Essen. . Der SPD-Politiker betont in Essen die Erfolge der Bundesregierung – etwa beim Projekt zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit.
Das Ruhrgebiet ist einfach anders als, sagen wir, Bayern. Mischt sich ein Bundesminister unters Volk, geht es im Revier nicht ins Bierzelt, sondern auf die „Dialoginsel“. Statt auf schweren Holzbänken nimmt der Revierbürger auf leichten Pappwürfeln Platz und bildet in denkmalwürdiger Industriekulisse um die Berliner Politprominenz herum einen Kreis. Nicht nur symbolisch soll Augenhöhe herrschen im alten Kühlturm.
Hubertus Heil hat diese Form des Bürgergesprächs am Wochenende in Essen praktiziert. Man darf sagen: mit Erfolg. Rund 150 Bürger kamen trotz herrlichsten Radfahr- und Spazierwetters zu Heils „Zukunftsdialog“ in den zum Veranstaltungszentrum umgebauten Zollverein-Kühlturm. Mit dem neuen Format sucht der Bundesarbeitsminister bundesweit den direkten Draht zum Wähler. Zuhören will er, wo die Bürger beim Thema Arbeitswelt der Schuh drückt. Mitnehmen will er Impulse und Anregungen. All das soll später einfließen in konkretes Regierungshandeln.
Heftiger Schlagabtausch blieb aus
Digitalisierung, Langzeitarbeitslosigkeit, die Zukunft von Hartz IV, das viel diskutierte bedingungslose Grundeinkommen, das Arbeitsrecht im Licht neuer flexibler Beschäftigungsverhältnisse, Steuererleichterungen für Alleinerziehende – um diese Themen drehte sich der dreistündige Gedankenaustausch zwischen dem SPD-Minister und den Revierbürgern, von denen erkennbar nicht wenige dasselbe Parteibuch besessen haben dürften wie Heil. Ein heftiger Schlagabtausch zwischen dem Vertreter des Merkel-Kabinetts und der „Basis“ blieb jedenfalls aus. Trotz derzeit desaströser Umfragewerte durfte sich Heil sogar ungehindert als Optimist der Bundesregierung betätigen. „Mich bedrückt“, sagte er, „dass der Eindruck entstanden ist, wir seien eine verzankte Regierung. Das stimmt aber nicht.“ Kein Widerspruch im Kühlturm.
Optimismus verströmte der Niedersachse auch auf der Sachebene. Denn an diesem Nachmittag ging es mehrfach um den sogenannten sozialen Arbeitsmarkt. Warum? Weil das Projekt zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen ins Arbeitsleben im Ruhrgebiet ersonnen wurde und wohl hier auch die meisten Früchte abwerfen dürfte. 2019 soll es losgehen mit dem Teilhabechancengesetz, wie der soziale Arbeitsmarkt regierungsamtlich heißt. Heils SPD hat das Förderprogramm in den Koalitionsvertrag hineinschreiben lassen. Die Union ist dem Projekt aber nicht abgeneigt.
Zuversicht im Kühlturm
Vier Milliarden Euro wird der Bund locker machen, damit Menschen, die jahrelang arbeitslos sind, den Weg zurück finden in normale Beschäftigungsverhältnisse. Das Geld reicht rechnerisch für rund 150.000 Betroffene bundesweit – aber nur für einen Lohnkostenzuschuss auf Mindestlohnbasis. Die Lücke zu Tariflöhnen – und das ist aus Sicht vieler Experten der Knackpunkt – müssten potenzielle Arbeitgeber selber füllen, darunter die oft klammen Kommunen. Der Bund werde am Ende aber noch eine Schüppe drauflegen, glaubt der Arbeitsminister. „Wir sind in guten Gesprächen. Ich bin optimistisch, dass wir mit der Union hier noch etwas hinbekommen“, sagte Heil. Zuversicht im Kühlturm.