Essen. . Die ministeriell verordneten Personaluntergrenzen für besonders pflegeintensive Stationen stellen viele Kliniken in NRW vor Probleme.

Das Klinikum Dortmund hat besonders schnell gerechnet: Im größten städtischen Krankenhaus Nordrhein-Westfalens geht es um 100 zusätzliche Stellen. 100 weitere Pflegestellen müsste das Haus innerhalb von drei Monaten einrichten, besetzen und finanzieren, allein um die jüngst von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigten Personalquoten für Intensivstationen erfüllen zu können. Kliniksprecher Marc Raschke winkt gleich ab. „100 zusätzliche Pflegekräfte zu finden, die auch noch für die Intensivpflege ausgebildet sind, das ist angesichts des abgegrasten Marktes kaum zu leisten“, so Raschke. Die Alternative: „Wir fürchten, dass wir Betten abbauen müssen.“

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Die Krankenhauslandschaft in Deutschland und im größten Flächenland ist aufgeschreckt. Ende August veröffentlichte der Gesundheitsminister Details zu seiner geplanten Verordnung, mit der er bundesweit einheitliche Standards für vier sogenannte pflegesensitive Bereiche in den Krankenhäusern setzen will. Damit machte er Druck auf die Krankenhäuser, die sich auch nach über einem Jahr der Verhandlungen mit den Krankenkassen nicht auf Personaluntergrenzen einigen konnten. Kleine wie große, private wie konfessionelle Kliniken müssen sich ab 2019 an Quoten für die Geriatrie, Unfallchirurgie, Kardiologie und Intensivmedizin halten.

Besonders die Vorgabe für die Intensivpflege macht den NRW-Kliniken zu schaffen. „Sie ist in der Realität kurzfristig von der Mehrheit der Krankenhäuser nicht zu erreichen“, sagt Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft. Bei ersten Umfragen unter 24 Kliniken deutschlandweit hätten knapp 90 Prozent der Leitungen erklärt, die Vorgaben nicht zu erfüllen. Die Gesellschaft wertet die Ergebnisse als ersten Hinweis auf drohende Probleme. In NRW fehlten in zwei Dritteln der Häuser Pflegefachkräfte. Eine Eins-zu-zwei-Betreuung sei die Idealbesetzung in der Intensivpflege, nicht aber eine Personalmindestgrenze, meint Brink. „Wir haben kein grundsätzliches Problem mit den Untergrenzen, aber damit, wie sie jetzt verabschiedet werden sollen. Es fehlen die Pflegekräfte, um diese Stellen so schnell zu besetzen.“

2000 Pflegestellen unbesetzt

Laut NRW-Kliniken sind derzeit rund 2000 Pflegestellen unbesetzt. Auf Ausbildungsplätze gebe es deutlich weniger Bewerbungen, ausländische Fachkräfte seien kurzfristig nicht einzusetzen, weil zunächst Sprachkurse und Berufsanerkennung zu bewältigen seien. Das Personalprogramm sei auch finanziell nicht zu stemmen, heißt es. Zwar hatte Spahn angekündigt, rund 520 Millionen Euro zusätzlich bereit zu stellen. Zugleich will er aber den sogenannten Pflegezuschlag in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro streichen, den die Krankenhäuser bisher für die Pflege stationär behandelter Patienten abrechnen konnten.

Für Unsicherheit sorgen fehlende Details des geplanten Ministervorstoßes. Klar ist bisher, dass die Verordnung am 1. Oktober in Kraft treten soll und bis zum 31. Dezember befristet wird. Ziel ist, dass Kassen und Kliniken sich in der Zeit auf eigene Standards geeinigt haben. Ob aber Übergangsfristen für Kliniken eingeräumt werden oder Sanktionen drohen, ist noch nicht konkretisiert.

Spitzenverband verteidigt Personalgrenzen

Selbst Krankenhäuser, die die Personalquoten erreichen, weisen die politische Einmischung zurück: Mehr Flexibilität wäre wünschenswert, sagte ein Sprecher des Katholischen Klinikums Bochum. „Zu starre Regelungen können die Personalplanung behindern.“ Ludger Risse, der als Vorsitzender des Pflegerates NRW über Jahre für Personalmindestgrenzen gestritten hat, rudert ebenfalls zurück. „Statt starrer Vorgaben brauchen wir ein System, mit dem höherer Pflegeaufwand auch höher vergütet wird“, sagt Risse dieser Zeitung.

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Der Spitzenverband der Krankenkassen verteidigt die Personalgrenzen. „Pflegepersonaluntergrenzen sind Patientenschutz, da braucht es klare Kante“, twitterte Verbandssprecher Florian Land zuletzt.

>>> BEISPIELE FÜR PERSONALQUOTEN

Beispiele für die Personalquoten des Bundesgesundheitsministers: In der Geriatrie soll sich eine Pflegefachkraft werktags um nicht mehr als zehn Patienten, nachts nicht mehr als 24 Patienten kümmern. In der Kardiologie sollen es am Wochenende nicht mehr als 13 sein.