Wiesbaden. Deutschen Schulen droht ein dramatischer Lehrermangel. Die Pensionierungswelle hält an. Gleichzeitig fehlt den Schulen der Nachwuchs. "Es ist längst fünf vor zwölf", warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Den deutschen Schulen gehen die Lehrer aus. Die Welle der Pensionierungen älterer Lehrkräfte dauert nach Zahlen des Statistischen Bundesamts vom Dienstag an. Gleichzeitig stehen nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) immer weniger Nachwuchskräfte für den Schuldienst zur Verfügung. Die Zahl der Einschulungen blieb bundesweit konstant, entwickelte sich aber in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich.

Im vergangenen Jahr gingen 19.500 verbeamtete Lehrkräfte in den Ruhestand, wie die Behörde in Wiesbaden mitteilte. Das war zwar ein minimaler Rückgang von 0,8 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2007. Die Zahl liegt aber immer noch deutlich höher als vor zehn Jahren: Damals waren nur gut halb so viele Lehrer pensioniert worden. Der Grund für die anhaltende Pensionierungswelle liegt in der hohen Zahl an Einstellungen von Lehrern in den 60er und 70er Jahren.

«In Sachen Lehrermangel ist es längst fünf Minuten nach zwölf», kommentierte die GEW. In den vergangenen Jahren sei es den Schulämtern noch gelungen, freie Stellen durch Bewerber zu ersetzen, die im früheren Jahren nicht gleich eine Stelle gefunden hatten. «Dieser Pool ist jetzt leer», erklärte Ilse Schaad vom Vorstand der Lehrergewerkschaft. Jetzt werde offenbar, dass seit Jahren zu wenige Lehrkräfte ausgebildet würden. Die Kultusministerien wüssten das. Die Finanz- und Innenministerien hingegen, in den über die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte entschieden wird, «halten sich Augen und Ohren zu», beklagte Schaad.

Weniger Lehrer dienstunfähig

Der ungleichmäßige Altersaufbau der Lehrerschaft lasse für die kommenden Jahre einen weiteren Anstieg erwarten. Der stärkste Altersjahrgang in der Lehrerschaft habe 2009 gerade erst den 60. Geburtstag gefeiert. Die Gewerkschafterin forderte ein Maßnahmenpakt, um den Lehrerberuf wieder attraktiver zu machen. Dazu gehöre, die Arbeitsbelastung mindestens auf das Niveau von Anfang der 1990er Jahre zurückzufahren. Nötig seien auch kleinere Klassen.

Der Anteil der Dienstunfähigkeit als Grund für die Pensionierung von Lehrkräften ging den Angaben der Statistiker zufolge binnen Jahresfrist von 23 auf 22 Prozent zurück. Dies war der tiefste Stand seit Beginn der statistischen Erfassung 1993. Dennoch wurden damit immer noch deutlich mehr Lehrer wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig pensioniert als Beamte der Gebietskörperschaften mit einem Anteil von nur rund 15 Prozent.

Gleichzeitig stieg unter den Lehrern der Anteil derer, die die Regelaltersgrenze erreichten, allerdings von 37 auf 39 Prozent. Im Durchschnitt waren die Lehrkräfte 62,6 Jahre alt, als sie in den Ruhestand eintraten (2007: 62,5 Jahre). Zu Beginn des Jahres 2009 erhielten insgesamt 268.200 ehemalige Lehrkräfte Ruhestandsbezüge - 15.100 mehr als im Vorjahr.

Deutliche regionale Unterschiede

Eingeschult wurden im laufenden Schuljahr 2009/10 in Deutschland insgesamt 734.350 Kinder. Mit einem geringfügigen Minus von 0,1 Prozent blieb die Zahl damit gegenüber dem Vorjahr fast konstant.

Das Statistische Bundesamt meldete aber deutliche regionale Unterschiede. So gab es in Rheinland-Pfalz (minus 7,3 Prozent), Hessen (minus 4,5 Prozent) und Niedersachsen (minus 4,0 Prozent) deutlich weniger Schulanfänger als 2008. Dagegen stieg die Zahl der ABC-Schützen in Nordrhein-Westfalen stark um 7,3 Prozent an. Im Vergleich zu vor zehn Jahren ging die Zahl der Schulanfänger aber bundesweit um zwölf Prozent zurück. (ap)