Düsseldorf. . Für den CDU-Ministerpräsidenten ist das Revier strategisch ein wichtiger und zugleich komplizierter Fall. „Ruhrkonferenz“ soll Fahrt aufnehmen.
Als Armin Laschet im März ein Ruhrgebiets-Buch in der Düsseldorfer Altstadt vorstellte, leuchtete neben der Bühne die imposante Nachbildung eines Förderturms. Die Staatskanzlei hatte für den Auftritt des Ministerpräsidenten eigens eine Zechen-Plastik aus dem Fundus für besondere Anlässe geholt.
CDU-Mann Laschet hat das Ruhrgebiet zusehends zur Chefsache gemacht. Vor dem NRW-Tag am kommenden Wochenende auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein in Essen und in der Essener Innenstadt wurden alle Kabinettsmitglieder vergattert, sich mit Ideen und Projekten in die mehrjährig angelegte „Ruhrkonferenz“ einzubringen. In jeder zweiten Rede widmet Laschet dem Revier breiten Raum, nennt die Region zwischen Dortmund und Duisburg das „Herzstück Nordrhein-Westfalens“.
Laschet putzt persönlich Klinken, um ein neues Max-Planck-Institut nach Bochum zu holen. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) preist die Standortvorteile des Reviers (Hochschuldichte, Wohnraum, verfügbare Arbeitskräfte) wie ein Marketingmann. Ansiedlungsentscheidungen wie jene von VW in Bochum versetzen den Ökonomie-Professor derart in Euphorie, dass er den dortigen SPD-Oberbürgermeister Thomas Eiskirch rhetorisch glatt vereinnahmt als jemanden, „der da mal richtig Wind macht“.
CDU-Hochburgen liegen im ländlichen Raum
So geht das seit Monaten. Innenminister Herbert Reul (CDU) marschiert regelmäßig bei nächtlichen Polizei-Einsätzen gegen die Clan-Kriminalität im Ruhrgebiet mit und stellt dort robuste „Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten“ auf. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) verdoppelt die Zahl der geplanten, besonders ausgestatteten „Talentschulen“ für schwierige Viertel ansatzlos von 30 auf 60, damit auch bloß das Revier ausreichend bedacht werden kann.
Die Ruhrgebiets-Fokussierung ist kein Zufall. Sie folgt Laschets Analyse, dass NRW nur dann wirtschaftlich, wissenschaftlich und gesellschaftlich zur Spitzengruppe der Bundesländer aufschließen kann, wenn sich im Fünf-Millionen-Ballungsraum an der Ruhr Entscheidendes tut. „Die Entwicklung des Ruhrgebiets liegt im Interesse von ganz Nordrhein-Westfalen“, betonte er Anfang Juli beim „NRW-Unternehmertag“.
Biografisch fällt es Laschet nicht schwer, die Ruhrgebietsbrille aufzusetzen. Der Aachener ist Sohn eines Bergmannslehrlings aus Alsdorf. Anders als sein CDU-Vorgänger Jürgen Rüttgers will er sich aber nicht als „Arbeiterführer“ verkleiden. Politisch wären regionale Unwuchten ohnehin gefährlich. Die Landtagswahl 2017 gewann die CDU vor allem mit starken Zuwächsen in ihren Hochburgen im ländlichen Raum. Zuletzt bei der Verteilung der Polizeistellen im Land oder beim Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 zeigte sich, dass Schwarz-Gelb die bürgerliche Provinz besser stellen will – und wenn’s um Geld geht, keineswegs gilt: „Ruhr first“. Das Murren der Oberbürgermeister im Revier ließ nicht lange auf sich warten.
Im Ruhrgebiet stellt die CDU gerade einmal zwei Wahlkreis-Sieger: Fabian Schrumpf im Essener Süden und Generalsekretär Josef Hovenjürgen im schon münsterländisch geprägten Norden von Recklinghausen. Im Kabinett sitzt nur ein einziger Minister aus dem Kern-Revier: Stephan Holthoff-Pförtner, zuständig für Bundes- und Europaangelegenheiten, der für Laschet die „Ruhrkonferenz“ organisiert.
Laschets schwieriger Spagat: Er muss in den kommenden Jahren die eigenen Hochburgen im Münsterland, Sauerland und am Niederrhein bei Laune halten, zugleich aber das Ruhrgebiet päppeln. Auch für 2022 gilt: Im Revier werden wegen der schieren Masse an Einwohnern Wahlen entschieden. Nur wenn die Union im traditionell roten Ballungsraum zumindest relativ dazu gewinnt, reicht es zum landesweiten Sieg.
Die Voraussetzungen sind so schlecht nicht, weil die SPD im Revier dramatisch an Boden verliert – obwohl Laschets aus Mülheim stammende Vorgängerin Hannelore Kraft über Jahre viele Schlüsselpositionen mit Ruhrgebietlern besetzte, die Revier-Folklore bestens beherrschte und viel Geld in die „Herzkammer“ der Sozialdemokratie pumpte. Am Ende, das gilt wohl auch für die „Ruhrkonferenz“, wollen die Wähler Ergebnisse sehen.