Berlin. Ein rechter Mob zieht durch Chemnitz: Die Vorfälle könnten sich überall in Sachsen wiederholen. Versagt hat dort allen voran die CDU.
Sie wollten zeigen, wer in Chemnitz das Sagen hat. Am Wochenende ist das gelungen. Nicht der Staat hatte das Sagen, sondern der Mob. Es wird nicht der letzte Anfall von Selbstjustiz bleiben. Chemnitz ist überall, auf jeden Fall in Sachsen. Es war beileibe nicht der erste Vorfall dieser Art im Freistaat.
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war lange Zeit das Basisgebiet der NPD, ist bis heute die Heimat der
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und Hochburg der Rechtspopulisten. Hier ist die Fremdenfeindlichkeit stärker als woanders in Deutschland. Die entlädt sich wie nach der Messerstecherei in Chemnitz zwar anlassbezogen und „plötzlich“, aber nicht zufällig. Der Hass war vorher da. Er ist die Reibefläche, an der sich das Streichholz entzündet.
Ein Teil der Bürger billigte Versuch der Selbstjustiz
In Chemnitz gab es eine
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Sowas kommt vor. Messerstechereien sind kein Spezialdelikt von Flüchtlingen. Ein Iraker und ein Syrer werden als Täter verdächtigt. Die Umstände zu überprüfen, die Täter zu überführen, ist Aufgabe von Polizei und Justiz.
Die Stimmung in Chemnitz war am Wochenende offenkundig so, dass ein Teil der Bürger offen oder insgeheim die Jagdszenen auf der Straße billigte – und damit der Versuch der Selbstjustiz. Schon seit Jahren beobachtet man, wie rechtes Gedankengut im Freistaat zunehmend Teil der Alltagskultur wird.
Die Polizei Chemnitz war nicht vorbereitet
Chemnitz hat 240.000 Einwohner. Davon ist eine Minderheit randalierend auf die Straße gegangen. Aber der gesellschaftliche Rückhalt war immerhin so stark, dass die Pöbler binnen kürzester Zeit Hunderte gewaltbereite Chaoten mobilisieren konnten; dynamischer agierten als die Polizei, die zu spät kam, dem Mob unterlegen war, überrannt wurde. Die Polizei war unvorbereitet.
Vorwürfe an ihre Adresse helfen indes nicht weiter. Die Polizei kann nicht überall präsent sein. Es war Wochenende, Bundesligaspieltag, da ist ein Großteil der Bahn- und Bereitschaftspolizei gebunden, insbesondere in den unteren Ligen, wo regelmäßig Gewaltausbrüche drohen, gerade im Osten. Bezeichnend ist, dass der Aufruf zum Aufmarsch in Chemnitz von Ultras des örtlichen Vereins ausging.
Extremismus ist eine politische Herausforderung
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Die ersten Ausschreitungen gegen Ausländer gab es in Sachsen nach der Wende, vor über 25 Jahren. Genauso lange hat die Landesregierung sie übersehen, relativiert, verharmlost. Versagt hat allen voran die CDU, die bisher alle Ministerpräsidenten gestellt hat. Natürlich will sich die Partei von Extremisten abgrenzen, sich nicht anbiedern, zugleich aber klare Kante zeigen, AfD-Wähler gewinnen, bürgernah sein.
Und wer sind ihre Bürger? Schon der „Sachsen-Monitor“ hat 2016 gezeigt, wie gefährdet die Demokratie im Freistaat ist und dass dort Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus stärker als woanders in Deutschland verbreitet sind. „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ – sagten damals 18 Prozent der Deutschen und 58 Prozent der Sachsen. 16 Prozent forderten bundesweit: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“ In Sachsen waren es 39 Prozent.
Bis heute hat die Regierung in Dresden keine Strategie für den Umgang mit den Rechten. Womöglich kommt es darauf bald nicht mehr an: Schon bei der Bundestagswahl war die AfD auf Augenhöhe, bei den Kommunal- und Landtagswahlen 2019 könnte sie die CDU hinter sich lassen. Ein AfD-Bundestagsabgeordneter twitterte zu Chemnitz, es sei „Bürgerpflicht, die todbringende Messermigration zu stoppen“. Messer und Migranten in einem Wort – im Ergebnis – gleichzusetzen, ist perfide.