Straßburg. Oft landet Plastik als Wegwerfprodukt in der Umwelt. Das EU-Parlament will ein Verbot. Jetzt müssen die Länder einen Kompromiss finden.
Plastikstrohhalme, Plastikteller, Plastikbesteck, dünne Plastiktüten – solche Produkte könnten in der EU bald verboten werden. Zum Schutz von Umwelt und Meerestieren. Die Abgeordneten des Europaparlamentes stimmten am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit für einen entsprechenden Richtlinienentwurf.
Darin fordern die Parlamentarier auch, dass die EU-Staaten den Verbrauch bestimmter anderer Einweg-Produkte wie Plastikbecher bis 2025 um ein Viertel senken müssen. Das könnte zum Beispiel über ein Anheben der Preise oder Werbung für Alternativen erreicht werden. Jetzt muss mit den EU-Mitgliedstaaten um einen Kompromiss gerungen werden. Ob die neuen Plastikregeln noch vor der Europawahl im Mai 2019 durchgepeitscht werden können, ist allerdings fraglich.
Bereits
vorgelegt. Darin geht es nicht nur um
, sondern auch um zahlreiche andere Ideen, mit denen die Plastikflut eingedämmt werden soll.
Nur ein Drittel des Plastikmülls wird recycelt
Umwelt- und Meeresverschmutzung durch Plastik ist zu einem immer größeren Problem geworden. Von 2005 bis 2015 stieg seine Menge an Plastikmüll in der Gemeinschaft um zwölf Prozent – in Deutschland liegt der Zuwachs sogar bei 29 Prozent. Die Lage ist also ernst. Weltweit, aber auch in Europa, werden enorme Mengen Kunststoff genutzt und anschließend weggeworfen. Nur knapp ein Drittel des Plastikmülls wird nach Angaben der EU-Kommission eingesammelt und wiederverwertet.
Ein Großteil des Rests landet auf Müllkippen oder in der Umwelt. Plastik zerfällt aber sehr langsam und häuft sich besonders im Meer und an Stränden. Bis zu 85 Prozent aller in der EU angespülten Abfälle sind aus Kunststoff – dabei handelt es sich in etwa der Hälfte der Fälle um weggeschmissene Einwegprodukte.
Für Vögel, Fische und andere Meerestiere ist Plastik eine große Gefahr. Sie fressen es oder verheddern sich darin. Plastikspuren in Fischen gelangen auch auf Teller von Menschen. Forscher haben nun auch erstmals
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, also kleinste Kunststoffpartikel, in Stuhlproben von Menschen gefunden. Angesichts der neuen Studie forderte
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.
So landet Plastikmüll in der Umwelt
Die EU-Kommission und der Umweltausschuss im Parlament haben nun eine Reihe an Maßnahmen ins Rennen gebracht, um Plastikmüll einzudämmen. Dazu gehören:
• Verbote von Wegwerf-Plastikprodukten
Diese wären für Verbraucher wohl am deutlichsten zu spüren. Verboten werden sollen Wegwerf-Plastikprodukte, die nur einmal benutzt werden. Darunter fallen etwa Strohhalme, Plastikgeschirr und -besteck, Wattestäbchen und Ballonhalter.
Verbannt werden sollen dabei nur Gegenstände, für die es aus Sicht der EU-Kommission bereits Alternativen gibt. Als Ersatz für Plastik-Trinkhalme kommen zum Beispiel solche aus Papier oder wiederverwendbare aus härterem Kunststoff in Frage. Auch Wattestäbchen mit Schäften aus aus Papier, Bambus oder Holz sind bereits im Handel erhältlich.
Soviel Plastik verbraucht eine Familie
Der Umweltausschuss im EU-Parlament will zusätzlich unter anderem leichte Plastiktüten und bestimmte aufgeschäumte Kunststoffe auf die Verbotsliste setzen, wie man sie zum Beispiel von den weißen Boxen für Essen zum Mitnehmen kennt.
• Minderungsziele für bestimmte Plastikprodukte
Für Plastikproudkte, die bislang nicht ohne Weiteres durch andere Materialien ersetzbar sind, sollen die EU-Staaten Minderungsziele einführen. Das betrifft vor allem Behälter für Lebensmittel: zum Beispiel Boxen für Sandwiches sowie Verpackungen für Früchte, Gemüse, Desserts oder Eis.
Alle Mitgliedstaaten sollen zudem bis 2025 mindestens 90 Prozent der Plastikgetränkeflaschen zur Wiederverwertung sammeln, etwa mit Hilfe eines Einwegpfands wie in Deutschland.
