Münster. Norrhein-Westfalens Innenminister will die Polizei abziehen. Er glaubt, die Rodung sei zwei Jahre vom Tisch. Am Samstag war Großdemo.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hat für Montagmorgen den Abzug der Polizei aus dem Hambacher Forst angekündigt. „Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster ist die Rodung des Hambacher Forstes mindestens für die kommenden zwei Jahre vom Tisch“, teilte er am Sonntag in Düsseldorf mit.

„Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, dass im Wald Ruhe, Ordnung und Frieden einkehren. Die Polizei wird ihren Teil dazu beitragen und die Hundertschaften bereits morgen früh aus dem Hambacher Forst abziehen.“

Er hoffe sehr, dass die Umweltschützer dies nicht dazu nutzten, erneut Baumhäuser und Barrikaden zu errichten. Das wäre widerrechtlich. „Wenn das passiert, wird dieser Wald nie zu Ruhe kommen“, sagte Reul. Er hoffe, dass bürgerliche Umweltschützer hier mäßigend auf diejenigen einwirkten, die gewaltbereit seien.

Demonstration am Samstag mit 50.000 Teilnehmern

20.000 sind erwartet worden, 50.000 sollen es am Ende gewesen sein: Die Demonstration am Hambacher Forst ist – nach Angaben der Veranstalter am Samstag – ein Erfolg. „Es ist die mit Abstand größte Demo, die das Rheinische Braunkohlerevier je gesehen hat“, sagte Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen. Die Polizei wollte keine Angaben zur Teilnehmerzahl machen. Die Kundgebung sei friedlich verlaufen, sagte eine Polizeisprecherin.

„Hier sind wirklich Tausende unterwegs, die noch einmal ein deutliches Zeichen setzen wollen“, sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser der Deutschen Presse-Agentur. Aufgerufen hatten neben Greenpeace auch Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Viele Demonstranten laufen in den Wald

Die Demonstration war von der Polizei zunächst wegen Sicherheitsbedenken verboten worden. Das Verwaltungsgericht Aachen hob das Verbot jedoch auf. Viele Tausend Demonstranten liefen am Nachmittag auch in den Wald, was nach dem Ende der Räumungsarbeiten der Polizei nicht länger verboten ist. Allerdings dürften keine neuen Baumhäuser gebaut werden, sagte die Polizeisprecherin. Eine Sprecherin von „Ende Gelände» bestritt, dass die Aktivistengruppe selbst neue Baumhäuser bauen wolle.

Jedoch hieß es später: „Ende Gelände freut sich über neue Baumhäuser und andere Besetzungs-Strukturen, die heute entstehen“, teilten die Aktivisten am Samstag mit. Die Polizei konnte noch nicht bestätigen, dass neue Baumhäuser gebaut worden seien. „Aber es sind Tausende von Menschen im Wald“, sagte eine Sprecherin.

Grüne treffen sich zum Parteitag am Forst

Die nordrhein-westfälischen Grünen treffen sich Sonntagmittag zu einem kleinen Parteitag am Hambacher Forst. Etwa 80 Delegierte beraten nach Parteiangaben einen Antrag des Landesvorstands für eine neue Energiepolitik in NRW. Die Teilnehmer tagen auf einem Grundstück des Bundes für Umwelt und Naturschutz an der Abbaukante des Braunkohletagebaus. Das Gelände bietet Platz für ein Veranstaltungszelt. Heizung und Strom gibt es demnach nicht. Etwa zwei Stunden sind für Debatte und Abstimmung eingeplant.

Insgesamt erwarten die NRW-Grünen 200 Teilnehmer. Außer den Delegierten kommen auch Gäste sowie Abgeordnete des Bundes- und Landtags. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte die Grünen für die Wahl des Veranstaltungsortes kritisiert. Er hatte der Partei vorgeworfen, im Streit um die Abholzung des Hambacher Forsts für die Braunkohle „Öl ins Feuer zu gießen“.

Gericht verhängt vorläufigen Rodungsstopp

Die Demonstranten wollen bei der Demo auch den vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst feiern, den das Oberverwaltungsgericht Münster am Freitag verfügt hatte. Die Richter entsprachen damit am Freitag in einem Eilverfahren dem Antrag des Umweltverbandes BUND. Bis über die Klage gegen die Rodungen entschieden ist, dürfe RWE keine vollendeten Tatsachen schaffen. Nach Einschätzung von RWE könnte das möglicherweise bis Ende 2020 dauern. Das Unternehmen rechnet deshalb jährlich mit hohen Millionenverlusten.

Im Streit um die Rodung des hatte der BUND argumentiert, dass der Wald mit seltenen Tieren wie der Bechsteinfledermaus geschützt werden müsse.
Im Streit um die Rodung des hatte der BUND argumentiert, dass der Wald mit seltenen Tieren wie der Bechsteinfledermaus geschützt werden müsse. © dpa | Dr. Renate Keil

Der BUND hatte argumentiert, dass der Wald mit seinem Bechsteinfledermaus-Vorkommen die Qualitäten eines europäischen FFH-Schutzgebietes habe und deshalb geschützt werden müsse. Der Kohleausstieg bliebe trotz des Etappensiegs für den Hambacher Wald eine Aufgabe, stellte das Demo-Bündnis am Samstag fest.

