen Stufenplan.
Unterstützung erhält der Rektor von der Bildungsgewerkschaft GEW. Radtkes Vorschlag entspreche den Forderungen der GEW zur Beschäftigung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ein Großteil verfüge nur über befristete Verträge, habe wenig Chancen auf eine feste Stelle und könne die Karriere nicht planen. Viele hochqualifizierte Kräfte wanderten daher in die Wirtschaft oder ins Ausland ab.
Radtke will mit seinem Beitrag eine Debatte auslösen, die auch andere Universitäten aufgreifen könnten. Denn man dürfe nicht länger darauf vertrauen, dass es immer extrem motivierte junge Leute geben wird, die für die Wissenschaft brennen und für die berufliche Sicherheit zunächst nebensächlich ist. Denn das bedeute oftmals nichts anderes als die Selbstausbeutung.