• Aufklärung der Verbraucher
Ein weiterer Ansatz ist, die Verbraucher durch Hinweise auf den Verpackungen für das Plastikproblem zu sensibilisieren. Denkbar sind Hinweise zur richtigen Entsorgung und zu den potenziellen Schäden, die das Produkt anrichten könnte, wenn es in der Umwelt landet. Zum Beispiel könnten Verbraucher künftig per Schild darum gebeten werden, keine Luftballons mehr aufsteigen zu lassen.
Das aber lehnt der CDU-Abgeordnete Peter Liese ab. Luftballons machten einen statistisch nicht messbaren Anteil an der Verschmutzung der Weltmeere aus, sagt er. „Ich finde es deshalb unverhältnismäßig, wenn wir den Menschen, insbesondere den Kindern, den Spaß verderben.“
• Was kann der Verbraucher tun?
Die Vermeidung von Müll hat oberste Priorität und ist am effektivsten. Insbesondere Wegwerfartikel wie Einmal-Kaffeebecher oder Einwegflaschen sollten vermieden werden, empfiehlt das Umweltbundesamt (UBA). Die Verbraucher sollten ihren Müll sortenrein – also nach Plastik, Glas, Papier und Bio – trennen, um möglichst viele Rohstoffe zu recyceln. Pfandsysteme sind in der Regel umweltverträglicher als Einmalsysteme.
• Zigarettenabfall reduzieren
Die Abgeordneten im Umweltausschuss wollen, dass die Müllmenge aus plastikhaltigen Zigarettenfiltern bis 2030 um 80 Prozent sinkt. Denn: In den Filtern ist oft Kunststoff enthalten, ein einziger Stummel kann bis zu 1000 Liter Wasser verschmutzen.
• Kostenbeteiligung der Hersteller
Hersteller sollen sich dem Vorschlag von Kommission und Umweltausschuss nach künftig an den Kosten für das Säubern der Umwelt beteiligen. Bisher tragen die Kosten dafür vor allem der Steuerzahler oder die Tourismusbranche. Die Hersteller von Fischernetzen mit Plastikkomponenten sollen ebenfalls für die Entsorgung zur Kasse gebeten werden.
• Einführung einer Plastikmüllabgabe
Auch die Einführung einer Plastikmüllabgabe, die aber nicht direkt den Verbraucher belasten soll, ist im Gespräch. „Unser Vorschlag ist, dass jeder Mitgliedstaat pro Kilogramm nicht recyceltem Plastikmüll einen bestimmten Betrag an den EU-Haushalt abführt“, verriet EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger bereits im Mai dieser Redaktion. Die Abgabe läge bei 80 Cent pro Kilo.
• Wie viel Müll produzieren wir?
Jährlich werden weltweit 300 Millionen Tonnen Plastik produziert. Etwa zehn Millionen Tonnen davon landen in den Ozeanen, jede Sekunde etwa 700 Kilogramm, warnte kürzlich der EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans. Werde diese Entwicklung nicht gestoppt, schwimmen im Jahr 2050 in den Weltmeeren mehr Plastikteile als Fische, so die Prognose.
Schon heute verseuchen 100 Millionen Tonnen Plastikmüll die Meere, im Pazifik treibt ein Müllstrudel, der viermal so groß ist wie Deutschland. Etwa 85 Prozent aller in der EU angespülten Abfälle sind aus Plastik. Nicht einmal ein Drittel des Plastikmülls wird weltweit wiederverwertet.
Deutschland gehört zu den Spitzenreitern der europäischen Plastikmüllverursacher. So produziert jeder Bundesbürger nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Durchschnitt 37 Kilogramm Plastikmüll im Jahr. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch dabei um 30 Prozent erhöht.
Umweltschützern reicht Maßnahmenpaket nicht aus
Die Vorschläge von EU-Kommission und Umweltausschuss gehen Umweltschützern allerdings nicht weit genug. Greenpeace kritisiert vor allem einen gravierenden Mangel: Die Definition von Einwegplastik sei viel zu eng, sagt Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack.
Damit öffne sich ein Schlupfloch für die Plastikindustrie: „Die Konzerne könnten nach aktuellem Vorschlag die Reduktionsziele schlicht ignorieren, wenn sie ihre Produkte, sei es ein Wegwerf-Plastikbecher oder ein Strohhalm, als wiederverwendbar kennzeichnen.“
Die Plastikindustrie hingegen warnt vor Schnellschüssen. Hier würden wichtige Gesetze durchgepeitscht, ohne die Folgen abzuschätzen, erklärte der europäische Verpackungsverband pack2go. Es drohten Einbußen im Lebensmittel-Sektor oder Probleme bei der Lebensmittelhygiene, wenn der Plastikverbrauch drastisch gesenkt werde. Bislang nutzten Millionen von Europäern täglich Verpackungen für Essen oder Getränke zum Mitnehmen, betonte der Verband. (dpa/jkali/bea)