Das Münsteraner Gericht erklärte, die Unterlagen dazu umfassten mehrere Kisten, die Rechtsfragen seien so komplex, dass man sie nicht in einem Eilverfahren beantworten könne. Die Rodung müsse vorerst gestoppt werden, damit keine „vollendete, nicht rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen“ würden, teilte das Gericht mit.

Gericht stoppt Rodungspläne im Hambacher Forst

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    Das Gericht teilte zudem mit, dass RWE und die zuständige Bezirksregierung Arnsberg anhand von Tatsachen oder Akten hätten belegen müssen, dass durch einen Rodungsstopp die Energieversorgung bundes- oder landesweit gefährdet sei. RWE hatte bisher argumentiert, dass ohne ein rasches Fortschreiten des Kohleabbaus nicht mehr genug Strom erzeugt werden könne.

    Entscheidung im Streit zwischen NRW und BUND nicht absehbar

    Wann im juristischen Streit zwischen dem Bund für Umwelt und Naturschutz und dem Land Nordrhein-Westfalen eine endgültige Entscheidung fällt, ist nicht absehbar. Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichtes in Köln sagte am Freitag: „Wir können nicht davon ausgehen, dass wir in wenigen Wochen eine Entscheidung in diesem Verfahren bekommen werden.“ Der Fortgang hänge sehr von dem Verhalten der Prozessbeteiligten ab und ob noch weitere Beweise erhoben werden müssten.

    Hambacher Forst: Kampf um die Rodung

    Nordrhein-Westfalen, Kerpen: Ein Journalist war am 19. September im Hambacher Forst abgestürzt und gestorben. Seither ruhte die Räumung, jetzt soll sie weitergehen. Auch die Gegendemonstranten sind trotz Regen und Sturm wieder oder noch da.
    Nordrhein-Westfalen, Kerpen: Ein Journalist war am 19. September im Hambacher Forst abgestürzt und gestorben. Seither ruhte die Räumung, jetzt soll sie weitergehen. Auch die Gegendemonstranten sind trotz Regen und Sturm wieder oder noch da. © dpa | Christophe Gateau
    Sturmtief „Fabienne“ setzt auch den Demonstranten zu, sie versuchen Barrikaden gegen Räumungsfahrzeuge zu errichten.
    Sturmtief „Fabienne“ setzt auch den Demonstranten zu, sie versuchen Barrikaden gegen Räumungsfahrzeuge zu errichten. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
    Seit Montag, 24. September steht fest: Die Räumung geht weiter. Sie war zuvor aufgrund des tödlichen Unfalles ausgesetzt worden.
    Seit Montag, 24. September steht fest: Die Räumung geht weiter. Sie war zuvor aufgrund des tödlichen Unfalles ausgesetzt worden. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
    „Fabienne“ setzt den Demonstranten zu.
    „Fabienne“ setzt den Demonstranten zu. © dpa | Christophe Gateau
    Ein Teilnehmer spielt im Regen Klavier und protestiert friedlich sowohl gegen Rodung als auch Räumung des Forstes.
    Ein Teilnehmer spielt im Regen Klavier und protestiert friedlich sowohl gegen Rodung als auch Räumung des Forstes. © dpa | Christophe Gateau
    Blumen am Gedenkort für den abgestürzten und verstorbenen Journalisten. Er war am Mittwoch, 19. September von einer Baumbrücke mehrere Meter tief gestürzt und kurze Zeit später gestorben. Der Unfall war nicht während einer Räumung passiert.
    Blumen am Gedenkort für den abgestürzten und verstorbenen Journalisten. Er war am Mittwoch, 19. September von einer Baumbrücke mehrere Meter tief gestürzt und kurze Zeit später gestorben. Der Unfall war nicht während einer Räumung passiert. © dpa | Henning Kaiser
    Zwei Wochen zuvor: Mehrere tausend Demonstranten hatten gegen die geplante Rodung demonstriert, nachdem angekündigt worden war, dass die Baumhäuser geräumt werden sollen.
    Zwei Wochen zuvor: Mehrere tausend Demonstranten hatten gegen die geplante Rodung demonstriert, nachdem angekündigt worden war, dass die Baumhäuser geräumt werden sollen. © dpa | Christophe Gateau
    Bei sommerlichen Temperaturen blockierten Teilnehmer eine Landstraße.
    Bei sommerlichen Temperaturen blockierten Teilnehmer eine Landstraße. © dpa | Henning Kaiser
    Begleitet wurde der Demonstrationszug von Blasmusik. Die Demonstranten konnten nur über Äcker und Wege am Rande des Waldes laufen.
    Begleitet wurde der Demonstrationszug von Blasmusik. Die Demonstranten konnten nur über Äcker und Wege am Rande des Waldes laufen. © dpa | Henning Kaiser
    Auf einem gerodeten Teil des Forstes wollten sie neue Baumsetzlinge anpflanzen.
    Auf einem gerodeten Teil des Forstes wollten sie neue Baumsetzlinge anpflanzen. © dpa | Henning Kaiser
    Der Wald selbst, in dem Baumhäuser geräumt werden sollten, wurde von der Polizei abgesperrt. Einsatzkräfte seilen sich ab.
    Der Wald selbst, in dem Baumhäuser geräumt werden sollten, wurde von der Polizei abgesperrt. Einsatzkräfte seilen sich ab. © dpa | Henning Kaiser
    39 von den rund 50 Baumhäuser wurden inzwischen geräumt.
    39 von den rund 50 Baumhäuser wurden inzwischen geräumt. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY
    In der Nacht zu Sonntag war es der Feuerwehr gelungen, zwei Aktivisten aus einem Tunnelsystem zu holen. Sie verließen die unterirdischen Gänge schließlich freiwillig.
    In der Nacht zu Sonntag war es der Feuerwehr gelungen, zwei Aktivisten aus einem Tunnelsystem zu holen. Sie verließen die unterirdischen Gänge schließlich freiwillig. © dpa | Christophe Gateau
    Die Polizei bewachte den Einsatzort.
    Die Polizei bewachte den Einsatzort. © dpa | Christophe Gateau
    Andere Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen.
    Andere Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen. © dpa | Christophe Gateau
    Am Samstag verhinderten Polizisten auf Pferden das Eindringen von Demonstranten in das „Gefahrengebiet Hambacher Forst“.
    Am Samstag verhinderten Polizisten auf Pferden das Eindringen von Demonstranten in das „Gefahrengebiet Hambacher Forst“. © dpa | Henning Kaiser
    Die Demonstranten versuchten immer wieder auf das Gelände zu kommen.
    Die Demonstranten versuchten immer wieder auf das Gelände zu kommen. © dpa | Henning Kaiser
    Rund 500 Menschen folgten am Samstag einem Demonstrationsaufruf der Aktion Unterholz und wollten gegen die Rodung protestieren.
    Rund 500 Menschen folgten am Samstag einem Demonstrationsaufruf der Aktion Unterholz und wollten gegen die Rodung protestieren. © dpa | Henning Kaiser
    Aktivisten hingen aus Protest an einer Anlage auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem.
    Aktivisten hingen aus Protest an einer Anlage auf dem Gelände des Braunkohlekraftwerks Niederaußem. © dpa | Henning Kaiser
    Zwei Spezialeinsatzkräfte der Polizei versuchen das Dach eines Baumhauses zu entfernen.
    Zwei Spezialeinsatzkräfte der Polizei versuchen das Dach eines Baumhauses zu entfernen. © dpa | Christophe Gateau
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    Der Energiekonzern RWE will in den nächsten Monaten gut 100 von den bisher verbliebenen 200 Hektar des Waldes für den fortschreitenden Tagebau abholzen. Wegen des freiwilligen Verzichts auf Rodungen im vergangenen Jahr gebe es keinen zeitlichen Puffer mehr. Die Rodungssaison läuft von Anfang Oktober bis Ende März.

