Berlin/Fulda. Heute werden die Ergebnisse der Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche präsentiert. Sie sorgten bereits vorab für Wirbel.
Die Studie hatte bereits im Vorfeld Aufregung verursacht: Die Deutsche Bischofskonferenz präsentiert am Dienstag die Ergebnisse der Studie zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Marx, entschuldigte sich bei der Vorstellung bei den Missbrauchsopfern: „Allzulange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden. Für dieses Versagen und für allen Schmerz bitte ich um Entschuldigung.“
Kardinal Marx zum Missbrauch: „Ich schäme mich“
Marx fügte an: „Ich schäme mich für das Vertrauen, das zerstört wurde; für die Verbrechen, die Menschen durch Amtspersonen der Kirche angetan wurden; und ich empfinde Scham für das Wegschauen von vielen, die nicht wahrhaben wollten, was geschehen ist und die sich nicht um die Opfer gesorgt haben.“ Das gelte auch für ihn selbst. „Wir haben den Opfern nicht zugehört. All das darf nicht folgenlos bleiben.“ Er konstatierte: „Viele Menschen glauben uns nicht mehr. Und ich habe dafür Verständnis.“
Zuvor hatte Marx die kirchlichen Amtsträger zu einem Neuanfang aufgefordert. „Wir brauchen den Mut und die Kraft, einen neuen Anfang zu machen, neue Zeichen zu setzen, damit die Menschen uns wieder glauben. Denn viele glauben uns nicht mehr“, sagte der Münchner Kardinal.
Leitender Forscher beklagt fehlenden Aufklärungswillen
Der Wissenschaftler Harald Dreßing, der das Studienprojekt leitete, beklagte einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Institution. Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen als auch „der Umgang der Verantwortlichen damit“ hätten die Forscher „erschüttert“, sagte Dreßing bei der Vorstellung der Untersuchung.
Er betonte, die Missbrauchsthematik sei keineswegs überwunden. „Das Risiko besteht fort“, sagte der forensische Psychiater, der am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim arbeitet. „Unsere Studienergebnisse legen nahe, dass es in der katholischen Kirche Strukturen gab und gibt, die den sexuellen Missbrauch begünstigen können“, sagte er.
Gründe dafür seien beispielsweise der Missbrauch klerikaler Macht, die Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit (Zölibat) sowie ein innerkirchlich „problematischer Umgang“ mit dem Thema Sexualität, vor allem mit der Homosexualität.
3677 Kinder sexuell missbraucht
Für die im Auftrag der Kirche ausgeführte Studie waren mehr als 38.000 Personal- und Handakten aus den 27 deutschen Bistümern ausgewertet worden. Dreßing gehört einem unabhängigen Forschungskonsortium an, das von der Deutschen Bischofskonferenz vor viereinhalb Jahren mit dem Studienprojekt beauftragt worden war.
Die Studie ergab unter anderem, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen.
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Doch das tatsächliche Ausmaß des Missbrauchs in der Kirche ist in der Studie wohl nicht annähernd abgebildet. So soll den Autoren kein Zugang zu Originaldokumenten in den Kirchenarchiven eingeräumt worden sei.
Missbrauch in der katholischen Kirche dauert an
Kritiker bemängeln auch, dass Aussagen von Opfern fehlten, auch habe es keine Zeugenvernehmungen gegeben, teils seien Akten sogar im Vorfeld der Untersuchung vernichtet worden. Zudem seien die zahlreichen Ordensgemeinschaften für die Studie nicht auf Missbrauchsfälle untersucht worden.
Häufig wurde der Missbrauch unter den Teppich gekehrt – indem der verdächtigte Kleriker einfach versetzt wurde. Nur jeder dritte Täter musste sich einem kirchenrechtlichen Verfahren stellen, mit meist geringfügigen Sanktionen.
Es gebe außerdem keinen Anlass zu der Annahme, „dass es sich beim sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker der katholischen Kirche um eine in der Vergangenheit abgeschlossene und mittlerweile überwundene Thematik handelt“,
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Die Serie der Missbrauchsfälle dauerte demnach bis zum Ende des Untersuchungszeitraums an.
Der Mitbegründer der katholischen Laienorganisation „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, mahnt daher, die Missbrauchsstudie zeige nur die „Spitze des Eisberges“. (jha/dpa/epd)