Bottrop. . Ministerpräsident Laschet nimmt Großteil des Emscher-Abwasserkanals in Betrieb. Bis der Fluss nicht mehr stinkt, dauert es aber noch ein paar Jahre.
Unspektakulärer kann man ein Milliardenprojekt nicht eröffnen. Gerade hat Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) einen roten Knopf gedrückt, da rauscht es ein bisschen im riesigen, unterirdischen Maschinenraum 2 des Pumpwerks Bottrop. Dann plätschert es ein wenig, aber nur ein wenig – und zu sehen ist gar nichts.
Nur eine haushohe Kreiselpumpe beginnt sich lautlos zu drehen, und ein kleiner Zeiger auf einem Schaltpult zeigt an, was Pumpe M4 gerade leistet: Sie fördert rund 600 Liter Wasser aufwärts. Pro Sekunde, versteht sich. Die Kapazität dieses einen Maschinenraums ist: noch acht Mal größer.
Alles fließt. Es geht um: blaues Wasser abseits der Ruhr.
Am Montag hat die Emschergenossenschaft mit diesem Akt einen großen Teil des „Abwasserkanals Emscher (AKE)“ in Betrieb genommen, und zwar die 35 Kilometer von Dortmund bis Bottrop. In den nächsten Wochen und Monaten werden immer mehr Zuflüsse angeschlossen: Dann entlastet dieser Kanal nach und nach die Emscher, die offene Kloake des nördlichen Reviers, von Fäkalien und Abwässern. Sie wird wieder zu einem Fluss umgebaut, denn der Dreck reist ja dann auf einer tiefergelegten Parallelstrecke. Damit hört auch der Gestank nach und nach auf; im fehlenden Abschnitt, Bottrop bis Voerde, soll es 2021 soweit sein.
Pumpwerke befördern Abwasser 80 Meter höher
Gleichzeitig hat die Emschergenossenschaft zwei neue Pumpwerke in Bottrop und in Gelsenkirchen eröffnet. Sie sollen das Abwasser auf seinem langen Weg zum Rhein dutzende Meter hoch pumpen, denn sonst käme es wegen des nötigen Gefälles in 80 Metern Tiefe an der Mündung in Voerde an.
Dieses Mal also sind große Worte richtig am Platze; sie werden oben in einem weißen Festzelt gesprochen, das voll ist mit Vertretern der Städte, der Baufirmen, der Behörden; mit Planern und Oberbürgermeistern, Ministern und Ex-Ministern, die schon zu ihren längst verblichenen Amtszeiten in den 1990er-Jahren mit dem Jahrhundertprojekt zu tun hatten.
Attraktive Wohn- und Gewerbegebiete
„Auf dieses Generationenprojekt kann unser Land stolz sein“, sagt Armin Laschet also. Uli Paetzel, der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft, spricht davon, dass „Gemeinschaftsprojekte der öffentlichen Hand gelingen können. Wir im Emscherland schaffen das.“ Und Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) meint, das sei ein „sehr schönes Beispiel, wie man in der Region in die Hände spuckt und nach vorne macht. Das ist etwas, auf das die Welt schaut: wie nachhaltige Wasserwirtschaft gelingen kann.“
In vielen Rathäusern malen sie sich nämlich bereits aus, wie demnächst entlang der renaturierten Wasserläufe attraktive Wohn- und Gewerbegebiete entstehen. Für ein „unterirdisches Projekt“ (Sierau) ist das ziemlich viel Zukunft.
Gesamtkosten 5,.3 Milliarden Euro
Jetzt zu den Zahlen. Das größte unsichtbare Bauwerk der Welt wird, wenn es erst mal fertig ist, rund 5,3 Milliarden Euro gekostet haben. 423 Kilometer Abwasserkanäle – einschließlich der Zuflüsse – sind dann verlegt, 250 Kilometer Fluss- und Bachläufe renaturiert. Allein in dem Abschnitt, der seit Montag arbeitet, liegen 10 661 Kanalrohre von 213 747 Tonnen Gesamtgewicht.
Und Uli Paetzel, der Vorstandsvorsitzende, nennt noch eine weitere Zahl: Er habe „gefühlt mehrere hundert Spatenstiche“ hinter sich. Es klingt ein bisschen erleichtert, man muss aber leider vorhersagen: Bis zum Ende der Arbeiten 2020 oder 2021 kommen noch ein paar hinzu.