Düsseldorf. Das NRW-Parlament diskutiert die Lehren aus dem Hambacher Forst für die künftige Energiepolitik. Ministerpräsident Laschet bleibt dabei stumm.
Als Andreas Pinkwart am Mittwochmorgen ans Rednerpult des Landtags tritt, muss er zum Handmikrofon greifen. Die normale Lautsprecher-Anlage ist defekt. „Es liegt nicht an der Energieversorgung“, witzelt der Wirtschaftsminister von der FDP.
Pinkwart soll mit einer Regierungserklärung die Schlacht um den Hambacher Forst in eine inhaltliche Debatte über die Neuausrichtung der NRW-Braunkohlepolitik ummünzen. Die gerichtlich bis auf Weiteres ausgesetzte Rodung des 200 Hektar großen Restwaldes im rheinischen Revier bringt die Landespolitik zurück ins Spiel.
Der Energiekonzern RWE muss seine Braunkohle-Förderung im Tagebau Hambach bis 2020 um über 25 Prozent zurückfahren. Die Stromerzeugung wird dort spürbar gedrosselt. Parallel berät die „Kohlekommission“ der Bundesregierung bis Jahresende über ein Ausstiegsszenario für den günstigsten, aber zugleich dreckigsten heimischen Energieträger. Viele Fragen, die man durch die klare Rechtslage im rheinischen Revier für beantwortet hielt, stellen sich nach dem Rodungsmoratorium des Oberverwaltungsgerichts neu.
Pinkwart lehnt übereilten Ausstieg ab
„Emotionen können helfen, einen Politikwechsel einzuleiten. Sie allein machen ihn aber noch nicht erfolgreich“, sagt Pinkwart. Der Wirtschaftsminister macht schnell klar, dass er nicht bereit ist, die „Hambi“-Euphorie als eine Art Fukushima-Effekt zu akzeptieren. Nach dem überhasteten Atomausstieg gerate mit der Forderung nach einem schnellen Kohleausstieg der nächste „Grundpfeiler einer klugen Energiepolitik“ ins Wanken. Anders als SPD und Grünen noch 2016 festlegten, müsse man zwar nicht mehr bis 2045 Braunkohle in NRW fördern. Doch wie lange sie „als Brücke“ benötigt werde, sei längst nicht geklärt.
Pinkwart stellt darauf ab, dass die energieintensive Industrie mit 250.000 Beschäftigten zu jeder Sekunde bezahlbare Energie benötige. Wetterabhängigkeit der Erneuerbaren und fehlende Übertragungsnetze sorgten schon heute dafür, dass milliardenschwere Eingriffe zur Stabilisierung des Stromnetzes erforderlich seien. Wer schnell raus wolle aus der Kohle, nehme zudem in Kauf, Kohlestrom aus Polen und Atomstrom aus Frankreich teuer zu importieren.
Ministerpräsident Laschet äußert sich nicht
Hambacher Forst bleibt öffentlich zugänglich
Der Hambacher Forst bleibt weiter öffentlich zugänglich. Das sei eine Konsequenz aus dem vom Oberverwaltungsgericht Münster verhängten Rodungsstopp, sagte ein Sprecher des Energiekonzerns RWE am Mittwoch. Der Wald, der dem Unternehmen gehört, sei damit kein RWE-Betriebsgelände und somit sei eine Einfriedung nicht zulässig.
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) meldet sich überraschend nicht zu Wort. Er verfolgt die Debatte stumm von der Regierungsbank aus. Wer erwartet hatte, er würde im Lichte der jüngsten Massendemonstration und schlechter Umfragewerte den energiepolitischen Befreiungsschlag suchen, sieht sich getäuscht. Sein CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen deutet lediglich vage eine neue Leitentscheidung zur Braunkohle-Politik an. Jedoch erst, wenn Gerichte abschließend über den Hambacher Forst entschieden und die „Kohlekommission“ der Bundesregierung eine Blaupause vorgelegt hätten. SPD-Fraktionsvize Marc Herter beklagt diese Passivität und fordert, „dass sich das größte Bundesland einbringt“.
In der Landesregierung scheint noch die Verärgerung zu dominieren. Man habe im Hambacher Forst bloß das Recht durchgesetzt und sei bei der Polizei-Großaktion zur Räumung der illegalen Baumhäuser juristisch auf der sicheren Seite, fluchen CDU-Abgeordnete. Die Grünen hätten erst die aktuelle Rechtslage selbst geschaffen und liefen jetzt an der Spitze des „Öko-Populismus“, schäumen manche. Zwischenzeitlich wird es so laut im Landtag, dass Grünen-Fraktionschefin Monika Düker ruft: „Wir sind hier nicht auf einem Pavianhügel, sondern in einem deutschen Parlament.“