Essen. . Der Erzbischof verhinderte Berufung eines Professors. Theologen sehen Angriff auf Wissenschaftsfreiheit. Wissenschaftsministerium sieht Fehler.
Die Einmischung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki bei der Berufung eines Professors an der Uni Bonn ist für den Bochumer Theologen Georg Essen „ein Beispiel für den ausufernden Machtanspruch der katholischen Kirche“. Der Kardinal habe mit seiner Intervention das Ansehen der Theologie beschädigt und der Wissenschaft geschadet. Zudem sei die Beschwerde rechtswidrig gewesen, sagte Essen dieser Zeitung.
Die heftige Kritik bezieht sich auf einen Vorgang vor zwei Jahren. Leidtragender ist der Paderborner Theologe Joachim Negel (56), der nicht wie geplant die Bonner Professur für Dogmatik an der katholisch-theologischen Fakultät erhalten wird. „Ich habe zwei Jahre geschwiegen“, sagte Negel dieser Zeitung. „Doch als vor wenigen Tagen das Bistum den Einspruch damit begründete, die Uni habe in dem Berufungsverfahren den Grundsatz der Bestenauslese missachtet, konnte ich das nicht auf mir sitzen lassen.“ Negel empfindet dies als „ehrabschneidend“ und ging in die Öffentlichkeit.
Die Zunft der Theologen ist aufgebracht
Seither steht das Kölner Bistum in der Kritik. Die Zunft der Theologen ist aufgebracht, sie sehen die Freiheit der Wissenschaft gefährdet. Woelki sei es vor allem darum gegangen, einen eigenen Kandidaten auf den Posten zu hieven und habe damit die Regeln des Konkordats gebrochen (siehe Infokasten). Tatsächlich hat der Bischof das Recht, in Berufungsverfahren der katholischen Theologie an staatlichen Universitäten ein Wort mitzureden.
Das Verfahren sieht vor, dass die Universität den Namen des Erstplatzierten auf der Berufungsliste an das Wissenschaftsministerium weitergibt. Die Landesregierung bittet anschließend den Bischof um eine kirchliche „Unbedenklichkeitsbescheinigung“, das sogenannte „Nihil obstat“. Diese Stellungnahme darf sich aber ausschließlich auf die Kriterien Rechtgläubigkeit und Lebensführung des Kandidaten beziehen. „Nur dazu darf sich der Bischof äußern“, stellt Essen, Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft katholische Dogmatik und Fundamentaltheologie“, klar. „Nicht aber zur pädagogischen oder wissenschaftlichen Qualifikation.“
Im letzten Moment kam die Absage
An Negels Eignung gab es keinen Zweifel, dennoch stoppte die Uni auf Woelkis Beschwerde hin das Berufungsverfahren. Nach den Gründen gefragt, gibt sich die Universität schmallippig: „In Berufungsangelegenheiten sind wir zur Verschwiegenheit verpflichtet“, teilt ein Sprecher mit.
Dabei war schon alles geklärt, erzählt Negel. Bereits im April 2015 hatte er in Bonn Probevorlesungen gehalten. Parallel lehrte er an der Theologischen Fakultät im schweizerischen Fribourg. Im Oktober 2015 meldete sich die Uni Bonn erneut, ob er noch Interesse an der Dogmatik-Professur habe. Nachdem ein externer Gutachter Negels fachliche Qualifikation bestätigt hatte, erhielt er im Mai 2016 schließlich den Ruf der Uni zum Wintersemester 2016/17. Zuvor wurden bereits Detailfragen zur Pensionsregelung, zur Ausstattung des Lehrstuhls und zum Sekretariat geklärt.
Der kurze Draht zur Landesregierung
Das abschließende Gespräch mit dem Bonner Rektorat am 13. September 2016 sollte also reine Formsache sein. Doch als Negel an diesem Morgen das Unigebäude betrat, war der Termin zu seiner Überraschung kurzfristig abgesagt worden. Mitgeteilt hatte ihm dies die Uni wenige Stunden zuvor per E-Mail. Diese erreichte Negel aber nicht mehr, da er bereits im Zug nach Bonn saß. Es fühlte sich düpiert, „das ist ein ganz schlechter Stil“, sagt Negel. Ihm blieb nichts übrig, als die Heimreise anzutreten.
Was war passiert? Kardinal Woelki hatte sich an die damalige rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft gewandt und Negels fachliche Eignung in Frage gestellt. Die Bonner Fakultät habe im Berufungsverfahren ihre Verpflichtung zur Bestenauslese verletzt, begründete das Generalvikariat anschließend den Schritt. „Der wissenschaftlichen Vermittlung der Glaubenslehre und der Ausbildung des priesterlichen Nachwuchses wäre es im höchsten Maße abträglich, wenn hiermit nicht die am besten qualifizierten Hochschullehrer betraut würden“, erklärt ein Bistumssprecher. Dem Kardinal sei es allein um mögliche Fehler im Berufungsverfahren und damit um dessen Rechtsstaatlichkeit gegangen. Um welche Fehler es sich handelt, wird nicht ausgeführt.
„Übergriffig und rechtswidrig“
Die damalige NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) gab Woelkis Bedenken („Monita“) an die Universität weiter, woraufhin die Berufungsliste nach anfänglicher Gegenwehr gekippt wurde. Stattdessen begann der gesamte Berufungsprozess für den bis heute vakanten Lehrstuhl noch einmal von vorne.
Die Intervention bei Schulze nennt Essen „übergriffig und rechtswidrig“. Doch auch das Ministerium habe eine unrühmliche Rolle gespielt, es hätte sich vor Negel und die Uni stellen müssen. „Es ist völlig unverständlich, dass das Land der Beschwerde nachgekommen ist.“ Und auch die Uni hätte nach Essens Meinung nicht darauf reagieren dürfen.
„Das Ministerium handelte rechtswidrig“
Auf Nachfrage bestätigt das Wissenschaftsministerium unter Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) indirekt, dass damals wohl nicht korrekt gehandelt wurde: Das Land habe zwar die Rechtsaufsicht über die Hochschulen, „die inhaltlichen und fachlichen Fragen eines Berufungsverfahrens unterliegen nicht der Rechtsaufsicht“ – und damit nicht dem Ministerium. Für Georg Essen klingt dies wie ein Eingeständnis: „Damit gibt das Land zu, dass es nicht zuständig war und bestätigt, sich damals rechtswidrig verhalten zu haben.“
Joachim Negel ist heute noch sauer: „Dass die Ministerin sich auf Woelkis Kungelei eingelassen und die Uni dabei mitgespielt hat, finde ich empörend.“ Dennoch sei die Sache für ihn nunmehr abgeschlossen. „Ich fühle mich sehr wohl hier in der Westschweiz und habe eine wunderbare Arbeit.“
>>>>> Das Preußenkonkordat
Das Konkordat von 1929 regelte die Beziehungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche. In dem Dokument heißt es: „Bevor an einer katholisch-theologischen Fakultät jemand zur Ausübung des Lehramts angestellt oder zugelassen werden soll, wird der zuständige Bischof gehört, ob er gegen die Lehre oder den Lebenswandel des Vorgeschlagenen begründete Einwendungen zu erheben habe. Die Anstellung oder Zulassung eines derart Beanstandeten wird nicht erfolgen.“