Düsseldorf. . Der bei einem Zellenbrand gestorbene Amed A. versuchte vergeblich klarzustellen, dass er nur Opfer einer Verwechslung war.

Es ist die wohl folgenschwerste Behördenpanne seit der Regierungsübernahme von CDU und FDP. Durch eine Verwechslung bei der polizeilichen Identitätsfeststellung sitzt ein 26-jähriger Syrer über zwei Monate zu Unrecht in Haft. Zunächst in Geldern, dann in Kleve. Bei einem Zellenbrand aus bislang ungeklärter Ursache verletzt er sich so schwer, dass er am 29. September stirbt. Dabei hatte der Verstorbene, wie am Freitag bei einer Sondersitzung der zuständigen Landtagsausschüsse herauskam, noch auf den Irrtum hingewiesen.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bat vor den Abgeordneten um Entschuldigung für „Fehler in meinem politischen Verantwortungsbereich“. Zwei Streifenwagen-Besatzungen waren am 6. Juli zur Liegewiese eines Sees in Geldern gerufen worden, weil dort der 26-jährige Amed A. offenbar vier junge Frauen belästigte. Auf der Wache ergaben seine Personalien, die mit Hilfe der Flüchtlingsregistrierung von 2016 eher schlecht als recht gespeichert waren, die Identität eines 1992 in Syrien geborenen Mannes.

Die Polizei machte Fehler

Zudem schien den Beamten eine Art „Stammkunde“ gegenüber zu sitzen, weil er seit 2017 diverser Vergehen verdächtigt wurde und einmal kurzfristig wegen einer möglichen Körperverletzung in Haft gesessen hatte. Die Polizisten ordneten dem Mann noch zwei Haftbefehle der Staatsanwaltschaft Hamburg zu, die sie in der Fahndungsdatei gefunden hatten.

Der Gesuchte aus Hamburg war ebenfalls 26 Jahre alt und nutzte denselben Allerweltsnamen wie A., stammte aber aus Mali. Reul machte deutlich, dass die Polizei so ziemlich alles falsch machte: Ein zwingend vorgeschriebener Abgleich von Fotos, Geburtsorten und äußerlichen Merkmalen habe nicht stattgefunden. „Hätte man das getan, wäre sofort aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen kann“, räumte Reul ein. So aber wurde aus dem Syrer in Geldern der gesuchte Afrikaner aus Hamburg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen die Polizisten wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung im Amt.

Der Inhaftierte versuchte, den Irrtum aufzuklären

Während die Opposition aus SPD und Grünen Reuls schonungslose Selbstkritik honorierte, witterte sie im Zuständigkeitsbereich von Justizminister Peter Biesenbach (CDU) Vertuschung. „Dass etwas schief gelaufen ist, steht fest“, hatte Biesenbach eher allgemein eingeräumt, aber die Hauptverantwortung für die Verwechslung der Polizei zugewiesen.

Die zuständigen Gefängnisse in Geldern und später in Kleve waren gleichwohl ebenfalls im Bilde, dass es sich bei dem Häftling Amed A. um einen syrischen Staatsbürger handelte. Sie wurden nicht hellhörig, als ihnen die Staatsanwaltschaft Hamburg bereits am 18. Juli ein Urteil zur Strafvollstreckung für ihren Mann aus Mali übermittelte.

Offene Fragen um den Zellenbrand

Ein Versuch des Personalienabgleichs Anfang August blieb ebenso ohne Konsequenzen wie ein Gespräch der Anstaltspsychologin mit dem Verwechslungsopfer am 3. September. Darin beteuerte Amed, nie in Hamburg gewesen zu sein und zur Tatzeit des namensgleichen Afrikaners Deutschland noch gar betreten zu haben.

Um den Zellenbrand vom 17. September ranken sich ebenfalls Ungereimtheiten. Bislang ist unklar, ob der Mann Suizid begehen wollte oder mit brennender Zigarette eingeschlafen ist. Die Polizei fand ein verkohltes Feuerzeug auf der Matratze, die Zelle sei für die Ermittlungen sofort versiegelt worden. Ein Brandsachverständiger wurde indes erst zweieinhalb Wochen später eingeschaltet. Während die Grünen von einem „unfassbaren Polizei- und Justizskandal“ sprachen, adressierte die SPD bereits eine verklausulierte Rücktrittsforderung an Justizminister Biesenbach.