    Umweltschutzorganisationen äußerten sich hocherfreut über den verfügten Rodungsstopp. An der für Samstag geplanten und von der Polizei aus Sicherheitsgründen verbotenen Demonstration halten die Organisationen aber fest.

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    „Das ist ein großer Erfolg unserer langjährigen juristischen Bemühungen und ist wirklich eine Zäsur hier in Nordrhein-Westfalen“, sagte der Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen, am Freitag bei einer Pressekonferenz mehrerer Umweltschutzorganisationen in Köln. „Wir sind sehr froh.“

    Klimaaktivisten hatten über Jahre mit ihrer Wald-Besetzung gegen die Braunkohle und für den Klimaschutz demonstriert.

    NRW-Ministerpräsident wirbt für neue Verhandlungen

    NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat nach der Gerichtsentscheidung zum Dialog aufgerufen. „Rodungen wird es in absehbarer Zeit nicht geben, es ist jetzt der Raum für Gespräche, und den sollten alle Beteiligten nutzen“, sagte Laschet am Freitag beim Luftfahrtgipfel in Hamburg. „Lasst uns jetzt noch einmal zusammen überlegen“, appellierte er. Es müsse ein Weg gefunden werden, die unterschiedlichen Interessen miteinander zu versöhnen.

    Laschet bestritt, dass die Gerichtsentscheidung auch eine Niederlage für ihn persönlich sei. „Ich habe gar nichts unterstützt, sondern die Entscheidung, dass der Hambacher Forst fallen soll, ist eine Entscheidung aus 2016 der Vorgängerregierung aus SPD und Grünen. Wir haben immer gesagt, entscheidend ist, was das Gericht sagt.“

    Der Regierungschef verteidigte auch die wochenlange kostspielige Räumung des Forstes und die Zerstörung der Baumhäuser von Aktivisten: „Die Räumung war richtig, weil rechtswidrige Zustände nicht geduldet werden“, sagte er. „Die Räumung hatte nichts mit der Rodung zu tun.“ (dpa/les/ac/joe)