Essen. . Die anstehende Reform der Grundsteuer trifft alle: Mieter, Hauseigentümer und die Städte. Noch ist unklar, wer am Ende zu den Gewinnern zählt.
Vom Wohnungsmieter über den Hauseigentümer bis zum Großunternehmer mit Fabrikgelände: Die Neuregelung der Grundsteuer betrifft praktisch jedermann im Land. Bis spätestens 2019 hat das Bundesverfassungsgericht eine Reform dieser Kommunalabgabe verlangt – und dem Gesetzgeber als Übergangszeit für die anschließende Neubewertung von rund 35 Millionen Gebäude in Deutschland fünf Jahre zugestanden.
Die Zeit drängt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will nach Beratung mit den Bundesländern bis Jahresende einen Vorschlag vorstellen. Noch weiß niemand, welches Modell zur Neuberechnung der Abgabe auf bebaute und bebaubare Grundstücke sich am Ende durchsetzen wird: ein einfaches Flächenverfahren, ein kompliziertes Wertgutachten oder eine Mischung aus beidem. Mieter und Eigentümer fürchten, dass sie draufzahlen. Auch die Städte sind verunsichert, weil die Grundsteuer zu ihren wichtigsten Einnahmequellen zählt. In NRW geht es laut Städte- und Gemeindebund um ein Steueraufkommens von über 3,5 Milliarden Euro.
Umzug könnte mehrere Hundert Euro
Speziell im Ruhrgebiet ist die Höhe der Grundsteuer ein sensibles Thema. Wegen akuter Finanznot haben viele Kommunen immer wieder an der Steuerschraube gedreht. Städte wie Witten, Duisburg, Hagen und Herne gehören zur bundesweiten Spitzengruppe, wenn es um den so genannten Hebesatz geht. Diesen können die Kommunen selbst festlegen und damit die Höhe der Abgabe für die Bürger verändern.
Nach einer Modellrechnung des Steuerzahlerbundes NRW könnte ein Eigenheimbesitzer mehrere Hundert Euro pro Jahr sparen, wenn er aus dem Ruhrgebiet in ländliche Regionen des Landes mit geringeren Hebesätzen umziehen würde. Andererseits sind gerade die Revierstädte mit ihren durch hohe Sozialausgaben und Schuldenberge belasteten Etats auf die Einnahmen aus der Grundsteuer angewiesen.
Allein in Bochum rund 100.000 Gebäude betroffen
Für Bochums Kämmerin Eva Maria Hubbert sind bei der Neuregelung der Grundsteuer noch viele Fragen offen. „Insgesamt soll die Reform ja aufkommensneutral erfolgen, unabhängig davon, welches Modell zum Zuge kommt. Ob die Aufkommensneutralität dann auch automatisch für jede einzelne Kommune zutrifft, bezweifele ich aber“, sagt Hubbert. Städte, denen die reformierte Grundsteuer weniger Einnahmen als nach der bisherigen Berechnung beschere, könnten zwar ihre Hebesätze nach oben anpassen, um auf den gleichen Ertrag zu kommen. Im Gegenzug müssten dann aber diejenigen Kommunen, denen die Reform ein Plus bringe, ihre Hebesätze auch absenken. Hubbert glaubt, dass es wie bei jeder großen Reform Gewinner und Verlierer geben wird, „unter den Städten und auch bei den Bürgern“.
Für Städte wie Bochum geht es auch um die praktische Umsetzung der Reform, zu deren Folgen eine komplett neue Wertermittlung aller rund 35 Millionen Immobilien in Deutschland gehören könnte. In Bochum gibt es 100.000 Gebäude. „In der Finanzverwaltung wären unter der Annahme, dass zwei Gutachten pro Tag erstellt werden, rund 250 Mitarbeiter ein Jahr durchgehend beschäftigt, nur um die Werte von Bochum zu ermitteln“, rechnet Hubbert vor.
Kosten werden auf die Mieter umgelegt
Eine vom aktuellen Verkehrswert unabhängige Berechnung nach der Fläche gekoppelt mit dem Bodenrichtwert ist aus Sicht der Diplom-Ökonomin die am wenigsten aufwendige Lösung. „Das Modell könnte aber dazu führen, dass in unserer Region etwa Besitzer von Einfamilienhäusern erheblich stärker belastet würden als bisher.“ Nicht nur Eigentümer seien von der Grundsteuer betroffen. Die Abgabe könne über die Nebenkosten komplett auf Mieter umgelegt werden.
Debatten über ein weitere Erhöhung der Grundsteuer-Sätze – wie derzeit in Mülheim – betrachtet Hubbert skeptisch. In Bochum wurde der Hebesatz seit 2009 vier Mal erhöht. Aktuell nimmt die Stadt damit rund 85 Millionen Euro im Jahr ein. Das sind nahezu 18 Prozent aller direkten Steuereinnahmen. „Die Anhebung der Hebesätze im Ruhrgebiet ist oft getrieben von der Sanierung der kommunalen Haushalte“, sagt Hubbert, „man sollte das aber nicht weiter auf die Spitze treiben“. Irgendwann werde eine hohe Grundsteuer auch zum Wettbewerbsnachteil für eine Stadt.