Düsseldorf. Die Bezirksregierung kündigt den Vertrag mit der Essener Firma European Homecare für die Großeinrichtung in Sankt Augustin. Monate gab es Streit.

Fehlendes Personal, schlampige Belegungslisten, verschimmeltes Essen, unkorrekte Impf-Dokumentationen – nach einem monatelangen Papier-Krieg um die Betreuungsqualität in der Zentralen Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin hat das Land den privaten Dienstleister European Homecare vor die Tür gesetzt.

Das Vertragsverhältnis sei „wegen anhaltender Differenzen über den Betrieb beendet“ worden, erklärte eine Sprecherin der zuständigen Bezirksregierung Köln am Dienstag auf Anfrage. Die Zusammenarbeit in anderen Heimen bleibt davon unberührt. Die Kündigung durch das Land für die Einrichtung in Sankt Augustin mit derzeit rund 500 Bewohnern erfolge zum 31. Januar 2019. Das Unternehmen ließ eine Bitte um Stellungnahme am Dienstag zunächst unbeantwortet.

Mitarbeiter hatten einen Flüchtling misshandelt

In dem Kündigungsschreiben an European Homecare vom vergangenen Freitag, das unserer Redaktion vorliegt, machte die Bezirksregierung deutlich, dass von einer fristlosen Kündigung nur deshalb abgesehen werde, „um eine geordnete Abwicklung des Vertrages zu gewährleisten“. Wer die große Flüchtlingseinrichtung künftig betreiben soll, ist noch nicht entschieden.

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Das Essener Unternehmen European Homecare (EHC) gilt als Deutschlands führender Betreiber von Flüchtlingsheimen. Vor allem während der Flüchtlingswelle 2015 war das Land auf private Dienstleister angewiesen, um schnell Hunderttausende Asylbewerber unterbringen zu können. 2014 geriet EHC in Negativschlagzeilen, als Mitarbeiter eines externen Sicherheitsdienstleisters in der Einrichtung Burbach einen Flüchtling misshandelten. Nach dem Skandal wurden Aufsicht und Betreuungsstandards vom Land nachgebessert.

Schon im Sommer "erhebliche Mängel" beklagt

In Sankt Augustin mahnte die Bezirksregierung Köln bei European Homecare bereits seit Anfang 2017 immer wieder die Einhaltung von vertraglichen Verpflichtungen an. So würden die „vorgeschriebenen Personalschlüssel nach wie vor immer wieder unterschritten“, monierte die Aufsicht zuletzt in einer Mängelliste am 2. Oktober. Den Angaben der Bezirksregierung zufolge wurden Soll-Schichten zum Teil um Dutzende Mitarbeiter unterschritten und die zwingend vorgeschriebenen weiblichen Sozialbetreuer nicht eingesetzt.

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Mitte Juni wurden bereits seitenweise „erhebliche Mängel“ beklagt. So sei nicht korrekt erfasst worden, wer überhaupt gerade im Heim lebt: „Personen haben gemäß Zimmerbelegungsliste mehrere Zimmer oder sind bereits anderen Kommunen zugewiesen.“ Auch komme es immer wieder vor, „dass durchgeführte Impfungen falsch dokumentiert werden“. Heftig kritisierte die Bezirksregierung: „Es entsteht der Eindruck, dass bei der Ausstellung von Formularen Sorgfalt und Genauigkeit nicht notwendig sei“. Hygienestandards würden überdies missachtet, zum Beispiel seien „mehrere Kisten verschimmelter Gurken zwischen anderen Lebensmitteln gelagert“ worden.

Die Gewerkschaft Verdi ist nun in Sorge, dass die einfachen Beschäftigten die offenbar unhaltbaren Zustände ausbaden müssen. Verdi-Sekretär Özay Tarim forderte das Land auf, alle rund 70 Mitarbeiter in Sankt Augustin auch bei einem neuen Heimbetreiber mit vollem Besitzstand weiterzubeschäftigen. Der hart erkämpfte Betriebsrat müsse ebenso fortbestehen.

Landesweit unterhält NRW aktuell 32 Zentrale Unterbringungseinrichtungen, die im Asylsystem eine wichtige Rolle spielen. Solange noch nicht juristisch über das Bleiberecht entschieden wurde, sollen Flüchtlinge hier bis zu sechs Monaten leben, bevor sie einer Kommune zugewiesen oder in die Heimat zurückgeschickt werden.